Während viele EU-Mitgliedsländer nach wie vor mit einer hohen Arbeitslosigkeit – vor allem im Jugendbereich – kämpfen, befindet ich der deutsche Arbeitsmarkt „weiterhin in blendender Verfassung“, so die Bundesbank im Monatsbericht.
Die Beschäftigung hierzulande expandiert außerordentlich kräftig. Die sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze nehmen zu. Die ausschließlich geringfügige Beschäftigung vermindert sich.
Das Deutsche Beschäftigungswunder
Zur Zeit gibt es rund 44 Mio. Erwerbstätige in Deutschland; das ist ein Rekord. Seit 2012 hat sich diese Zahl um etwa 2 Mio. erhöht. Über 32 Mio. Menschen sind aktuell sozialversicherungspflichtig beschäftigt; das sind sogar fast 3 Mio. mehr als vor 5 Jahren.
Die meisten Arbeitsplätze sind vor allem im Bereich der Dienstleistungen entstanden, aber auch im produzierenden Gewerbe wird ein kleines Plus registriert. Etwa 4,8 Mio. Arbeitnehmer sind ausschließlich geringfügig entlohnte Beschäftigte. Die Zahl der Kurzarbeiter ist unter 50.000 gesunken. Die Arbeitslosigkeit konnte in den letzten Jahren deutlich abgebaut werden, bewegt sich jedoch immer noch im Durchschnitt um die 2,5 Mio.; insbesondere bleibt der Weg aus der Langzeitarbeitslosigkeit langwierig und besonders schwierig.
Dabei ist die Zahl der offenen Stellen immer weiter gestiegen: bei den Arbeitsagenturen sind fast 700.000 Arbeitsplätze gemeldet, die zu besetzen wären. Daneben dürften viele weitere 100.000 Stellen angeboten werden, denn zahlreiche Firmen suchen händeringend qualifizierte Mitarbeiter in nahezu allen Bereichen. Während noch in früheren Jahren die Suche nach den Ausbildungsplätzen schwierig war, werden heute neue Lehrlinge fast wie die „Nadel im Heuhaufen“ gesucht – vor allem im Handwerk, das immer schon viel in die Ausbildung investierte, dem jedoch eine hohe Zahl von Gesellen und Meistern von den größeren Unternehmen abgeworben wurde.
Neue Herausforderungen durch Digitalisierung
Hinzu kommt, dass viele Firmen immer wieder viele Arbeitsplätze wegrationalisieren und in einigen Betriebsteilen abbauen, ohne zuvor eine erfolgreiche Strategie für die Neuqualifizierung, Umsetzung oder Weiterbildung zu entwickeln. Längst hat in den meisten Branchen der Wirtschaft und in anderen Bereichen die Digitalisierung begonnen. Experten rechnen damit, dass fast 50 % aller Arbeitsplätze davon betroffen sein werden, wenn das „Internet of everything“, die Roboter, Sensoren, 3D-Drucker und die sog. „Künstliche Intelligenz“ weiter vordringen. Die sich daraus ergebenden Chancen sind gewiss groß, doch gilt es für die Sozialpartner, die Politik und die Bundesagentur für Arbeit die Konsequenzen für die Beschäftigten richtig einzuschätzen und diese darauf vorzubereiten. Vorbeugen ist auch hier besser als heilen! Es lohnt sich langfristig, viel mehr als bisher in die Mitarbeiter zu investieren. Denn qualifiziertes „Humankapital“ wird mit Sicherheit in der Zukunft noch knapper als heute.
Sozialpartner mit Augenmaß
Das „Beschäftigungswunder“, das Deutschland seit der Finanz- und Bankenkrise erlebt hat, war nur möglich, weil vor allem die Sozialpartner einen einzigartigen Kurs der Vernunft gemeinsam steuerten. Vor allem bei den Tarifverhandlungen bewiesen Gewerkschaften ein Augenmaß, das es den Arbeitgebern ermöglichte, Arbeitsplätze zu sichern, wettbewerbsfähig zu bleiben, zu investieren und neue Beschäftigung aufzubauen. Seit dem Jahre 2009 sind die jährlichen Tariflohnsteigerungen im Schnitt gerade einmal um rund 2 % gestiegen. Bei Preissteigerungsraten von 1 % oder darunter haben sich die Reallöhne dennoch gut entwickelt. Insgesamt erreichten die Nettolöhne und –gehälter, also nach Abzug der Lohnsteuer und Sozialabgaben, im vergangenen Jahr die Summe von 863 Mrd. €; das waren fast 200 Mrd. € mehr als im Jahre 2009.
Für mehr Eigentumsbildung in Arbeitnehmerhand
Im laufenden Jahr hat sich der Lohnanstieg leicht verstärkt. Angesichts der außerordentlich guten Arbeitsmarktlage – so die Diagnose der Bundesbank – ist er bislang „recht verhalten“. Für die noch anstehenden Tarifverhandlungen stellen die Gewerkschaften Lohnforderungen zwischen 4,5 und 6,5 %. Allerdings geht es bei den neuen Tarifverträgen nicht mehr ausschließlich um mehr Lohn und Gehalt, sondern mehr und mehr um Regelungen zur Altersvorsorge und Beschäftigungssicherung.
Während sich inzwischen etwa 50 % der Arbeitnehmer über Pensionsverträge mit ihren Arbeitgebern freuen können, besteht hier noch ein riesiger Nachholbedarf in mittleren und kleinen Betrieben. Das jüngst vom Bundestag verabschiedete Gesetz zur Förderung der Betriebsrenten bietet dafür neue Möglichkeiten, um für die Altersvorsorge neben der gesetzlichen Rente eine zusätzliche Säule aufzubauen. Dabei könnten auch die Vorteile, die sich für Mitarbeiter etwa durch Entgeltgestaltung ergeben, stärker als bisher genutzt werden. Wer so mit weniger Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträgen vom Bruttoeinkommen belastet wird, erzielt eben mehr netto und damit einen guten persönlichen Zugewinn.
Mit Blick auf die Zukunft sollte die Vision von Ludwig Erhard, die „Wohlstand für alle“ anstrebte, ein Revival erfahren. Die Arbeitnehmergesellschaft früherer Jahrzehnte hat sich neu formiert; das nächste Ziel sollte die Teilhabergesellschaft sein. Viel mehr Beschäftigte als bisher sollten stärker zur Eigentumsbildung ermutigt und befähigt werden. Dazu gehören Anreize für den Erwerb der „eigenen vier Wände“ oder des Eigenheims – vor allem für Familien mit Kindern – oder die Beteiligung am Produktiv-Kapital über Investmentzertifikate oder Aktien. Viele Millionen haben hierzulande ein Geldvermögen von über 5.500 Mrd. € angespart, doch im Vergleich zu manchen anderen EU-Staaten gibt es viel weniger echte Eigentümer von Grund und Boden sowie Kapital. Eigentum schafft indessen Sicherheit – vor allem für die Wechselfälle des Lebens. Aus der früher propagierten „Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand“ sollte bald eine „Eigentumsbildung in Arbeitnehmerhand“ werden. Denn echte Teilhabe stärkt unsere Gesellschaft und Wirtschaft.
Bildquelle: pixabay, User geralt, CC0 Public Domain
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