5.1 Einführung
Was soll der riesige Wasserblock im Einkaufswagen in Abb. 13?
Dieser Frage widmen wir uns im Folgenden.
Dass Deutschland durch hohe Importe einen signifikant hohen Wasserfußabdruck in anderen Ländern hinterlässt (weltweit an 3. Stelle), wurde in Teil 4 vom 22.1.2015 deutlich gemacht. Welche Güter unseres täglichen Lebens haben daran den größten Anteil? Schauen wir uns die Hauptimportgüter Deutschlands in den folgenden Warenbereichen daraufhin genauer an:
1. Ernährung (Kap. 5.2)
2. Kleidung (Kap. 5.3)
3. Industrieprodukte (Kap. 5.4) und
4. Tourismus (Kap. 5.5).
5.2 Wasserfußabdruck von Nahrungsmitteln oder: das Wasser in unserem Essen
Die Daten zum nationalen Wasserfußabdruck belegen, dass in Deutschland (wie in anderen westlichen Industrienationen) rd. 70 % der Süßwassernutzung für die Produktion von Lebensmitteln eingesetzt wird; d.h. unsere Ernährung spielt eine entscheidende Rolle, wenn es um unseren persönlichen Wasserfußabdruck geht. Dabei kann man die Nahrungsmittel nach VDG (2011) grob einteilen in:
1. Getreide (wie Weizen, Reis, Mais, Hirse etc.)
2. Fleisch und Milchprodukte (wie Rind-, Schweine- u. Geflügelfleisch, Eier, Milch, Käse)
3. Obst und Gemüse und
4. Genussmittel (wie Kaffee, Tee, Kakao, Wein etc.).
Anhand ausgewählter Hauptimportgüter aus den einzelnen Bereichen soll ein Überblick über die wesentlichen importierten landwirtschaftlichen Produkte und deren Einfluss auf den externen Wasserfußabdruck Deutschlands gegeben werden.
5.2.1 Getreide
Von allen Getreidesorten ist Weizen die Getreidesorte, die die größte Anbaufläche auf unserem Planeten bedeckt. Wie aus Abb. 14 zu ersehen, werden für die Produktion von 1 kg Weizen im weltweiten Durchschnitt 1.826 l Wasser benötigt.
Da Weizen sowohl in Regionen mit gemäßigtem als auch aridem und semiaridem Klima angebaut wird, schwankt der Wasserbedarf naturgemäß regional sehr stark zwischen 587 l/kg (Frankreich) und 3.615 l/kg (Iran), vgl. Abb. 14. Die hohen Wasserfußabdrücke resultieren dabei vorwiegend aus dem Einsatz von Bewässerungswasser.
Deutschland kann aufgrund seines gemäßigten regenreichen Klimas Weizen glücklicherweise ohne Bewässerung anbauen, d.h. der Weizenanbau ist eigentlich wasserschonend (783 l/kg). Dies ist umso bedeutender, da Deutschland mit rd. 21 Mio. t pro Jahr im weltweiten Ranking immerhin der achtgrößte Weizenproduzent ist. Andererseits dokumentiert Abb. 14 aber auch den hohen Anteil an grauem virtuellen Wasser (184 l/kg), der im Wesentlichen von nicht bedarfs- und zeitgerechter Düngung (Stichwort: Güllewirtschaft) herrührt. Der Weizenanbau in Frankreich verursacht dagegen eine deutlich geringere Gewässerverschmutzung, was letztendlich zu einem geringeren Wasserfußabdruck führt (vgl. Abb. 14).
Alle Getreidesorten zusammen waren nach den Untersuchungen des Statistischen Bundesamtes (2012) im Jahre 2010 die mengenmäßig größte Importkategorie Deutschlands (8,4 Mio. t). Die Getreideimporte wurden zum größten Teil als Futtermittel für die deutsche Rinder-, Schweine- und Geflügelmast verwendet. Neuere Studien belegen, dass in Wassermangelregionen die Anbauflächen, die für die Futtermittelproduktion genutzt werden, in vielen Fällen in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion stehen und so zunehmend Ursache für Hunger, soziale Konflikte und die Zerstörung der Umwelt sind (VDG, 2011).
Weltweit verbraucht die Reisproduktion 21 % des für Feldfrüchte eingesetzten Wassers (1.350 Mrd. m³/Jahr) und ist damit der Spitzenreiter bei agrarischen Produkten. Beim Wasserverbrauch kommt es maßgeblich auf das Herkunftsland und die dortigen klimatischen Bedingungen an. Nassreis aus Ländern wie Indien und Thailand, in denen die natürlichen Monsunregen während der Hauptvegetationszeit genutzt werden, belasten den lokalen Wasserhaushalt erheblich geringer als aus Ländern mit mediterranem Klima wie Marokko, Spanien und Griechenland, die viel blaues Wasser für die Bewässerung benötigen. Letztere sind aber gerade die Länder, aus denen Deutschland hauptsächlich seinen Reis importiert.
Weitere Grundnahrungsmittel wie Mais, Hirse oder Kartoffeln werden hier nicht detailliert behandelt, ihre Wasserfußabdrücke können leicht den Produktgalerien (www.waterfootprint.org oder www.virtuelles-wasser.de/produktgallerie.html) entnommen werden. Lediglich Kartoffeln spielen in den Ernährungsgewohnheiten Deutschlands mengenmäßig eine Rolle. Jeder Deutsche isst im Durchschnitt 70 kg Kartoffeln im Jahr, von denen ein Großteil in Deutschland mit einem vergleichsweise geringen Wasserfußabdruck von 119 l/kg erzeugt wird (Deutschland ist mit 11 Mio. t/Jahr weltweit der sechstgrößte Kartoffelproduzent). Problematisch ist der zunehmende Import von Frühkartoffeln aus Ägypten, Israel oder Marokko. Diese werden dort, z.T. in der Wüste, mit hohem Einsatz von Bewässerungswasser und Pestiziden produziert; ihr Wasserfußabdruck ist ein Mehrfaches höher als der von inländischen Kartoffeln („Je früher desto wüster“, VDG, 2011).
5.2.2 Fleisch und Milchprodukte
Schon bei der Einführung des virtuellen Wassers (Teil 1 vom 4. Dez. 2014) wurde klargestellt, dass für die Produktion von tierischen Produkten wie Fleisch, Eier, Milch oder Käse deutlich mehr virtuelles Wasser benötigt wird als für pflanzliche Erzeugnisse. Hauptgrund hierfür ist das Futter, das für die Mast der Tiere eingesetzt wird. Und ein nicht unbeträchtlicher Anteil des Futters für die deutsche Tiermast wird importiert (vgl. Tab. 3 in Teil 4 v. 6.12.2014). Bei der heute üblichen Intensivmast werden die Tiere überwiegend mit Kraftfutter aus Weizen, Mais und Sojaextraktionsschrot gefüttert. Deutschland importiert pro Jahr rd. 3 Mio. t Sojaextraktionsschrot, neben Getreide ist er der wichtigste Bestandteil des Kraftfutters. Soja kommt vor allem aus subtropischen Regionen Südamerikas (Brasilien, Argentinien, Paraguay), wo es in riesigen Monokulturen mit hohem Wassereinsatz angebaut wird und darüber hinaus häufig Anlass für Brandrodung von Regenwäldern und Savannen, um neue Anbauflächen zu schaffen. Weltweit werden heute rd. 80 % der Soja an Tiere verfüttert.
Nach den Autoren des VDG-Ratgebers von 2011 würden die ans Vieh verfütterten Mengen an Getreide und Hülsenfrüchten ausreichen, um 3 Mrd. Menschen zu ernähren. Das über den ganzen Lebenszyklus eines Rindes (es wurden 3 Jahre zugrunde gelegt) verfütterte Futter ist daher der Hauptgrund dafür, dass für die Produktion von 1 kg Rindfleisch im weltweiten Durchschnitt die schon öfters zitierte enorm hohe Wassermenge von 15.415 l benötigt wird (s. Abb. 15).
Wie Abb. 15 auch deutlich macht, gibt es zwischen den einzelnen Fleischsorten erhebliche Unterschiede was den Wasserverbrauch anbetrifft. Dies liegt neben der Art der Tierhaltung an der unterschiedlichen Futterverwertung von Wiederkäuern (z.B. Rindern), Allesfressern (z.B. Schweine) und Geflügel. Bei Rindern z.B. gehen nur rd. 10 % der in den Futtermitteln enthaltenen Energien in Körpersubstanz und damit in den Aufbau von Fleisch. Bei Schweinen und Geflügel ist die Futterverwertungsrate höher, dies macht sich in einem kürzeren Mastzeitraum und geringerem Wasserbedarf bemerkbar (vgl. Abb. 15). Danach ist die Produktion von Geflügelfleisch mit durchschnittlich 4.325 l/kg am wenigsten verschwenderisch.
Motor für den immer weiter ansteigenden Import von Futtermitteln nach Deutschland ist der hohe Fleischkonsum. In Deutschland hat sich der Pro-Kopf-Verbrauch an Fleisch seit 1970 beinahe verdoppelt[1], in den letzten Jahren ist eine geringe Abnahme zu verzeichnen. Aktuell verzehrt jeder Deutsche 59,5 kg Fleisch pro Jahr.
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V. empfiehlt aus gesundheitlichen Überlegungen einen Jahresverzehr von max. 29,0 kg pro Jahr. Das entspricht 300 bis 600 g Fleisch pro Kopf und Woche (inklusive Wurstwaren) und würde eine Halbierung des heutigen Fleischverzehrs eines jeden Deutschen bedeuten.
Das Problem des Kraftfutters mit Getreide und Sojaextraktionsschrot trifft im Übrigen auch auf Kuhmilchprodukte zu. Die extrem hohe Milchproduktivität der heutigen Hochleistungskühe wäre ohne dieses Kraftfutter nicht denkbar. Veganer, die auf alle tierischen Produkte (auch Milch, Käse oder Fett) verzichten, reduzieren ihren persönlichen Wasserfußabdruck noch einmal beträchtlich, im Extremfall auf bis zu 10 % gegenüber der herkömmlichen Nahrungszusammensetzung[2]).
5.2.3 Gemüse und Obst
Die Deutschen essen durchschnittlich 85 kg Gemüse und 130 bis 140 kg Obst pro Jahr.[3]
Stellvertretend für die Vielzahl der verzehrten Gemüsesorten soll hier die Tomate, das Lieblingsgemüse der Bundesbürger, etwas genauer unter die Lupe genommen werden. Die Deutschen konsumieren pro Jahr im Schnitt 22 kg Tomaten.[4] Als Frischware werden sie vorwiegend aus den Niederlanden (Gewächshaustomaten) und vor allem aus Spanien (Freiland- und Folientunneltomaten) importiert. Bei den 10 Hauptimportländern, die beim externen Wasserfußabdruck Deutschlands (Teil 4 vom 22. Jan. 2015) aufgelistet sind, steht Spanien an 1. Stelle bei den mit blauem Wasser produzierten Agrargütern. Als Hauptimportgüter werden Obst und Gemüse aufgeführt.
Tomaten benötigen in Regionen mit gemäßigtem Klima eigentlich vergleichsweise wenig Wasser; in Deutschland 35 l/kg, in den Gewächshäusern in den Niederlanden sogar nur 9 l/kg[5] (vgl. Abb. 1 in Teil 1 vom 4. Dez. 2014). Im Mittelmeerklima von Italien und Spanien wird jedoch wegen der hohen (für den Pflanzenertrag günstigen) Temperaturen das Doppelte bis Neunfache an Wasser benötigt. Die Provinz Almería in Südspanien wird als der Gemüsegarten Europas bezeichnet. Über 70 % der Exporte gehen in EU-Länder und Tomaten sind eines der wichtigsten Exportgüter. 2013 wurden ca. 180.000 Tonnen Tomaten im Wert von 250 Mio. € nach Deutschland importiert (s. Wasserrisiko Deutschland-Fallbeispiel 1, WWF, 2014).
Die Rahmenbedingungen für eine industrielle landwirtschaftliche Produktion sind in Südspanien eigentlich gut: es weist die höchste Sonnenscheindauer Europas auf, es wird mit Tröpfchenbewässerung die wasserschonendste Bewässerungstechnik eingesetzt, man kann auf billige Saisonarbeiter, z.B. aus Nordafrika („Moros“ aus Marokko), zurückgreifen und man erhält hohe staatliche Subventionen.
Problematisch ist jedoch neben der Ausbeutung der nordafrikanischen Arbeitskräfte, dass unter den herrschenden klimatischen und hygrischen Verhältnissen landwirtschaftliche Produktion ausschließlich mit Bewässerung möglich ist. Das dazu i.d.R. eingesetzte Grundwasser ist jedoch sehr stark übergenutzt, d.h. seit Jahren wird deutlich mehr entnommen als die natürliche Grundwasserneubildung nachliefert. Durch diesen Raubbau sind viele Entnahmebrunnen versiegt oder mussten bis auf über 1.000 m abgeteuft werden. In Küstennähe dringt zunehmend Salzwasser in die Aquifere ein und macht sie für die Bewässerungswirtschaft unbrauchbar. Stark subventionierte Meereswasserentsalzungsanlagen erhöhen die gesamtgesellschaftlichen Kosten der landwirtschaftlichen Produktion und sind auf die Dauer wegen des hohen Energiebedarfs nicht nachhaltig. Ein weiteres Problem ist nach einem WWF-Bericht von 2014 die intransparente Rechtslage bei den Wasserechten. Fehlende staatliche Kontrolle führt dazu, dass heute schätzungsweise mehr als 500.000 illegale Wasserentnahmen betrieben werden, die die Wassermangelsituation erheblich verschärfen. Wie in Teil 4 vom 22. Jan. 2015 im Zusammenhang mit den Auswirkungen des Wasserfußabdrucks Deutschlands dargelegt, ist Südspanien durch diese Entwicklung heute schon ein Wassernotstandsgebiet. Abb. 16 zeigt die mit Foliengewächshäusern bedeckte Landschaft in Almería, auch „mar del plastico“ genannt. Das Foto offenbart das Ausmaß der anthropogenen Umgestaltung eines Landschaftsraums.
Das Gleiche gilt im Übrigen für Dosentomaten, die vorwiegend aus Italien (Provinzen Apulien und Emilia-Romagna) stammen.
Beim Obst sind stellvertretend die Erdbeeren zu nennen, die ganzjährig produziert und vor allem von Deutschland importiert werden. Bei ihnen treffen die gleichen Aussagen wie bei den Tomaten zu: eigentlich sind Erdbeeren keine wasserintensiven Früchte (durchschnittlich 209 l/kg), aber die ganzjährig angebauten großen Mengen verursachen wie bei Tomaten einen großen Raubbau an den knappen Wasserressourcen, in diesem Fall in der südspanischen Provinz Huelva. So hat der Erdbeerkonsum deutscher Käufer im Winter seinen Anteil daran, dass diese Region heute einen ausgeprägten Wassernotstand aufweist.
Der Deutschen Lieblingsobst sind Äpfel, die im heimatlichen gemäßigten Klima in ausreichender Menge und Güte produziert und gelagert werden können ohne dass man sich Sorge machen muss, zum Wassermangel beizutragen. Import von Äpfeln aus Chile, Argentinien, Neuseeland oder Südafrika erscheint daher auch im Winter nicht notwendig.
5.2.4 Genussmittel
In Tab. 1 (Teil 1 vom 4. Dez.2014) sind die wesentlichen Genussmittel Kaffee, Tee und Bier und ihr Gehalt an virtuellem Wasser angeführt. Danach hat Kaffee mit 18.900 l/kg Röstkaffee einen besonders hohen Wasserfußabdruck. Hauptlieferländer von Kaffee nach Deutschland sind Brasilien und Vietnam. Dort kommt der Kaffeeanbau glücklicherweise fast ausschließlich mit (grünem) Niederschlagswasser aus. Umweltorganisationen empfehlen nichtsdestotrotz bei Kaffee statt der Sorte Robusta die Sorte Arabica zu bevorzugen, da diese vorwiegend nicht bewässert und in Gebirgsländern Mittel- und Südamerikas sowie in Ostafrika relativ nachhaltig angebaut wird.
Bei Tee sieht es noch günstiger aus, da die Hauptanbaugebiete von Tee generell in Regionen mit hohem Niederschlagsaufkommen liegen; sein Wasserfußabdruck ist folglich niedriger als der von Kaffee. Die Hauptlieferländer von Tee nach Deutschland sind Indien und Indonesien (WWF, 2008).
Kakao wird hauptsächlich im Tropenklima Äquatorialafrikas angebaut. Er ist im Wasserverbrauch mit rd. 20.000 l/kg Kakaobohnen ein Riese, da die Kakaopflanze jedoch mit natürlichem Niederschlag auskommt, ist sie ein „harmloser Riese“[6] und sein Anbau i.d.R. wasserverträglich.
Wein wird in Europa im Gegensatz zu Chile und Argentinien, Südafrika, Australien oder den USA nicht bewässert. Der Import von Wein aus diesen Ländern mit Trockenklima bedeutet eine verstärkte Einfuhr von virtuellem Wasser.
Insgesamt sind die Genussmittel für den persönlichen Wasserfußabdruck eines Bundesbürgers nicht sehr wesentlich. Ein bewusster Umgang mit Ihnen schützt jedoch neben der eigenen Gesundheit die Wasserressourcen anderer Länder.
5.2.5 Zusammenfassende Wertung und Empfehlungen für den Einkauf von Nahrungsmitteln
Am Beispiel der vorgestellten Nahrungsmittel wird klar, dass das Konsumverhalten der deutschen Käufer, d.h. unser persönlicher externer Wasserfußabdruck, unmittelbare Auswirkungen auf die Wasserverhältnisse in den Erzeugerländern hat und dort die Konflikte um die Nutzung der Ressource Wasser verschärft. Denn unser Kauf von importierten Lebensmitteln ist im Grunde genommen „eine versteckte Aneignung von Wasser“[7]. Dies ist unkritisch in Regionen mit ausreichend Wasser und einer funktionierenden legislativen Infrastruktur und Wasserverwaltung. Problematisch wird es, wenn Lebensmittel aus Wassermangelregionen ohne ökologische und soziale Standards importiert werden. Die lauter werdende Kritik am Verhalten deutscher Supermarktketten und Discounter ist daher berechtigt, solange diese nicht auf Einhaltung von Standards im Wassermanagement in den Erzeugerländern achten bzw. aktiv darauf einwirken. Dies gilt im Übrigen auch für Erzeuger und Händler von biologischen Lebensmitteln; auch hier sind Fragen des virtuellen Wasserverbrauchs einzelner Produkte bisher leider (noch) kein Thema.
Aber was kann Otto-Normalverbraucher tun, um die Auswirkungen seines persönlichen Lebensstils und Konsums so klein wie möglich zu halten oder anders ausgedrückt, die drohende Wasserkrise auf unserem Planeten zu verhindern oder zumindest abzuschwächen? Aufbauend auf den fachlichen Erkenntnissen der vorhergehenden Kapitel sollen hier nun einige grundlegende Empfehlungen für das alltägliche Einkaufen von Nahrungsmitteln vorgestellt werden:
a) regional kaufen, d.h. Lebensmittel aus der Region anstatt Importware kaufen[8].
b) saisonal kaufen, d.h. Lebensmittel der Jahreszeit aus heimischer Produktion bevorzugen; z.B. im Winter keine Erdbeeren, Tomaten, Frühkartoffeln kaufen.
c) bio statt konventionell, da beim biologischen Anbau weniger Wasser verbraucht wird und weniger Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden; dadurch ist sein Anteil an grauem Wasser im Wasserfußabdruck verschwindend gering.
Bio-Produkte sind bei den Empfehlungen angeführt, weil ihre Produktion wegen der dabei angewandten Kreislaufwirtschaft nachweislich wassersparsamer ist. Zur Orientierung sind in Abb. 17 Bio-Labels für Lebensmittel zusammengestellt. Leider haben diese jedoch unterschiedlich strenge Standards; die strengsten Anforderungen stellt das Demeter-Siegel. Die Richtlinien der einzelnen Labels und was wirklich Bio bei verschiedenen Produkten „biologisch“ ist, kann unter www.utopia.de/ratgeber/grundbegriffe-was-ist-bio eingesehen werden.
Zusätzlich zu diesen grundliegenden Ratschlägen gibt es produktspezifische Empfehlungen zum Einkaufen, die z.B. im Ratgeber des VDG (Heft 75, 2011, www.vdg-online.de) einzusehen sind. Hier sollen aus Platzgründen nur einige für den Wasserverbrauch prägnante Beispiele angeführt werden:
• Reis aus den asiatischen Monsunländern Indien und Thailand gegenüber Reis aus Ländern mit mediterranem Klima sowie Uruguay und Pakistan bevorzugen. (Falls keine Herkunftsdeklaration auf der Packung s. www.reismuehlen.de). Reis aus Bioproduktion vermeidet weitgehend Wasserverschmutzung und hat daher einen kleineren Wasserfußabdruck.
• Fleisch: Eine deutliche Verringerung des Wassereinsatzes erreicht jeder von uns durch Reduktion der Konsummenge; darüber hinaus ist insbes. bei Rindfleisch der Kauf von Produkten aus extensiver Weidehaltung und/oder aus heimischen Bio-Betrieben zu bevorzugen (auf Gütezeichen achten!)
• Gemüse: Nordafrikanische oder israelische Frühkartoffeln meiden, da dadurch der Wasserstress in diesen Regionen verschärft wird. Im Winter typische Wintergemüse aus mitteleuropäischem Anbau bevorzugen, vereinfacht nach dem Motto: „Je weiter nördlich angebaut, desto günstiger der Wasserfußabdruck“.
• Obst: Konsum zeitlich einschränken, z.B. Orangen nur vom Dezember bis April kaufen. Italienische, griechische und türkische Orangen schneiden besser ab als spanische oder israelische und nordafrikanische Orangen. Im Sommer keine südafrikanische Ware kaufen.
• Agro-Kraftstoffe: Ob Bio-Diesel aus Raps- oder Palmöl oder Soja, Ethanol aus stärke- oder zuckerhaltigen Pflanzen (Weizen, Mais, Zuckerrohr, Zuckerrüben), allen ist gemeinsam, dass der Anbau von Nahrungspflanzen zur Kraftstoffproduktion neben ihrem hohen Wasserverbrauch vor allem aus ethischen Gründen nicht empfehlenswert ist, denn es werden Anbauflächen der Nahrungsmittelproduktion entzogen.
Will man als mündiger und verantwortungsbewusster Käufer den persönlichen Wasserfußabdruck senken ohne sich mit dem Wasserfußabdruck der einzelnen Produkte zu beschäftigen, so braucht man nur die Höhe des Fleischkonsums zu senken. Wer seinen Fleischverzehr radikal auf 0 reduziert, also Vegetarier wird, verringert nach Berechnungen des VDG (2011) seinen persönlichen Wasserfußabdruck für Ernährung auf einen Schlag um die Hälfte, d.h. von rd. 4.000 auf rd. 2.000 l virtuellen Wassers pro Tag! Dieses Beispiel bringt die Bedeutung des Fleischkonsums für unseren persönlichen Wasserfußabdruck auf den Punkt. Selbstverständlich gibt es zwischen diesen beiden Extrempositionen verschiedene Kompromissmöglichkeiten (nur Sonntagsbraten, ein fleischfreier Tag pro Woche, ein Fleischtag pro Woche etc.).
Als weitere Regel gilt, grundsätzlich strategisch einzukaufen, d.h. den Einkauf intelligent zu planen, damit weniger Lebensmittel auf dem Müll landen (in Industrieländern ist das jedes 2. Lebensmittel). Das Thema „Wasserverschwendung durch Lebensmittelvernichtung“ wird im nächsten Artikel (Teil 6) schwerpunktmäßig behandelt.
5.3 Wasserfußabdruck von Kleidungstextilien oder: Das Wasser in unserer Kleidung
Jeder Deutsche kauft im Durchschnitt pro Jahr 11 kg Bekleidungstextilien[9]; ein Großteil davon wird aus Baumwolle hergestellt (z.B. T-Shirts, Jeans).
5.3.1 Wasserfußabdruck von Baumwolle
Neben synthetischen Stoffen ist Baumwolle ist bei unserer Kleidung in den letzten Jahrzehnten immer beliebter geworden, die pflanzliche Faser gilt als natürlich, hautfreundlich, gesund.
Dieses positive Image passt leider nicht zur Produktionsrealität:
• extrem hoher Wasserbedarf (weltweiter Durchschnitt rd. 11.000 l/kg), s. Abb. 18),
• exzessiver Einsatz von chemischem Dünger zur Steigerung der Wuchsleistung, von Totalherbiziden zur Entlaubung für die maschinelle Ernte, von giftigen Pflanzenschutzmitteln gegen den Baumwollkapselkäfer,
• hoher Wasser- und Chemieeinsatz bei der Weiterverarbeitung (Schlichten, Bleichen, Spinnen, Färben und Ausrüsten).
Der Baumwollanbau gilt als sehr wasserintensiv, der Anteil der Produktion in Bewässerungsfeldbau ist hoch mit steigender Tendenz, da Baumwolle zunehmend in Regionen mit Halbwüstenklima angebaut wird. Abb. 18, in der der Wasserfußabdruck der wichtigsten Baumwollanbaugebiete der Welt dargestellt ist, verdeutlicht den hohen Anteil an blauem (Bewässerungs-) Wasser, aber auch die außerordentlich großen Unterschiede zwischen den einzelnen Anbauregionen. Ein Großteil der in Deutschland getragenen Baumwolle stammt aus Indien, dem Land mit dem weltweit höchsten Wasserfußabdruck von mehr als 23.000 l/kg Baumwolle bei gleichzeitig geringstem Ertrag pro ha Anbaufläche. Der Bewässerungsfeldbau in Indien arbeitet nicht effizient; durch den vorwiegenden Einsatz von Furchen- und Beckenbewässerungsverfahren verdunstet ein Großteil des Bewässerungswasser unproduktiv bevor es die Pflanzen erreicht, durch defekte Bewässerungskanäle gehen zusätzlich erhebliche Wassermengen verloren, so dass nach Expertenmeinung nur knapp ein Drittel des Wassers die Baumwollpflanzen überhaupt erreicht. Das alles führt zu dem außerordentlich hohen Wasserbedarf, der den oberirdischen Gewässern und dem Grundwasser in Indien entnommen wird. Durch den überproportional hohen Einsatz von Pestiziden und Insektiziden, deren Rückstände in die Böden und Gewässer sickern, wird die verfügbare Wassermenge weiter geschmälert und die Wasserlage immer angespannter. Nach Tvedt (2013) befindet sich Indien auf dem Weg in eine Wasserkrise. In Pakistan ist nach dem WWF (2014) die Situation vergleichbar oder sogar noch prekärer, da dort mehr als die Hälfte des Bewässerungswassers aus örtlichen Flüssen, wie dem Indus, entnommen wird. Hinzu kommt in beiden Staaten die mangelnde Regulierung der Wassernutzung seitens der staatlichen Behörden, obwohl sich diese des Ausmaßes der ökologischen und sozialen Probleme durchaus bewusst sind.
Und aus diesen „Problemländern“ stammt ein Großteil der billigen Baumwollfasern für unsere preiswerten T-Shirts und Jeans!
5.3.2 Zusammenfassende Wertung und Empfehlungen zum Einkauf von Kleidung
Neben unserem Wasserfußabdruck für Ernährung spielt die Kleidung eine wichtige Rolle bei unserem persönlichen Wasserfußabdruck. Für die Produktion eines aus Baumwolle in konventionellem Anbau gefertigten T-Shirts (250 g) werden bis zu 2.500 l, für eine Jeans (800 g) bis zu 8.000 l virtuelles Wasser benötigt.
Die folgenden Möglichkeiten, unserer individuellen Verantwortung beim Kauf von Textilien gerecht zu werden, gibt es:
a) „Weniger ist mehr“, d.h. Textilien (guter Qualität) länger nutzen und nicht jedem Modetrend folgend entsorgen (Ein-Weg-Textilien sind unter diesem Gesichtspunkt das extreme Gegenteil!).
b) Beim Textilkauf Produkte mit Labeln (s. Abb. 19) bevorzugen. „Global Organic Textile Standard“ ist dabei am strengsten definiert, hier muss die Baumwolle auf ihrem gesamten Gestehungsweg ökonomische, ökologische und soziale Standards erfüllen. Auch große Kleidungshersteller führen inzwischen Produkte mit solchen Zertifizierungen. Zur Orientierung sind die wichtigsten Siegel für Kleidung in Abb. 19 zusammengestellt. Wie aussagekräftig die einzelnen Labels sind, kann unter www.utopia.de/ratgeber/grundbegriffe-was-ist-bio nachgelesen werden.
c) Baumwollprodukte aus Afrika kaufen (Initiative des WWF: „Cotton made in Africa“) da in afrikanischen Ländern Baumwolle meist mit Regenfeldbau, d.h. ohne wasserintensive Bewässerung, produziert werden kann.
d) Kleidung aus alternativen Faserpflanzen wie Hanf, Leinen, Jute etc. nutzen. Diese verbrauchen lediglich ein Viertel der Wassermenge von Baumwolle und können zudem in unseren Breiten mit Regenfeldbau produziert werden.
5.4 Wasserfußabdruck von Industrieprodukten
Auch für die Produktion von Industrieprodukten wie Autos, PC, Papier, Leder, um nur einige zu nennen, wird virtuelles Wasser, sogar erstaunlich viel Wasser, eingesetzt, obwohl wir uns dessen oft überhaupt nicht bewusst sind.
Betrachtet man z.B. die Produktion eines Autos, so muss man die gesamte Wertschöpfungskette von der Rohstoffgewinnung bis zur Endmontage einbeziehen; dabei werden in der Summe große Wassermengen benötigt[10],: für einen Mittelklassewagen im Durchschnitt rd. 400.000 l (vgl. Tab. 1 in Teil 1). Davon wird in den Industrieländern durch hohe Wiederverwendungsraten nur ein relativ geringer Teil des Wassers wirklich verbraucht; dies trifft aber nicht oder selten auf die Länder zu, die Rohstoffe oder Vorprodukte liefern. Dort hinterlassen die Importe nach Deutschland z.T. erhebliche externe Wasserfußabdrücke.
Werfen wir einen Blick auf ein Alltagsprodukt, das wir in großen Mengen benutzen und aufgrund des geringen Kaufpreises oft achtlos entsorgen, Papier. Die Herstellung von 1 kg Papier beansprucht laut Tab. 1 (Teil 1 vom 4. Dez. 2014) 2.000 l Wasser. Für 1 DIN-A4-Blatt der Stärke 80 g/m², einem gängigen Druckerpapier, sind das immerhin 10 l virtuelles Wasser. Dies gilt für Papier, das aus Holz als Faserrohstoff hergestellt wird. Für Recyclingpapier, das aus 100 % Altpapier hergestellt wird, werden lediglich 20 l Wasser pro kg Papier, also ein Tausendstel, benötigt (weiterführende Literatur s. Van Oel, P.R. & A.Y. Hoekstra, 2012).
Wertung und Empfehlungen für den Einkauf von Industrieprodukten:
Aufgrund der hohen Wiederverwendungsraten spielt bei den Industrieprodukten nicht die Wassermenge (blaues Wasser), sondern die Wasserverschmutzung (graues Wasser) die Hauptrolle. Um seinen persönlichen Wasserfußabdruck so gering wie möglich zu halten, wird analog zur Bekleidung eine längere Nutzung der Produkte empfohlen, also nicht jedes Jahr ein neues Auto oder einen neuen PC. Beim Papier sollten 100 %-Recyclingprodukte oder zumindest Mix-Papiere mit 50 % Altpapier und Papier mit dem FSC-Label bevorzugt werden.
(Der Wasserfußabdruck weiterer Industrieprodukte kann aus Tab. 1 (Teil 1 vom 4. Dez. 2014) und umfassender aus der Produktgalerie des Water Footprint Network[11] und des VDG[12] entnommen werden).
5.5 Wasserfußabdruck Tourismus
Millionen Touristen aus Nord-, Mittel- und Osteuropa machen jeden Sommer Urlaub in den Mittelmeerländern – gerade in der Jahreszeit, in der in diesen Ländern vom Klima her Wasser Mangelware ist.
Tausende von Sportlern reisen im Winter aus dem kalten Mitteleuropa in Trainingslager in die warmen Mittelmeerländer oder die Trockengebiete im Nahen Osten.
Hunderttausende von Langzeiturlaubern verbringen die Wintermonate und mehr in ihren Chalets, bevorzugt in den Mittelmeerländern, um den Wetterunbilden ihrer Heimatländer zu entgehen.
All diese Menschen verlagern im Grunde genommen ihren Wasserbedarf während dieser Zeit aus wasserreichen Regionen in Länder mit mehr oder weniger ausgeprägtem Wassermangel und verschärfen zunehmend die dortige Wasserkrise (analog zur industrialisierten Landwirtschaft s. Kap. 5.2). Das Phänomen „virtuelles Wasser und Tourismus“ wurde jedoch überraschenderweise bei der Abschätzung des Wasserfußabdrucks lange nicht thematisiert. So hat die Arbeitsgruppe des Water Footprint Network erst 2014 eine Studie über den Wasserfußabdruck des spanischen Tourismus veröffentlicht (Cazcarro et al., 2014).
Danach verursachen die mehr als 50 Mio. Touristen, die Spanien besuchen, einen hohen touristischen Wasserfußabdruck (6,9 Mrd. m³/Jahr), mehr als die Hälfte davon stammt von ausländischen Urlaubern. Ein beträchtlicher Teil dieser Touristen kommt aus Deutschland und hinterlässt in Spanien seinen externen Wasserfußabdruck. Problematisch ist dieser hohe Wasserfußabdruck in Regionen Spaniens mit semiaridem bis ariden Klima, in dem erneuerbare Wasserressourcen begrenzt sind. Differenziert man den Wasserfußabdruck, der ein Durchschnittswert für ganz Spanien ist, so zeigt sich, dass der Tourismus in einigen Regionen und zu bestimmten Jahreszeiten die vorhandenen Wasserprobleme potenziert.
Dies belegt eine der wenigen Detailstudien, in der ein Ort, das Feriendorf Jávea im Trockengebiet der Costa Blanca in Andalusien, untersucht wurde (Gommel, 2005, www.akwasser.de unter Stichwort: virtuelles Wasser). Es konnte nachgewiesen werden, dass der tourismusbedingte Wasserbedarf gravierender ist als der durch landwirtschaftliche Nutzung in anderen Regionen Spaniens (s. Beispiel Almería in Kap. 5.2.1).
Die meisten Touristen kommen nach Spanien aus Großbritannien, Deutschland, der Schweiz und den Niederlanden. Neben dem tourismusbedingten Bauboom einschließlich der zugehörigen Infrastruktur benötigt die Versorgung der Touristen mit Trink- und Sanitärwasser so große Wassermengen, dass die tägliche Versorgung der Einwohner mit einwandfreiem Trinkwasser zu einem schwerwiegenden Problem wurde. Denn wie in Almería dringt auch hier Salzwasser in die übernutzten Grundwasserleiter. Momentan ist das Trinkwasserproblem durch die Installation einer eigenen Meerwasserentsalzungsanlage gelöst. Da der Energiebedarf für die Entsalzung sehr hoch ist, stieg der Wasserpreis um etwa das Vierfache an. Damit ist lediglich der direkte Wasserverbrauch für Trink- und Brauchwasser gedeckt, nicht dagegen der virtuelle Wasserbedarf für die Nahrungsmittelproduktion.
Ein anderes Kapitel ist der winterliche Skitourismus in den europäischen Alpen. In Zeiten immer unbeständigerer Winter erleben Beschneiungsanlagen als Garant für weiße Pisten einen Boom. Durch die rasant ansteigende Anzahl von Schneekanonen (in Tirol z.B. aktuell mehr als 10.000 Anlagen) gibt es zunehmend ein Wasserproblem. Die Schneekanonen brauchen nicht nur viel Energie (in Österreich pro Saison rd. 250 GWh), sondern auch sehr viel Wasser. Für den gesamten Alpenbereich sind dies pro Saison 400 bis 600 Mio. m³ („ohne Wasser kein Schnee“), dies entspricht rd. einem Fünftel des gesamten Trink- und Brauchwasserbedarfs von ganz Deutschland. Nach der Hydrologin Carmen de Jong von der Université de Savoie drohen ganze Alpenregionen im Winter auszutrocknen.[13]
Wertung und Empfehlungen für Touristen:
Dies alles zeigt, dass das Kapitel „Wasserverbrauch durch Tourismus“ eine größere Bedeutung hat als bisher angenommen und nachhaltige Lösungen gesucht werden müssen. Einige Lösungsansätze enthält die o.a. Studie von Cazcarro, Hoekstra & Chóliz (2014). Hier ist dennoch Forschungsbedarf.
Für den Käufer wasserbezogener Dienstleistungen, zu denen Tourismus zählt, ergibt sich daraus die Konsequenz, bei der Urlaubsplanung auch die Wassersituation im Reiseland zu berücksichtigen. Hilfestellungen seitens der Touristikbranche gibt es jedoch nur in Ausnahmefällen.
5.6 Fazit und Zukunftsperspektiven
Den größten Anteil am außerordentlich hohen persönlichen Wasserfußabdruck des deutschen Verbrauchers hinterlässt zweifelsfrei der Kauf und Verbrauch von Nahrungsmitteln, da für deren Produktion generell große Mengen an verstecktem Wasser benötigt werden. Demnach spielt die Art und Weise wie wir uns ernähren tatsächlich eine maßgebende Rolle für die Höhe unseres persönlichen Wasserfußabdrucks. Dies wird jedoch erst problematisch, wenn es sich, bei dem, was wir im Alltag in unseren Einkaufskorb packen, um wasserintensive Produkte handelt, die aus Ländern mit Wassermangel importiert werden und dort unter Umständen dramatische Folgen für die Wassernutzung und das soziale Gefüge verursachen. Will man der Verantwortung für solch gravierende Auswirkungen in fernen Ländern (auch aus Gründen der eigenen Versorgungssicherheit) gerecht werden, geht dies nur über eine Senkung des Imports wasserintensiver Produkte aus diesen Ländern. Dies kann aber nur gelingen, wenn sich unser Lebensstil grundlegend ändert. Änderung des Lebensstils und des damit verbundenen Konsumverhaltens ist jedoch keine Kleinigkeit! Dazu braucht es in der Gesellschaft eine grundlegende Neuausrichtung sowohl bei staatlichen Institutionen als auch bei jedem persönlich.
Um dem Einzelnen Entscheidungshilfen für diesen schwierigen Transformationsprozess zu geben, wurden anhand einiger prägnanter Beispiele die wasserintensivsten importierten Nahrungsmittel identifiziert und klassifiziert. Denn im Gegensatz zum WWF, der in seiner Studie zum Wasserfußabdruck Deutschlands (WWF, 2009) schreibt, dass „die Verbraucher bisher nur wenig Handelsmöglichkeiten haben, um durch einen zielgerichteten Konsum den persönlichen Wasserfußabdruck zu senken“, bin ich der Meinung, dass die Verbraucher größere Einflussmöglichkeiten haben als bisher angenommen. So gibt es inzwischen mit dem Wasserfußabdruck einen akzeptierten Standard zur Ermittlung des persönlichen Wasserfußabdrucks, den der informierte Käufer konkret nutzen kann (s. Empfehlungen in Kap. 5.2 bis 5.5).
Was jedoch fehlt, um dem Käufer tatsächlich bei seinem täglichen Einkaufen die Entscheidungen leichter zu machen, ist die Einführung einer Kennzeichnungspflicht für wasserintensive Güter. Dies könnte als Kurzfassung vereinfacht eine „Ampel“-Kennzeichnung sein, wie sie z.B. bei Elektrogeräten oder Automobilen heute schon die Energieeffizienz auf einen Blick sichtbar macht. Dazu könnte eine Langfassung, die z.B. im Internet einsehbar ist, ausführlichere Informationen für den Verbraucher zur Verfügung stellen.
Einzelne Hersteller haben solche Informationen schon implementiert; so kann man bei einem Hersteller von hochwertigen Textilien aus Schurwolle mit Hilfe eines eingenähten BAACODES die gesamte Entstehungsgeschichte des Kleidungsstücks und die dabei eingesetzten Materialien von der Schafschur bis zur Endfertigung nachverfolgen.
Bei Obst und Gemüse gibt es mit dem „Global G.A.P“ (G.A.P. für Gute AgrarPraxis) einen weltweiten Standard zur Zertifizierung. Es gibt das Standard- und Gütesiegel der „ Alliance for Water Stewardship“ (AWS) oder das „CEO Water Mandate“ der UN. Es gibt mehr als 20 relevante Initiativen und Organisationen, die im Bereich der Nachhaltigkeit der Wassernutzung national und international engagiert sind (Hierauf wird im abschließenden Artikel über die Handlungsoptionen eingegangen). Diese Entwicklungen sind zu begrüßen und sollten bei Regierungen und Unternehmen aktuell auf der Agenda stehen. Der WWF, der in diesem Bereich sehr aktiv ist, beklagt allerdings, dass leider noch sehr wenige deutsche Firmen an diesen Prozessen mitarbeiten (WWF, 2009, 2014).
Solange diese Standards sich noch im Entwicklungs- oder Einführungsstadium befinden und auch nur beschränkt Kriterien zum Wasserverbrauch enthalten, bleiben dem engagierten und verantwortungsbewussten Verbraucher zwei Wege, um seinen persönlichen Wasserfußabdruck zu reduzieren:
1. Kurzfristig: Sich pragmatisch an den aufgeführten Empfehlungen beim Einkaufen orientieren (s. Kap. 5.2 bis 5.5). Dies ist schwierig, solange keine gesetzliche Kennzeichnungspflicht eingeführt ist oder Unternehmen ihre Produkte nicht freiwillig im Rahmen einer nachhaltigen Firmenphilosophie zertifizieren lassen und für den Verbraucher kennzeichnen.
2. Mittel- und langfristig: Gezielt bei Unternehmen nachfragen, ob sie den Wasserfußabdruck ihrer Produkte analysiert und Maßnahmen zur Senkung der Auswirkungen ergriffen haben sowie Politiker ansprechen (z.B. den örtlichen Bundestagsabgeordneten) und auffordern, stärker auf eine nachhaltige Wasserbewirtschaftung in Deutschland und der EU hinzuarbeiten und sich für eine Kennzeichnungspflicht für wasserintensive Produkte einzusetzen (nach WWF, 2009).
5.7 Ausblick
Der Druck auf die verfügbaren Wasserreserven wird in naher Zukunft weiter dramatisch ansteigen. Durch die wachsende Weltbevölkerung und deren zusätzlichen Ernährungsbedarf sowie die Anpassung der Konsumgewohnheiten vieler aufstrebender Schwellenländer (z.B. China) an den Standard der westlichen Industrienationen werden die natürlichen Wasserressourcen in immer mehr Regionen der Welt stark überbelastet. Neuere wissenschaftliche Prognosen (Falkenmark, 2012) gehen davon aus, dass in der nächsten Generation rd. die Hälfte der Menschheit unter chronischem Wassermangel leiden wird, wenn sich die Konsumgewohnheiten der Menschen nicht grundlegend ändern.
Einen (kleinen?) Beitrag dazu, diese prognostizierte Katastrophe zu verhindern oder zumindest zu mindern, kann – entgegen der landläufigen Meinung – jeder Einzelne von uns bei unseren Einkaufsentscheidungen im Alltag leisten. Denn der Verbraucher hat durch die Art und Weise wie er einkauft und konsumiert, Einfluss auf die Güter, die aus anderen Ländern nach Deutschland importiert werden. Dies ist den meisten Verbrauchern, wenn sie z.B. im Winter Erdbeeren aus Südspanien kaufen und dadurch die Wassernot in dieser Region verschärfen, nicht oder nur unzureichend bewusst.
Die Umsetzung der in diesem Beitrag vorgestellten Empfehlungen für den persönlichen Einkauf von Nahrung, Bekleidung, Industrieprodukten und Urlaubsreisen setzt einen informierten und mündigen Käufer voraus, der sich über die Folgen seiner Kaufentscheidung auf die Wassermangelsituation in anderen Ländern bewusst ist und der der daraus resultierenden Verantwortung gerecht werden will. Damit solche tiefgreifenden Wandlungsprozesse nicht auf einzelne „Vorkämpfer“ beschränkt bleiben, bedarf es, wie der Sozialphilosoph J. Heinrichs (2014) treffend formuliert, eine Grundwertediskussion in unserer Gesellschaft z. B. über unseren zukünftigen Lebensstil. Nur dann kann daraus eine soziale Bewegung entstehen, die das notwendige „transformative Potential“ (Welzer, 2014) besitzt (Mehr dazu im abschließenden Artikel über die möglichen Handlungsoptionen).
[1] Nach Reller & Holdinghausen, 2011
[2] M. Keller in: Schrot u. Korn, 11/2014
[3] WWF (2014)
[4] ca. 50 % Frischware und ca. 50 % Dosentomaten
[5] Negativ schlagen hier jedoch die durch die Heizung der Gewächshäuser anfallenden höheren CO2-Werte zu Buche
[6] VDG, 2011
[7] N. Geiger, 2006
[8] Zum „regionalen Wirtschaften“, das nach Heinrichs (2014) „die aktive Förderung von Naturnähe von Konsumtion und Produktion“ bedeutet, wird auf die Initiative „Der regionale Aufbruch“ (www.regionaler- aufbruch.de) verwiesen. Dieser Aspekt wird im abschließenden Artikel bei den Handlungsoptionen ausführlich behandelt.
[9] WWF, 2014, Fallbeispiel 2
[10] Dies relativiert sich, wenn man bedenkt, dass dies rechnerisch der Produktion von rd. 26 kg Rindfleisch entspricht.
[11] www.waterfootprint.org [12] www.vdg-online.de [13] Natur 02/15, S. 70
Quellen:Cazcarro, I., Hoekstra, A.Y. & J. Sánchez Chóliz: The water footprint of tourism in Spain. Tourism Management 40, 2014, pp. 90-101.Falkenmark, M.: Food Security: Overcoming Water Scarcity Realities. SIWI Report 31, Stockholm, 2012, pp. 3-8.Geiler, N.: “Virtuelles Wasser” – das Wasser in unserem Essen und unserer Kleidung. Eine Einführung in die Thematik. Freiburger Arbeitskreis Wasser, Reader zu WASSER BERLIN 2006. Freiburg, 2006, S. 3.Gommel, D.; Der virtuelle Wasserbedarf der Touristen – am Beispiel von Jávea in Andalusien. Freiburger Arbeitskreis Wasser, Reader zu WASSER BERLIN 2006. Freiburg, 2006, S. 13-14.Heinrichs, J.: Die Logik des europäischen Traums. Eine systemtheoretische Vision. Academia St. Augustin, 2014.
Mekonnen, M.M. & A.Y. Hoekstra: The green, blue and grey water footprint of crops and derived crop products. UNESCO-IHE, Delft, Value of Water Research Report Series No. 47, 2010.
Morgenschweis, G.: Virtuelles Wasser – ein realistisches Konzept für eine nachhaltige Versorgung der Menschheit mit Wasser? Teil 4: Deutschland – weltweit drittgrößter Importeur von virtuellem Wasser. Blog der Republik. Anstalt für andere Meinungen. 22. Jan. 2015, S. 1-10.
Reller, A. & H. Holdringhausen: Wir konsumieren uns zu Tode. Warum wir unseren Lebensstil ändern müssen, wenn wir überleben wollen. Westend-Verlag, Frankfurt, 2011.
Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Wasserfußabdruck von Ernährungsgütern in Deutschland 2000 – 2010. Wiesbaden, 2012 (www.destatis.de).
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VDG-Vereinigung Deutscher Gewässerschutz (Hrsg.): Virtuelles Wasser versteckt im Einkaufskorb. Schriftenreihe der Vereinigung Deutscher Gewässerschutz Bd. 73, Bonn, 2008.
VDG-Vereinigung Deutscher Gewässerschutz (Hrsg.): Virtuelles Wasser. Weniger Wasser im Einkaufskorb. Schriftenreihe der Vereinigung Deutscher Gewässerschutz Bd. 75, Bonn, 2011.
Welzer, H.: Zukunftspolitik in: FUTURTWEI Zukunftsalmanach 2015/2016. Fischer-Verlag Frankfurt, 2014, S. 13-38.
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WWF Deutschland (Hrsg.): Wagnitz, Ph. & A. Kraljevic: Das importierte Risiko. Deutschlands Wasserrisiko in Zeiten der Globalisierung. Frankfurt, 2014.
Teil 1: Zum virtuellen Wasser und Wasserfußabdruck
Teil 2: Globaler Wasserfußabdruck oder Wasserfußabdruck der Menschheit
Teil 3: Nationale Wasserfußabdrücke
Teil 4: Deutschland – weltweit drittgrößter Importeur von virtuellem Wasser
Teil 5: Wasser im Einkaufswagen – Zum Wasserfußabdruck der Hauptimportgüter Deutschlands
Teil 6: Wasserverluste durch Lebensmittelvernichtung oder Wassersparen durch Lebensmittelrettung
Teil 7: Handel mit virtuellem Wasser