Nach der Definition von Hoekstra (2004) setzt sich der gesamte Wasserfußabdruck Deutschlands zusammen aus
a) dem internen Wasserfußabdruck
(Summe des Wasserverbrauchs für Trink- und Sanitärwasser sowie für Güter, die in Deutschland erzeugt und verbraucht werden) sowie
b) dem externen Wasserfußabdruck
(Wasserverbrauch für Güter und Dienstleistungen, die in anderen Ländern produziert, von dort nach Deutschland exportiert und dort konsumiert werden, vgl. Abb. 2 in Teil 1).
Analog zu den nationalen Wasserfußabdrücken der USA, Chinas und Kasachstans (Abb. 7-9 in Teil 3) ist in Abb. 10 der Wasserfußabdruck Deutschlands dargestellt. Diese Art der Darstellung visualisiert anhand der Wasserfußabdrücke für exportierte (65 Mrd. m³/Jahr) und importierte Güter (125 Mrd. m³/Jahr)[1] in Relation zum Gesamt-Wasserfußabdruck anschaulich das Ausmaß des Handels mit virtuellem Wasser.
Der Gesamt-Wasserfußabdruck Deutschlands beläuft sich danach auf rd. 160 Mrd. m³ pro Jahr; zur besseren Einordnung: dies ist mehr als das Dreifache des Stauinhalts des Bodensees, des zweitgrößten Sees Europas. Im Vergleich zum Wasserfußabdruck der USA oder Chinas (s. Teil 3), Ländern mit erheblich höheren Bevölkerungszahlen, erscheint dieser Wert in absoluten Zahlen eher bescheiden. Nicht bescheiden dagegen ist der Wasserfußabdruck der importierten Güter; mit 125 Mrd. m³ pro Jahr liegt dieser Wert im internationalen Vergleich außergewöhnlich hoch. Deutschland ist hier nach den USA und Japan der drittgrößte Importeur virtuellen Wassers in der Welt! Deutschland ist damit in der Tat ein global player im „Wasserimport“.
Es ist zu beachten, dass es sich bei dem Wasserfußabdruck für importierte Güter (125 Mrd. m³/Jahr) um den Bruttowert des Imports handelt. Er enthält auch den Teil der wassergetragenen Importgüter (z.B. Rohstoffe), die später (z.B. als Fertigprodukt) exportiert werden (Stichwort: Re-Export). Bei der Ermittlung des Gesamt-Wasserfußabdrucks von Deutschland wird dieser Anteil durch eine Import-Export-Saldierung berücksichtigt.
Der Wasserfußabdruck der importierten Güter, d.h. der externe Wasserfußabdruck Deutschlands, ist im internationalen Vergleich also als hoch einzustufen. Dennoch stellt er – abgesehen von der Abhängigkeit des Landes vom Import wassergetragener Produkte und den damit verbundenen Risiken einer ausreichenden Versorgung mit Nahrungsmitteln und Rohstoffen (vgl. Studie von WWF, 2014) – in einer globalisierten Welt mit gut ausgebauten internationalen Handels- und Transportsystemen zu Land, zu Wasser und in der Luft eigentlich kein Problem dar; im Gegenteil kann argumentiert werden, dass dadurch den Schwellen- und Entwicklungsländer „gesicherte“ Einkommensquellen für ihre Bevölkerung erschlossen werden.
Problematisch wird das Ganze, wenn die importierten Waren aus Erzeugerländern stammen, die aus klimatischen, demographischen und ökonomischen Gründen unter Wasserstress leiden oder aus Ländern, in denen die Infrastruktur (rechtlich, verwaltungstechnisch) für eine nachhaltige Wasserbewirtschaftung nicht vorhanden ist. (Paradoxerweise ist Letzteres häufig in Ländern mit Wassermangel der Fall). In solchen Ländern kann dann ein großer externer Wasserfußabdruck negative Auswirkungen auf soziale und wirtschaftliche Bereiche sowie natürliche Ökosysteme haben. Um die Auswirkungen des Imports von virtuellem Wasser beurteilen zu können, müssen daher immer die regionalen Klima- und Produktionsrahmenbedingungen des exportierenden Erzeugerlandes miteinbezogen werden. Da, wie in Teil 2 anhand des globalen Wasserfußabdrucks eindrücklich dargestellt, ein Großteil des externen Wasserfußabdrucks durch die Erzeugung von Nahrungsmitteln verursacht wird, wurde die Methodik der Wasserfußabdruck-Bestimmung insbesondere für diesen Bereich weiterentwickelt und verfeinert (bei industriellen Gütern gibt es noch methodische Unzulänglichkeiten, Stichwort: one-step-Verfahren). Für Deutschland wurden in diesem Bereich zum einen 2009 von Sonnenberg, A., Chapagain, A., Geiger, M. & August, D. eine Untersuchung des WWF Deutschland (WWF, 2009) und zum anderen 2012 eine Studie des Statistischen Bundesamtes Wiesbaden (Statist. Bundesamt, 2012) durchgeführt. Beide Untersuchungen verwendeten die standardisierte Methodik des Water Footprint Manuals (Hoekstra et al. 2010). Die Studie des Statistischen Bundesamtes basiert jedoch auf der aktuelleren Zeitreihe von 2000-2010. Im Folgenden wird auf die Ergebnisse beider Untersuchungen zurückgegriffen.
4.2 Wasserfußabdruck landwirtschaftlicher Güter Deutschlands oder: woher kommt das Wasser, das in unseren Lebensmitteln steckt?
Die Studie des Statistischen Bundesamtes Wiesbaden (Statist. Bundesamt, 2012, www.destatis.de) kommt zu folgenden Ergebnissen, die in Tab. 3 zusammengefasst sind:
4.2.1 Interner Wasserfußabdruck
Tab. 3 weist einen Wasserfußabdruck der inländischen landwirtschaftlichen Produktion von 43 Mrd. m³ pro Jahr aus. Dieser setzt sich – nicht wirklich überraschend für ein Land mit gemäßigtem Klima und ausreichendem natürlichen Wasserdargebot – überwiegend aus grünem Wasser und nur zu einem geringen Teil (rd. 1 Mrd. m³ oder 2,3 %) aus blauem Wasser, das zur Bewässerung von Gemüse und Sonderkulturen verwendet wird, zusammen. Wie Tab. 3 auch zu entnehmen ist, entfällt mehr als die Hälfte der inländischen Pflanzenproduktion (26 Mrd. m³/Jahr) auf Futtermittel. Wenn man die unter der Rubrik „Importe, pflanzlich“ extra ausgewiesenen 19 Mrd. m³/Jahr für importierte Futtermittel dazuzählt, werden in Deutschland insgesamt 45 Mrd. m³ pro Jahr allein für die Futtermittelproduktion eingesetzt. Dies ist mehr als die gesamte inländische Pflanzenproduktion. Hier wird der überproportional hohe Wasserbedarf für die tierische Produktion sichtbar.
4.2.2. Externer Wasserfußabdruck
Dem Wasserfußabdruck der inländischen landwirtschaftlichen Produktion steht ein externer Wasserfußabdruck von insgesamt 103 Mrd. m³ pro Jahr virtuellen Wassers gegenüber, das für die Produktion von nach Deutschland importierten Agrarerzeugnissen (pflanzlich und tierisch) verwandt wird. Dies ist deutlich mehr als das Doppelte der inländischen Erzeugung von Agrarprodukten.
Interessant dabei ist, dass ein bedeutender Teil der „Wasserimporte“, nämlich rd. 30 Mrd. m³ virtuelles Wasser pro Jahr, als Vorprodukte zur Herstellung von für den Export bestimmten Agrarerzeugnissen verwendet werden. Das können importierte Futtermittel (z.B. Soja aus Brasilien) sein, mit denen Tiere in Deutschland gefüttert und dann als „veredelte“ Fleischprodukte exportiert werden. Dieser Export agrarischer Produkte aus Deutschland beläuft sich auf knapp 66 Mrd. m³ Wasser pro Jahr und ist damit deutlich höher als der Wasserfußabdruck der gesamten inländischen Agrarproduktion.
95 % des externen Wasserfußabdrucks waren Import von grünem Wasser, 5 % Import von blauem Wasser. Schauen wir uns die Hauptimportländer und die Hauptimportgüter Deutschlands getrennt nach grünem und blauem Wassers an.
Die mengenmäßig größten Wasserimporte nach Deutschland stammen aus Produkten, die im Wesentlichen mit grünem Wasser (Niederschlag) erzeugt wurden. Diese kamen 2010 vorwiegend (in der Reihenfolge der Importmengen) aus:
1. Brasilien
2. den Niederlanden
3. Indonesien
4. der Elfenbeinküste
5. Frankreich
6. Ghana
7. Polen
8. Kamerun
9. Italien
10. Argentinien
Die Hauptimportgüter aus diesen Ländern sind Kaffee, Kakao und Tee sowie pflanzliche Fette und Futtermittel. Den größten externen Wasserfußabdruck hinterlässt Deutschland in Brasilien.
Der blaue externe Wasserfußabdruck Deutschlands beläuft sich nach Tab. 3 auf 5,1 Mrd. m³ pro Jahr. Das blaue Wasser macht also noch nicht einmal 5 % des Gesamtimports aus, es erscheint von der Größenordnung her vernachlässigbar. Das ist aber ganz und gar nicht so, da sich hinter dieser Zahl die Produktion von wasserintensiven Gütern mit Hilfe von Bewässerung verbirgt; diese kommt häufig in Ländern mit Wasserknappheit zum Einsatz und hat dort großen Einfluss auf die lokalen Wasserverhältnisse. Außerdem weist die Bewässerungslandwirtschaft weltweit die höchsten Zuwachsraten auf, wodurch die oben angedeuteten Probleme eher größer werden. Daher muss Deutschlands Import von blauem Wasser unbedingt gesondert betrachtet werden.
Die 10 wichtigsten Länder, in denen Deutschland seinen blauen externen Wasserfußabdruck durch Import von landwirtschaftlichen Erzeugnissen hinterlässt, waren 2010 (in der Reihenfolge der Importmengen):
1. Spanien
2. Frankreich
3. USA
4. Italien
5. die Niederlande
6. Indien
7. Türkei
8. Belgien
9. Usbekistan
10. Griechenland
Hauptimportgüter aus diesen Ländern waren Obst und Gemüse sowie Nüsse, Zucker und Baumwolle. Etwa die Hälfte des Imports von blauem Wasser für pflanzliche Produkte stammt aus EU-Ländern. Mengenmäßig stellt Getreide die größte Importkategorie dar, weist jedoch einen verhältnismäßig geringen blauen Wasserfußabdruck auf (nach: Statistischen Bundesamt, 2012).
4.2.3 Auswirkungen des externen landwirtschaftlichen Wasserfußabdrucks Deutschlands
Die Auswirkungen des externen Wasserfußabdrucks auf die Wasserressourcen in den Erzeugerländern hängen sowohl von klimatischen und naturräumlichen Bedingungen als auch vom technologischen und verwaltungstechnischen Standard sowie den angebauten Produkten des Erzeugerlandes ab. So kann es passieren, dass in Ländern, die von Natur aus mit reichlich Wasser gesegnet sind und aus denen Deutschland nur mit grünem Wasser hergestellte agrarische Produkte bezieht, trotzdem gravierende Wasserprobleme entstehen. Dies sei am Beispiel Brasiliens demonstriert:
Obwohl es zu den wasserreichsten Ländern der Welt zählt (12 bis 14 % der weltweiten Süßwasserreserven) kann heute ein Großteil der Bevölkerung nicht mit sauberem Trinkwasser versorgt werden. Durch Intensivanbau von Soja (als Futtermittel u.a. für die deutsche Viehmast) und Zuckerrohr (für die Biospritproduktion) werden durch exzessiven Pestizideinsatz die natürlichen Wasservorräte zunehmend verschmutzt (extrem hoher Anteil an grauem virtuellem Wasser). Hinzu kommt die fortschreitende Abholzung des tropischen Regenwaldes, die massive Auswirkungen auf den lokalen und globalen Wasserkreislauf hat.
Trotz dieses extremen Beispiels ist festzuhalten, dass die Hauptauswirkungen des externen Wasserfußabdrucks Deutschlands auf den Import von blauem Wasser zurückgehen, der daher im Folgenden besondere Beachtung finden soll.
Um feststellen zu können, welche Länder unter negativen Auswirkungen des Exports von virtuellem Wasser leiden, muss analysiert werden, in welchen Ländern heute schon Wasserdefizite auftreten. Dies haben Hoekstra und Mitstreiter folgerichtig gemacht, indem sie 2011/2012 die größten Flusseinzugsgebiete der Welt auf Wassermangel untersucht haben (Hoekstra et al., 2011, 2012). Sie haben hierzu die Berechnungen des blauen Wasserfußabdrucks in hoher räumlicher und zeitlicher (Monatsbasis) Auflösung (vgl. auch Abb. 4 in Teil 3) dem natürlichen Wasserdargebot (unter Berücksichtigung eines ökologisch erforderlichen Mindestabflusses) gegenübergestellt. Wasserknappheit tritt nach ihrer Definition dann auf, wenn in mindestens einem Monat im Jahr der Bedarf an Bewässerungswasser durch die verfügbaren ober- und unterirdischen Wasservorräte nicht gedeckt werden kann. Abb. 11 visualisiert die Ergebnisse der umfangreichen Studie.
Legende:
grün = keine Wasserknappheit, d.h. der blaue monatliche Wasserfußabdruck ist geringer als der verfügbare Abfluss.
gelb = geringe bis mittlere Wasserknappheit.
orange = signifikante Wasserknappheit.
rot = extreme Wasserknappheit, d.h. der blaue Wasserfußabdruck übersteigt den verfügbaren Abfluss um 40 % und mehr, der Abfluss ist so stark verändert, dass der ökologische Mindestabfluss nicht gewährleistet ist.
Auf die Methodik und die Ergebnisse dieser Studie wird im Zusammenhang mit den Handlungsoptionen eingegangen. Aus Abb. 11 und genauer aus in der Studie enthaltenen Graphiken und Tabellen kann entnommen werden, in welchen Flusseinzugsgebieten und den dazugehörigen Ländern Wassermangel herrscht.
Von den oben angeführten 10 Hauptimportländern von blauem Wasser nach Deutschland weisen danach Spanien, Frankreich, die USA, Italien, Indien, die Türkei, Belgien, Usbekistan und wahrscheinlich auch Griechenland, von dem keine Daten in der Studie vorliegen, mehr oder weniger starke und saisonal je nach Klimazone unterschiedliche Wassermangelsituationen auf. Das heißt, dass in 9 von 10 Ländern, in denen Deutschland seinen höchsten externen blauen Wasserfußabdruck hinterlässt, schon heute Wasserstress herrscht!
Anhand einiger Beispielländer sollen die Auswirkungen konkretisiert werden:
a) Spanien:
Dieses von semiaridem Klima geprägte Land ist trotz ungünstiger Wasserverhältnisse der ganzjährige Obst- und Gemüsegarten Europas. Intensive Bewässerungswirtschaft beansprucht heute schon ¾ des gesamten Wasserverbrauchs Spaniens, obwohl die wassersparende Technik der Tröpfchenbewässerung verbreitet eingesetzt wird. Durch (z.T. illegale) Übernutzung der Grundwasservorkommen und der oberirdischen Gewässer ist insbesondere der Süden Spaniens (Provinz Almería) heute schon ein Wassernotstandsgebiet, die Wasserversorgung der ortsansässigen Bevölkerung ist gefährdet; über die wasserintensivsten Anbauprodukte (z.B. Erdbeeren, Paprika) wird in Teil 5 diskutiert.
b) Türkei:
Die Landwirtschaft ist ein wichtiger Wirtschaftszweig der Türkei; sie verbraucht bereits heute 71 % der örtlichen Wasserressourcen insbesondere für die Bewässerung von Baumwolle und Getreide. Übernutzung der Wasservorkommen auch durch weit verbreitete illegale Entnahmen hat zu gravierenden Schäden in der Umwelt und zu Versorgungsengpässen bei der Wasserversorgung der Bevölkerung geführt. Von den staatlichen Behörden wird Talsperrenbau im großen Stil an Euphrat und Tigris als Lösung propagiert; gleichzeitig geht durch ineffiziente Bewässerungstechnik ein Großteil des Wassers unproduktiv verloren.
c) Indien:
Der Agrarsektor ist elementar für die Wirtschaft Indiens, es wird vermehrt auf Bewässerung insbesondere von Baumwolle, dem wichtigsten Wirtschaftsgut des Landes, gesetzt. Trotz niedriger Ernteerträge werden Gewässer und Grundwasser zunehmend durch intensiven Pestizideinsatz verschmutzt (54 % des Pestizideinsatzes Indiens wird im Baumwollanbau eingesetzt, obwohl dieser nur 5 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche einnimmt!). Folge ist eine massive gesundheitliche Beeinträchtigung der Farmer und der Bevölkerung.
Diese Beispiele wurden zusammenfassend aus WWF Deutschland (2009) entnommen, sie zeigen exemplarisch die möglichen Auswirkungen von Wasserexporten aus Ländern mit unzureichenden natürlichen Wasservorräten oder/und unzureichender administrativer Infrastruktur.
All dies belegt, dass ein hoher externer Wasserfußabdruck keine Bagatelle ist und dass das importierende Land durchaus mitverantwortlich für diese Auswirkungen ist. Dies trifft sowohl auf die internationale und nationale Politik, die Unternehmen im Export- und Importland, aber auch die Verbraucher in Deutschland zu. Dies soll Schwerpunkt des nächsten Artikels mit dem Thema „Wasser im (täglichen) Einkaufskorb“ sein.
4.2.4 Globale Wege des deutschen Wasserimports
Abb. 12 zeigt die weltweiten Verflechtungen Deutschlands durch Import von Lebensmitteln. Es sind nur die wichtigsten Exportländer aufgeführt, insgesamt importiert Deutschland Nahrungsmittel aus über 200 Ländern dieser Welt.
Die Zahlenangaben in Abb. 12 stammen aus der WWF-Studie von 2009, der Datenreihen von 1996-2005 zugrunde lagen. Sie weisen leichte Unterschiede zu den Ergebnissen der Studie des Statist. Bundesamtes, die auf Zahlen von 2000-2010 basieren, auf. Dennoch gibt die Karte die grundsätzlichen Zusammenhänge des deutschen externen Wasserfußabdruckes anschaulich wider.
Will man den gesamten Wasserbedarf der in Deutschland konsumierten Ernährungsgüter (pflanzlich und tierisch) bilanzieren, so müssen die inländische Produktion (43 Mrd. m³) und das Importsaldo von 37 Mrd. m³/Jahr (Import von 103 Mrd. m³ – Export von 66 Mrd. m³) addiert werden; das ergibt mit 81 Mrd. m³ pro Jahr fast das Doppelte der gesamten inländischen Agrarproduktion! Dieses Ergebnis ist überraschend und alarmierend. Es belegt, dass rd. die Hälfte der in Deutschland verzehrten Nahrungsmittel heute importiert werden!
4.2.5 Zusammenfassung des landwirtschaftlichen Wasserfußabdrucks
Aus den „trockenen“ statistischen Daten sollten einige wesentliche Fakten zum landwirtschaftlichen Wasserfußabdruck Deutschlands zusammenfassend hervorgehoben werden:
1. Deutschland importiert mehr als doppelt so viele Agrarerzeugnisse aus dem Ausland wie es im eigenen Land produziert! Damit ist Deutschland nach den USA und knapp hinter Japan weltweit der drittgrößte „Wasserimporteur“ und damit ein Global Player im Import von Agrarprodukten. Dabei hinterlässt Deutschland in über 200 Ländern dieser Welt seinen externen Wasserfußabdruck.
2. Die Auswirkungen dieses außergewöhnlich hohen externen Wasserfußabdrucks Deutschlands werden evident, wenn man eine Weltkarte des externen Wasserfußabdrucks (s. Abb. 11) in Deckung bringt mit einer Karte mit Flusseinzugsgebieten und dazu gehörigen Ländern, die unter Wassermangel leiden (s. Hoekstra et al., 2012). Dann zeigt sich, dass 9 von 10 Länder, aus denen Deutschland agrarische Produkte importiert, heute schon mehr oder weniger ausgeprägte Wassernot aufweisen.
3. Beim Nahrungsmittelimport liegt der Anteil der Agrargüter, die mit Hilfe von Bewässerung erzeugt werden, aktuell bei 5,1 Mrd. m³/Jahr (deutlich höher als der gesamte private Haushaltswasserbezug Deutschlands). Der Verbrauch blauen Wassers ist aber von besonderer Bedeutung, da hier schon die größten Wasserengpässe und damit die deutlichsten Auswirkungen auf die lokalen Wasserressourcen zu verzeichnen sind.
Aus welchen Produkten sich der externe landwirtschaftliche Wasserfußabdruck Deutschlands im Einzelnen zusammensetzt wird in Teil 5 im Zusammenhang mit unserem Lebensstil und Konsumverhalten eingehend erörtert.
4.3 Wertung des externen Wasserfußabdrucks Deutschlands
Soweit zum agrarischen Wasserfußabdruck Deutschlands. Im Industriewassersektor ist die Sachlage durch ausgeprägte globale Arbeitsteilung und Mehrfachimporte erheblich komplexer. Die hier zur Verfügung stehende Methodik ist noch nicht so weit entwickelt wie im Agrarsektor, so dass dieser gerade für die Exportnation Deutschland wichtige Bereich nur relativ vereinfachend abgeschätzt wird.
Dennoch zeigen die in Kap. 1 vorgestellten Ergebnisse, dass der Gesamt-Wasserfußabdruck Deutschlands einen sehr hohen Wasserfußabdruck importierter Güter aufweist (125 Mrd. m³/Jahr) und nach den USA und Japan einen bemerkenswerten 3. Platz im weltweiten Ranking einnimmt.
Will man diesen hohen externen Wasserfußabdruck bewerten, so sind 2 entscheidende Gesichtspunkte anzuführen:
a) Ein hoher externer Wasserfußabdruck bedeutet grundsätzlich, dass dies eine Verlagerung des Wasserfußabdrucks von Deutschland in ein anderes Land ist; dies kommt einer Externalisierung des Wasserverbrauchs gleich. Mit anderen Worten, es wird im Prinzip der Wasserverbrauch vom Ort des Gebrauchs zum Ort der Erzeugung eines Gutes verlagert. Das Problem dabei ist, dass die Konsumenten i. d. R. nicht für die Umwelt- und Sozialkosten der mit der Produktion einhergehenden Verschmutzung des Wassers und der Umwelt im Exportland aufkommen. Dies fördert eine nicht-nachhaltige Nutzung der Ressource Wasser in den Erzeugerländern.
b) Andererseits ergibt ein hoher externer Wasserfußabdruck eine große Abhängigkeit von den Importländern. Das daraus ableitbare Risiko Deutschlands bei der Versorgung mit agrarischen aber auch industriellen Gütern (z.B. mit Rohstoffen) ist heute schon in einigen Bereichen vorhanden und wird nach Berechnungen des WWF Deutschland, der hierzu im Juli 2014 eine sehr aufschlussreiche Studie veröffentlicht hat (WWF, 2014), in den nächsten Jahrzehnten steigen.
Aus beiden Punkten lässt sich eine besondere globale Verantwortung sowohl für die Produzenten als auch die Konsumenten in Deutschland sowie für die Regierungen der Erzeugerländer und des Importlandes ableiten!
Unabhängig davon muss auch über die Ursachen des außerordentlich hohen ausländischen Wasserfußabdrucks Deutschlands nachgedacht werden. Dazu werden Informationen über den Wasserfußabdruck einzelner Produkte benötigt. Dies soll im nächsten Teil unter dem Titel „Wasser im (täglichen) Einkaufskorb“ geschehen.
[1] Daten aus Mekonnen & Hoekstra (2011, II) sowie Hoekstra & Mekonnen (2012). Diese basieren auf detaillierterer Analyse der Datenreihen von 1996-2005, daraus ergeben sich kleine Unterschiede zu VDG (2008) und WWF (2009).
Quellen:
Chapagein, A.K. & A.Y. Hoekstra: Water footprints of nations. UNESCO-IHE, Delft, Value of Water Research Report Series No. 16, Vol. 1 and Vol. 2, 2004
Hoekstra, A.Y. & M.M. Mekonnen: Global water scarcity: The monthly blue water footprint compared to blue water availability for the world’s major river basins. UNESCO-IHE, Value of Water Research Report Series No. 53,Delft, 2011.
Hoekstra, A.Y. & M.M. Mekonnen: The water footprint of humanity. PNAS, Vol. 109, no. 9, 2012, pp. 3232-3237.
Hoekstra, A.Y., Mekonnen, M.M., Chapagain, A.K., Mathews, R.E. & B.D. Richter: Global monthly water scarcity: Blue water footprints versus blue water availability. PLoS ONE, Vol. 7, Issue 2, 2012.
Mekonnen, M.M. & A.Y. Hoekstra: National footprint accounts: the green, blue and grey water footprint of production and consumption. UNESCO-IHE, Value of Water Research Report Series No. 50,Delft, 2011.
Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Wasserfußabdruck von Ernährungsgütern in Deutschland 2000 – 2010. Wiesbaden, 2012 (www.destatis.de).
VDG-Vereinigung Deutscher Gewässerschutz (Hrsg.): Virtuelles Wasser versteckt im Einkaufskorb. Schriftenreihe der Vereinigung Deutscher Gewässerschutz Bd. 73, Bonn, 2008.
WWF Deutschland (Hrsg.): Sonnenberg A., Chapagain A.K., Geiger, M. & D. August: Der Wasser-Fußabdruck Deutschlands. Frankfurt, 2009.
WWF Deutschland (Hrsg.): Wagnitz, Ph. & A. Kraljevic: Das importierte Risiko. Deutschlands Wasserrisiko in Zeiten der Globalisierung. Frankfurt, 2014.
Teil 1: Zum virtuellen Wasser und Wasserfußabdruck
Teil 2: Globaler Wasserfußabdruck oder Wasserfußabdruck der Menschheit
Teil 3: Nationale Wasserfußabdrücke
Teil 4: Deutschland – weltweit drittgrößter Importeur von virtuellem Wasser
Teil 5: Wasser im Einkaufswagen – Zum Wasserfußabdruck der Hauptimportgüter Deutschlands
Teil 6: Wasserverluste durch Lebensmittelvernichtung oder Wassersparen durch Lebensmittelrettung
Teil 7: Handel mit virtuellem Wasser