Was wissen wir wirklich über die aktuelle Nutzung der Süßwasservorräte auf unserem Planeten? Wo wird wieviel Wasser für welche Zwecke eingesetzt? Wir wissen einiges über Regionen, die heute schon unter Wasserstress leiden. Wir wissen oder ahnen, dass es bei vielen geopolitischen und kriegerischen Auseinandersetzungen in der heutigen Welt um den Zugang zu Wasservorräten bzw. um die Herrschaft über Wasserschätze geht. Aber was sind die Ursachen und Hintergründe dieser Konflikte, welche Mechanismen – bewusst oder unbewusst – führen zur Verschärfung der mit Wasser zusammenhängenden Probleme, wer sind die Hauptakteure dieser im globalen Zusammenhang ablaufenden Prozesse?
Mit der Globalisierung der Wirtschaft wurde Wasser zunehmend zu einer globalen Ressource. So werden Güter in bestimmten Regionen produziert, die dann im Rahmen der weltweiten Handelsströme in andere Länder exportiert werden. Für die Produktion wurden die Wasserressourcen des Exportlandes beansprucht, die inländischen Wasservorräte des Importlandes jedoch geschont. Auf diese Weise verlagern viele Nationen die Produktion von wasserintensiven Rohstoffen in Drittländer. Problematisch wird das Ganze, wenn diese Güter in Ländern mit Wassermangel produziert werden. Hier setzt das Konzept des virtuellen Wassers und des daraus abgeleiteten Wasserfußabdrucks an, indem es diese Prozesse und die damit zusammenhängenden Wassernutzungen in hoher räumlicher Auflösung transparent macht. Die Frage stellt sich nun, ob dieses Konzept Antworten auf die oben gestellten Fragen geben kann und ob es eine realistische Option für die Lösung heutiger und zukünftiger Probleme bei der Versorgung der Menschheit mit Wasser darstellt?
In Teil 3 des einführenden Themenblocks vom 25.9.2014 wurde beim Wasserbedarf deutlich gemacht, dass die Menschheit 50 bis 100 Mal mehr Wasser für die Produktion von Ernährungsgütern einsetzt als für Trink-, Sanitär- und Industriewasser. Dieser Tatsache und der dahinter stehenden Größenordnung – jeder Deutsche verbraucht immerhin jeden Tag fast 4.000 l Wasser – ist sich „Ottonormalverbraucher“ i.d.R. nicht bewusst, weil dieses Wasser zum größten Teil in Nahrungsmitteln, Kleidung und anderen Alltagsprodukten „versteckt“ ist in Form von sog. virtuellem Wasser (WWF, 2009). Was es mit diesem etwas sperrigen und auf den 1. Blick verwirrenden Begriff „virtuelles Wasser“[1] auf sich hat und was das dahinterstehende Konzept zur Bewältigung einer drohenden Wasserkrise leisten kann, ist Thema dieses II. Themenblocks. Nach einer kurzen Einführung in die Grundzüge des virtuellen Wassers und des Wasserfußabdrucks werden Wasserfußabdrücke in unterschiedlichen Skalen (global, national, individuell) vorgestellt und Empfehlungen für eine zukünftige nachhaltige Nutzung der knapper werdenden Ressource Süßwasser daraus abgeleitet.
1.1 Virtuelles Wasser
Der Begriff „virtuelles Wasser“ gibt an, wie viel Wasser für die Erzeugung eines Produkts insgesamt aufgewendet wurde, also diesem Produkt innewohnt. Der Begriff geht auf den englischen Geographen John Antony Allan zurück, der ihn 1993 einführte und dafür 2008 den renommierten Wasserpreis des Stockholm International Water Institute (SIWI) erhalten hat. Ursprünglich entwickelte er diesen Begriff zur Erklärung von Wasserkonflikten im Mittleren Osten.
Das Neue an diesem Konzept ist, dass es auf der Grundlage einer umfassenden Bilanz die gesamte Wassermenge, die bei der Produktion eines Gutes eingesetzt wird, angibt. Dabei wird jeder einzelne Schritt in der Herstellungs- und Handelskette berücksichtigt. Explizit ausgewiesen wird dabei das „versteckte“ oder „virtuelle“ Wasser.
In Tab. 1 ist für einige ausgewählte Produkte der Gehalt an virtuellem Wasser zusammengestellt.
Für alle gängigen Produkte können Angaben zum virtuellen Wassergehalt unter www.waterfootprint.org und für ausgewählte Produkte unter www.virtuelles-wasser.de Stichwort „Produktgalerie“ eingesehen werden.
Einige der Zahlenwerte sind doch überraschend. So wird mit einer Tasse Kaffee eine größere Wassermenge verbraucht als für den täglichen Trinkwasserbedarf einer Person in Deutschland (120 l/Einwohner u. Tag); beim Bier entspricht dies 2 Gläsern à 250 ml. (Vom Gesichtspunkt des virtuellen Wassers ist demnach ein Glas Bier besser zu bewerten als eine Tasse Kaffee!).
Ansonsten fallen bei den Nahrungsmitteln insbesondere die tierischen Produkte (dazugehören auch Milch, Käse, Eier) durch überproportional hohe virtuelle Wassergehalte auf. Am Beispiel des Spitzenreiters Rindfleisch lässt sich gut erläutern, was alles bei der Bilanzierung des virtuellen Wassers eines Produktes berücksichtigt wird und wieso die Werte bei Fleisch so hoch sind : Die Berechnung gilt für Intensivhaltung von Rindern, die nach 3 Jahren schlachtreif sind und bis dahin etwa 1.300 kg Kraftfutter aus Weizen, Mais und Soja sowie 7.200 kg Raufutter (Weidefutter, Heu, Silage) und 24.000 l Wasser zum Tränken verbraucht haben. Unter www.br.de/fernsehen/bayerisches gibt es hierzu unter dem Stichwort „virtuelles Wasser“ eine eindrucksvolle Animation.
Für die Herstellung von Industriegütern wird selbstverständlich auch Wasser eingesetzt. So werden z. B. für die Produktion eines 2 g schweren Mikrochips 32 l und für die Herstellung eines modernen Mittelklassewagens ca. 400.000 l Wasser gebraucht. Erwähnenswert scheint Papier, das im Alltag heute in großen Mengen verwendet und aufgrund des niedrigen Kaufpreises oft achtlos weggeworfen wird. Die Herstellung von 1 kg Papier beansprucht 2.000 l Wasser, d.h. für 1 DIN-A4-Blatt werden 10 l virtuelles Wasser verbraucht; dieser Wert gilt für Papier mit 80 g/m², das aus Holz als Faserrohstoff hergestellt wurde. Für die Aufbereitung von Altpapier zu Recyclingpapier werden lediglich 20 l für 1 kg Papier, d.h. ein Tausendstel, benötigt. Im Gegensatz zu landwirtschaftlichen Gütern geht jedoch bei der industriellen Produktion kaum Wasser durch Verdunstung verloren, da das gereinigte Industriewasser i.d.R. wieder eingesetzt werden kann; hier liegt das Problem mehr in der durch die Produktionsprozesse verursachten Wasserverschmutzung.
Über die reine Wassermengenangabe hinaus wird beim virtuellen Wasser zwischen dem grünen, blauen und grauen Wasser unterschieden. Abb. 1 zeigt dies schematisch am Beispiel einer Tomate, für die laut Tab. 1 im weltweiten Durchschnitt ein Verbrauch von 214 l virtuellen Wassers pro kg ermittelt wurde.
Das grüne virtuelle Wasser ist der Anteil des Niederschlags, der über die Bodenfeuchte von den Pflanzen aufgenommen, zum Wachstum verwendet und verbraucht wird (Evapotranspiration). Am Beispiel der Tomate in Abb. 1 sind dies 108 l pro kg. Der restliche Teil des Niederschlags geht als Abfluss in Oberflächengewässer oder in das Grundwasser.
Das blaue virtuelle Wasser beschreibt die aus Flüssen, Seen und dem Grundwasser entnommene und für die Produktion eines Gutes genutzte Wassermenge. In der Landwirtschaft z.B. handelt es um das zur Bewässerung genutzte Wasser, das von Pflanzen über den Boden aufgenommen wird und verdunstet. Bei der Tomate in Abb. 1 sind dies 63 l pro kg. Niederschlagswasser, das in das Grundwasser sickert oder von der Erdoberfläche in Flüsse entwässert, wird dem Modell zufolge zu blauem Wasser. Die Bewässerung von Pflanzen durch gesammeltes Regenwasser zählt ebenso wie Teichwasser zum blauen Wasser. Bei der Produktion von industriellen Gütern kommt i.d.R. blaues Wasser zum Einsatz.
Graues virtuelles Wasser dagegen bezieht sich auf die Wasserqualität. Es ist die Wassermenge, die bei der Herstellung eines Produkts direkt verschmutzt wird und so für eine weitere Nutzung nicht mehr unmittelbar zur Verfügung steht. In der Landwirtschaft z.B. können dies Dünge- und Pflanzenschutzmittel sei, die z.T. in Oberflächengewässer und Grundwasser gelangen und diese direkt belasten. Das graue virtuelle Wasser wird nun als die Wassermenge berechnet, die notwendig wäre, um die durch den Produktionsprozess entstandenen Wasserschadstoffe auf ein umweltverträgliches Maß so weit zu verdünnen, dass national gültige Standardwerte der Wasserqualität eingehalten würden. Bei landwirtschaftlichen Produkten z.B. wird hierzu Nitrat herangezogen. Damit kann das graue virtuelle Wasser als Indikator für die Verschmutzung des Wassers angesehen werden. (Bei der Tomate in Abb. 1 beträgt dieser Wasseranteil 43 l pro kg produzierter Frucht).
Beschränkt man sich bei den weiteren Betrachtungen auf die wasserintensiven Güter, so muss man sich im Wesentlichen auf Ernährungsgüter konzentrieren. Bei der Bewertung des virtuellen Wassereinsatzes bei der Erzeugung landwirtschaftlicher Produkte muss jedoch auch berücksichtigt werden, wo und unter welchen naturräumlichen Bedingungen (Klima, Boden, Wasser) ein Produkt hergestellt wurde. Dies lässt sich am Beispiel des Kaffees gut erläutern: Kaffee wird traditionell in Regionen mit reichlich Niederschlag angebaut und braucht im Normalfall keine Bewässerung, es wird also grünes Wasser genutzt. Dies bedeutet, dass die 132 l virtuellen Wassers, die im globalen Durchschnitt für eine Tasse Kaffee verwendet werden (vgl. Tab. 1), i.d.R. wasserverträglich sind und in diesen Ländern kaum in Konkurrenz zu anderen Wassernutzungen stehen. Das Gleiche gilt für den Anbau von Nassreis, der mit einem Schnitt von 2.494 l Wasser pro 1 kg durch einen hohen Wassereinsatz gekennzeichnet ist. In Thailand z.B. wird dieser hohe Wasserbedarf zum größten Teil durch die während der Vegetationszeit fallenden tropischen Monsunregen (grünes Wasser) gedeckt. Reisanbau in Marokko dagegen verbraucht pro kg im Schnitt „nur“ 2.600 l Wasser, das jedoch dort wegen des geringen natürlichen Niederschlags durch Bewässerung bereitgestellt werden muss. Dadurch verursacht Reisanbau in Marokko viel größere Wasserprobleme als in Thailand.
Um den möglichen Wasserstress durch den Anbau eines Produktes beurteilen zu können, muss daher unbedingt das Verhältnis zwischen grünem und blauem Wasser herangezogen werden (nach VDG, 2008). Grundsätzlich ist es aus hydrologischer Sicht besser, wenn in einem Produkt weniger blaues Wasser enthalten ist, da durch die Entnahme von Fluss- und Grundwasser für Bewässerungszwecke in vielen Wassermangelregionen schon heute eine deutliche Überbeanspruchung der natürlichen Wasserressourcen mit z.T. verheerenden ökologischen Folgen zu registrieren ist (Beispiel: Almería in Südspanien).
Mehr als 50 % des verfügbaren Süßwassers werden heute schon vom Menschen genutzt. Hinzu kommt, dass in vielen Regionen, ironischerweise häufig in Wassermangelgebieten, die Nutzung des Wassers nicht effizient ist und/oder die Organisationsstrukturen für einen wassersparenden Umgang nicht oder nur unzureichend ausgebildet sind. Die Frage der „Wasserverträglichkeit“ wird detailliert im Zusammenhang mit dem Wasserfußabdruck erörtert. Weiterführende Informationen finden sich unter www.virtuelles-wasser.de und WWF (2009).
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass das Konzept des virtuellen Wassers die Möglichkeit bietet, den Wassereinsatz aller produzierten und gehandelten Waren transparent zu machen. Es zeigt auf, in welchem Umfang ein Land die Wasserressourcen der Erde tatsächlich beansprucht. Damit kann es ein Werkzeug zum effizienteren und sparsameren Umgang mit Wasser sein. Global gesehen kann es zu seiner gerechteren Verteilung führen. Denn der Export von Gütern, die mit hohen Einsatz von Wasser (insbesondere von blauem Wasser, das in Regionen mit unzureichendem Niederschlagswasser zu Bewässerungszwecken eingesetzt wird) erzeugt werden, verschärft in diesen Ländern Wasserkonflikte und kann zu sozialen Unruhen bis hin zu kriegerischen Auseinandersetzungen führen. Hinzu kommt, dass über den Handel mit virtuellem Wasser die Möglichkeit besteht, aktiv in die globale Wasserverteilung einzugreifen, indem man Güter jeweils dort produziert, wo sie am wenigsten Wasserstress erzeugen und dann im Rahmen des globalen Handels austauscht. Eine realistische Vision? Hierzu mehr in Teil 6: „Handel mit virtuellem Wasser“.
1.2 Wasserfußabdruck
Aufbauend auf dem Konzept des virtuellen Wassers entwickelte der Wissenschaftler Arjen Y. Hoekstra von der Universität Twente in Enschede/Niederlande das weitergehende Konzept des Wasserfußabdruck (water footprint), das er 2002 erstmals der Fachwelt vorstellte. Es handelt sich dabei um einen ganzheitlichen Ansatz, der die „Dublin-Leitprinzipien zu Wasser und nachhaltigen Nutzung“ berücksichtigt. Der Wasserfußabdruck wird als „Indikator, der den direkten und indirekten Wasserverbrauch eines Konsumenten und Produzenten aufzeigt“ (Hoekstra 2003), definiert. Der direkte Wasserverbrauch eines Konsumenten oder einer Volkswirtschaft entspricht danach dem Wasser, das zum Trinken, Kochen, Putzen, Waschen etc. genutzt wird; wohingegen der indirekte Wasserverbrauch die Menge an Wasser ist, die für die Produktion von Gütern und Dienstleistungen aller Art wie Nahrung, Papier, Kleidung etc. benötigt wird (vgl. Abb. 2). Der indirekte Wasserverbrauch liegt im globalen Maßstab 50 bis 100 Mal höher als der direkte (Falkenmark, 2012). Der Wasserfußabdruck eines Einzelnen oder einer Gemeinschaft (z.B. eines Landes) wird somit als das gesamte Wasservolumen definiert, welches ein Einzelner oder eine Gemeinschaft als Konsument von Gütern und Dienstleistungen oder ein Betrieb zur Produktion von Gütern und Dienstleistungen im In- und Ausland verbraucht. Damit ist ausdrücklich auch das zur Herstellung von Importgütern im Ausland genutzte „indirekte“ Wasser einbezogen (s. www.waterfootprint.org).
Im Gegensatz zum virtuellen Wasser, das lediglich die bei der Produktion eines Gutes verbrauchte Wassermenge bilanziert, gibt der Wasserfußabdruck an, wie viel Wasser beim Verbrauch dieses Gutes verloren geht und wo das im Produkt enthaltene virtuelle Wasser entnommen wurde. Bei den Wassermengen, die bei der Produktion von Gütern unter Nutzung der Wasservorräte im eigenen Land verbraucht werden, spricht man vom internen Wasserfußabdruck; bei dem Wasser, das in einem anderen Land zur Herstellung von Gütern genutzt wird, die dann z.B. in das eigene Land importiert und dort konsumiert werden, spricht man vom externen Wasserfußabdruck (s. auch Abb. 2). Damit beinhaltet das Konzept des Wasserfußabdrucks im Gegensatz zum virtuellen Wasser auch eine regionale Komponente, die es ermöglicht, abzuschätzen, wo ein bestimmtes Land über den internationalen Handel seinen externen Wasserfußabdruck hinterlässt und welche Folgen dies für die Wasserressourcen des Export- und Importlandes hat. Das Schema in Abb. 2 verdeutlicht am Beispiel der Ermittlung des Wasserfußabdrucks von Deutschland anschaulich, aus welchen einzelnen Komponenten sich der Wasserfußabdruck zusammensetzt.(Der Wasserfußabdruck Deutschlands selbst wird in Teil 4 detailliert behandelt).
Die Vorgehensweise bei der Abschätzung der unterschiedlichen Wasserfußabdrücke wurde 2011 in einem umfangreichen Manual (Hoekstra et al, 2011) detailliert festgelegt und dadurch standardisiert. Die Mengendaten für den Transport agrarischer und industrieller Güter werden z.B. der Datenbank PC-TAS des International Trade Center, die Daten über den nationalen Verbrauch von Nahrungsmitteln der Datenbank FAOSTAT der FAO in Rom entnommen. Die für die Produktion dieser Güter verbrauchte Wassermenge ergibt sich aus dem Verhältnis zwischen der Wassermenge, die für deren Anbau gebraucht wurde und der geernteten Menge dieses Produkts. Dadurch wird sowohl die durch Verdunstung verlorengegangene als auch die durch Verschmutzung unbrauchbar gewordene Wassermenge berücksichtigt. So wurden eine Vielzahl von Produkten wie Fleisch, Getreide, Baumwolle, Industrieprodukte u.a., die sowohl im In- als auch im Ausland produziert, exportiert oder/und konsumiert werden, bilanziert. Für den externen Wasserfußabdruck Deutschlands z.B. wurden 503 Kulturpflanzen und 141 tierische Produkte berücksichtigt. (Chapagain & Hoekstra, 2004; WWF, 2009).
Die internationale Forschergruppe um A. Y. Hoekstra hat so im Zeitraum von 2006 bis 2014 die Wasserfußabdrücke
a) einzelner wassergetragener Produkte und Dienstleistungen (wie z.B. Bioenergie (2008, 2009), Baumwolle und Weizen (2010) oder Sojaprodukte und Fleisch (2011) oder Ferntransport (2010), Wasserkraft (2011) ) sowie
b) einzelner Nationen und Flusseinzugsgebiete (wie z.B. Marokko (2006, 2014), China und Indien (2008), Niederlande (2008, 2012), Kenia (2011), Frankreich (2012)) und daraus abgeleitet
c) den globalen Wasserfußabdruck der Menschheit (2011, 2012)
ermittelt und in den UNESCO-IHE Report Series sowie in internationalen Fachzeitschriften veröffentlicht. Inzwischen kann für die Berechnungen auf die von Mekonnen u. Hoekstra 2010 publizierten „Wasserkoeffizienten“ für einzelne pflanzliche (Water Report Series No. 47, 2010a) und tierische Produkte (Water Report Series No. 48, 2010b) zurückgegriffen werden. Zwei umfassende Fachbücher (Hoekstra & Chapagain, 2008 und Hoekstra, 2013) stellen zudem den jeweiligen Wissensstand zusammen. Das umfangreiche Schrifttum kann unter www.waterfootprint.org/publications eingesehen und heruntergeladen werden.
1.3 Zusammenfassung und Wertung
Bevor detailliert auf Ergebnisse unterschiedlicher räumlicher Auflösung (global, national und Einzelprodukte) eingegangen wird, soll zusammenfassend eine erste Wertung des Konzepts des Wasserfußabdrucks vorangestellt werden.
Positiv ist der ganzheitliche Ansatz, der neben Wassermengen- auch Wassergüte-Aspekte einbezieht. Bei der Diskussion über den Wasserfußabdruck einzelner Produkte in Teil 5 zeigt sich, dass dadurch ein Informationsgewinn erreicht wird, der eine deutlich differenziertere Beurteilung ermöglicht. Die in hoher räumlicher Auflösung durchgeführten Berechnungen ergeben erstmals detaillierte Informationen über das Ausmaß der globalen virtuellen Wasserströme durch den internationalen Handel; es werden die externen Wasserfußabdrucke einzelner Nationen und deren Auswirkungen in den Herkunftsländern mit großer Klarheit aufgezeigt. Daraus lassen sich Handlungsempfehlungen für Regierungen, Unternehmen und Verbraucher ableiten, die nicht einfach abgetan werden können, will man eine zukünftige globale Wasserkrise verhindern. Es stellt somit ein Instrument der Sensibilisierung gegenüber den globalen Wasserproblemen dar.
Eine Verbesserung wäre es aus hydrologischer und ökologischer Sicht, wenn bei der Berechnung des Wasserfußabdrucks (insbes. des externen) nicht die Staatsgrenzen, sondern Gewässereinzugsgebiete zugrunde gelegt würden, da dann die wasserwirtschaftlichen und ökologischen Folgen des Anbaus und Exports einzelner Produkte besser abgeschätzt werden könnten. Der WWF schreibt zwar in seiner Studie von 2009, dass „ bei Ländern mit akuter Wasserknappheit und solchen mit unzureichenden politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen für die Bewirtschaftung der Wasserressourcen sowie unzureichender Umsetzung dieser Vorgaben mit Sicherheit davon auszugehen ist, dass der virtuelle Wasserhandel erhebliche Auswirkungen auf die Wasserressourcen des Landes sowie dessen Umwelt und Bevölkerung hat“, auch wenn die bisherigen Ergebnisse der Wasserfußabdruckstudien „keine Aussagen ermöglichen, ob durch den Anbau eines bestimmten Produktes ein besonders wertvolles Ökosystem geschädigt wird“.
Kritisch kann die sehr vereinfachte und konservative Abschätzung der Gewässerverschmutzung durch die Landwirtschaft mit Hilfe des einen Parameters Nitrat gesehen werden. Ist dies nicht zu pauschal, zumal es Länder gibt, in denen andere Schadstoffe als Leitparameter für die Gewässerverschmutzung relevant sind, z.B. Phosphat bei der landwirtschaftlichen Produktion in den Niederlanden? Eine Regionalisierung des Schadstoff-Parameters, angepasst an die örtlichen Verhältnisse, würde diese Kritik entkräftigen. Sie wäre auch unschwer umzusetzen, da im Manual bei den zugrunde gelegten Grenzwerten auch schon jetzt die jeweiligen nationalen Vorschriften bzw. gesetzlichen Grundlagen berücksichtigt werden und ansonsten die Modellrechnungen schon heute mit hoher räumlicher Auflösung durchgeführt werden. Entscheidend dürften jedoch die verfügbaren Daten sein.
Als persönliche Wertschätzung der m.E. bahnbrechenden fachlichen Arbeiten zum Thema virtuelles Wasser und Wasserfußabdruck soll zum Abschluss dieses einführenden Kapitels in Abb. 3 das einprägsame Logo zum Wasserfußabdruck angefügt werden. Die Designerin Angela Morelli, die das Logo 2008 entworfen hat, beschreibt es wie folgt: „A dripping foot that is loosing an essential part of its structure, a part that is fundamental for human balance“.
[1] Im normalen Sprachgebrauch versteht man darunter „ein scheinbares Bild, das der Kraft oder Möglichkeit nach vorhanden ist“ (Wahrig: Deutsches Wörterbuch. Gütersloh, 1986). „Virtuell“ ist aber nicht, wie oft fälschlicherweise behauptet, das Gegenteil von „real“, sondern von „physisch“.
Quellen:
Allan, J.A.: Fortunately there are substitutes for water otherwise our hydro-political future would be impossible. London: ODA, 1993, pp. 13-26.
Chapagein, A.K. & A.Y. Hoekstra: Water footprints of nations. UNESCO-IHE, Delft, Value of Water Research Report Series No. 16, Vol. 1 and Vol.2, 2004
Falkenmark, M.: Food Security: Overcoming Water Scarcity Realities. SIWI Report 31, Stockholm, 2012, pp. 3-8.
Hoekstra, A.Y. (ed): Virtual water trade: Proc. of the International Expert Meeting on Virtual Water Trade, 12-13 Dec. 2002, UNESCO-IHE, Delft, Value of Water Research Report Series No. 12, 2003.
Hoekstra, A.Y.: The water footprint of modern consumer society. Routledge London, 2013.
Hoekstra, A.Y., Chapagain, A.K. Aldaya, M.M. & M.M. Mekonnen: The Water Footprint Assessment Manual. Earthscan London, 2011.
Mekonnen, M.M. & A.Y. Hoekstra: The green, blue and grey water footprint of crops and derived crop products. UNESCO-IHE, Delft, Value of Water Research Report Series No. 47, 2010a.
Mekonnen, M.M. & A.Y. Hoekstra: The green, blue and grey water footprint of farm animals and animal products. UNESCO-IHE, Delft, Value of Water Research Report Series No. 48, 2010b.
Mekonnen, M.M. & A.Y. Hoekstra: National footprint accounts: the green, blue and grey water footprint of production and consumption. UNESCO-IHE, Delft, Value of Water Research Report Series No. 50, 2011.
VDG-Vereinigung Deutscher Gewässerschutz (Hrsg.): Virtuelles Wasser versteckt im Einkaufskorb. Schriftenreihe der Vereinigung Deutscher Gewässerschutz Bd. 73, Bonn, 2008.
VDG-Vereinigung Deutscher Gewässerschutz (Hrsg.): Virtuelles Wasser. Weniger Wasser im Einkaufskorb. Schriftenreihe der Vereinigung Deutscher Gewässerschutz Bd. 75, Bonn, 2011.
Water Footprint Network Enschede/Niederlande (www.waterfootprint.org)
WWF (Hrsg.): Sonnenberg A., Chapagain A.K., Geiger, M. & D. August: Der Wasser-Fußabdruck Deutschlands. Frankfurt, 2009.
Teil 1: Zum virtuellen Wasser und Wasserfußabdruck
Teil 2: Globaler Wasserfußabdruck oder Wasserfußabdruck der Menschheit
Teil 3: Nationale Wasserfußabdrücke
Teil 4: Deutschland – weltweit drittgrößter Importeur von virtuellem Wasser
Teil 5: Wasser im Einkaufswagen – Zum Wasserfußabdruck der Hauptimportgüter Deutschlands
Teil 6: Wasserverluste durch Lebensmittelvernichtung oder Wassersparen durch Lebensmittelrettung
Teil 7: Handel mit virtuellem Wasser
Wie sagt man doch so schön?
Der nächste Krieg wird um Öl ausgefochten – der danach um Wasser.
In dem Sinne sollte man heute schon ein Auge auf die zukünftige Wasserversorgung haben.
Sonst kommt wieder ganz plötzlich eine Krise 🙂