Wir lieben das Weiß, wir wollen es rein haben. Die Waschmittelwerbung hat dieses elementar emotionale Bedürfnis lange ausgeschlachtet.
1. Öl-Wäsche
Seit dem Krieg in der Ukraine, seit der Westen beschlossen hat, sich von Öl und Kohle aus Russland „unabhängig“ zu machen, ist ein neues Waschsalon-Geschäftsfeld entstanden. Saudi-Arabien hat es besetzt.
In diesem Sonnen- und Erdöl-reichen Land gibt es viele Kraftwerke, die selbstverständlich auf Ölbasis laufen – man sitzt ja drauf. Seit etwa zehn Jahren, seit Verkündung des saudischen „Vision 2030“-Plans, sollen die ergänzt bzw. abgelöst werden durch Solar- und Atomkraftwerke – das freiwerdende Öl wird auf dem Weltmarkt verkauft. Da Strom aus PV-Kraftwerken deutlich günstiger ist als Strom aus verbranntem Öl, ist diese Substitution ein glänzendes Geschäft. Auch andere Golfstaaten folgen dem Modell, insbesondere die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE).
In diese Geschäftsidee passt, als Kurzfrist-Schnäppchen, was das saudische Königshaus mit Russland vereinbart hat. Russland waren etliche langfristige Öllieferverträge als Teil der westlichen Sanktionen fristlos gekündigt worden. Man wandte sich an die Saudis, und die hatten noch Substitutionsmöglichkeiten. Sie kaufen Russland kurzfristig überschüssige Mengen ab, setzen die, gerade jetzt im Sommer, zur Kühlung, in ihren thermischen Kraftwerken ein – und verkaufen ihr eigenes freiwerdendes Öl gewinnbringend an westliche Staaten, die dringend Öl aus nicht-russischen Quellen zu erhöhten Preisen einzukaufen bereit sind. Saudi-Arabien als Waschmaschine, welches anderswo Öl aus russischen Quellen durch Öl aus nicht-russischen Quellen ersetzt. Die Gebühr für die Waschleistung teilen sich Russland und die westlichen Nachfrager.
2. Geld-Wäsche
Sucht man für dieses neu entstandene Geschäftsmodell einen Namen, so fällt einem unwillkürlich „Ölwäsche“ ein. Es ist eben analog zu dem Typ von Geschäft, welches unter dem Namen „Geldwäsche“ bekannt ist. Auch hier geht es um ein Gut, dessen Ursprung schwarz ist, dessen Herkunft etwas Geächtetes ist: Es ist Geld aus kriminellen oder zumindest illegitimen Geschäften. Das will man sauber haben. Also muss man es „waschen“, auf dass es seinen dunklen Herkunftshintergrund verliert. Dazu braucht man einen Agenten, der den Tausch vornimmt, der das schwarze Originalprodukt nimmt und ein sauberes Produkt derselben Art gibt.
Dieser Tausch wird meist von Mitgliedern der westlichen Bankenwelt vorgenommen, zu einem ordentlichen Preis. Das Risiko des Geschäftsmodells ist, dass man das nicht absichtlich machen darf, es darf immer nur aus Unachtsamkeit im Finanzinstitut „passieren“, von Untergebenen, die man durch Boni eigentlich unmissverständlich aufgefordert hat, solche Geschäfte zu acquirieren, von denen man sich, wenn es auffliegt, auch leicht trennen kann – da es zwischen Bank und Mitarbeiter keinen expliziten Vertrag besagten Inhalts gibt, geht das. Dass auch Boni Vertragscharakter haben, ist rechtlich noch nicht etabliert, in diesem Sinne sind die Gerichte Mitspieler im System. Nur so vermag ein Finanzinstitut mit diesem Geschäftsmodell Teil der angesehenen Gesellschaft im Domizilstaat zu bleiben.
3. Gas-Wäsche
Nach dem 24. Februar hatten die westlichen Staaten Russland mit harten Finanzsanktionen belegt. Die liefen auf eine Beschlagnahme sämtlicher Devisen Russlands in den westlichen Staaten hinaus, und zwar nicht nur der bestehenden Guthaben (rd. 400 Mrd. $) sondern obendrein des allfälligen Zuflusses. Wenn also ein westlicher Gasimporteur für das bezogene Gas in der vertraglich vereinbarten westlichen Währung bezahlte, so landete der Devisenbetrag zwar auf dem Konto aber nicht in der Verfügungsgewalt Russlands. Es konnte kaum verwundern, dass Russland Gazprom anwies, per Ende April nur noch gegen Rubel Gas zu liefern. Am 22. April 2022 teilte die EU-Kommission mit, dass EU-Unternehmen weiter für russisches Gas über ein Doppelkonto Dollar-Rubel bei der Gazprombank bezahlen können, ohne europäische Sanktionen gegen Moskau zu verletzen.
Polen, in Gestalt des Versorgers PGNiG, ging einen anderen Weg. Man gab sich besonders rechtstreu, der Vorstand habe das russische Dekret einer gründlichen Analyse unterzogen, mit dem Ergebnis, die vorgeschlagenen Abwicklungsbedingungen seien unvereinbar mit den geltenden Bestimmungen des Jamal-Vertrags. Man habe deshalb beschlossen, „Zahlungen gemäß den bestehenden Regeln des Vertrags zu begleichen.“ D.h. PGNiG sagt, man habe x Millionen Dollar auf ein Konto überwiesen, über das Russland nicht verfügen kann. Das mag super-vertragstreu sein, aber auch super-blauäugig – jedenfalls wurde Polen nicht länger von Gazprom beliefert. Das aber mache nichts, so die Pressemeldung der polnischen Seite, denn man habe die Möglichkeit, Gas sowohl „aus der Europäischen Union zu beziehen“, dank der Verbindungen mit Deutschland und der Tschechischen Republik, als auch aus dem internationalen LNG-Markt. Polen zeigte sich nicht nur super-rechtstreu sondern zeigte auch noch seinen Stolz darauf, ab Mai 2022 kein Gas aus Russland mehr zu beziehen. Mit ähnlichen Begründungen bezogen danach noch Bulgarien, Finnland, Dänemark und die Niederlande diese Position.
Netto beliefert Russland Europa mit Gas. Abgewickelt wird das seit Anfang Mai von mehr als 10 Unternehmen, die der Freigabe der EU-Kommission gemäß so zahlen, dass sie Gas erhalten. Aus deren Bezügen werden auch Polen und Rumänien sowie (möglicherweise) Finnland und die Niederlande „aus der Europäischen Union“ mitversorgt. Polen und die Niederlande haben zusammen, für das Restjahr bis Dezember gerechnet, auf 6 bis 7 Mrd. m3 Gas aus Russland verzichtet, oder anders gesagt, haben ihre Nachbarstaaten ohne deren Zustimmung genötigt, ein Achtel dieser Menge pro Monat nicht einspeichern zu können. Zur Einordnung: Das gesamte Speichervermögen von Gasspeichern in Deutschland liegt bei 24,3 Mrd. m3. Besagte gut 10 Unternehmen sind von Polen et al. in die Rolle eines Gas-Herkunfts-Wäschers gedrängt worden. Ein Preisaufschlag für die Gas-Wäsche ist nicht erhoben worden. Im Gegenteil, weil die Einspeichermengen immer aus dem Markt „herausgekauft“ werden müssen, hat die von Polen und den Niederlanden provozierte erhöhte Nachfrage den Effekt gehabt, dass die Margen dort stiegen. Die fehlende Speicherauffüllung zur Vorsorge für ein allfälliges Gas-Embargo Russlands bzw. den kommenden Winter ist ein potentiell hoher Mangel – den provoziert zu haben, dafür sollten diese Staaten nicht entlastet sondern angemessen zur Kasse gebeten werden.