Vor einem Jahr hat der kolumbianische Präsident Juan Manuel Santos in Oslo den Friedensnobelpreis erhalten. Die Auszeichnung würdigte seinen Einsatz für ein Ende des blutigen Bürgerkriegs nach mehr als fünf Jahrzehnten. Doch der Prozess zur Befriedung des Landes stockt. Um ein Scheitern abzuwenden, unterstützen vielfältige internationale Bemühungen das historische Abkommen mit den Farc-Rebellen.
Auch aus Deutschland kommt Engagement für ein Gelingen, beispielsweise im Deutsch-Kolumbianischen Friedensinstitut CAPAZ (Instituto Colombo-Aleman para la Paz). Frieden Made in Germany? „Wir kommen nicht, um zu belehren“, sagte der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier bei der Eröffnung in Bogota, „sondern um unsere Erfahrungen zur Verfügung zu stellen.“
Gewaltsamer Tod, Vertreibung, Entführung und das spurlose Verschwinden von Menschen haben den Bürgerkrieg in Kolumbien seit 1964 geprägt. Nach vier Jahren Verhandlungen im kubanischen Havanna verständigten sich Regierung und Rebellen auf eine Beilegung des Konflikts. Die Bevölkerung billigte das Abkommen in einem zweiten Anlauf. Doch Widersacher machen weiter mobil. Vor den Parlaments- und den Präsidentschaftswahlen 2018 torpedieren vor allem die Anhänger des früheren Präsidenten Álvaro Uribe den Friedensprozess.
„Nach 50 Jahren bitteren Konflikts geschieht Versöhnung nicht über Nacht“, sagte Berit Reiss-Andersen bei der Nobelpreisverleihung vor einem Jahr. Unter den Gästen war die frühere Präsidentschaftskandidatin Ingrid Betancourt, das wohl prominenteste der vielen Entführungsopfer in Kolumbien. Neben dem Drogenhandel waren Lösegelder eine der wichtigsten Finanzierungsquellen.
Die Rebellenorganisation selbst war vom Osloer Nobelkomitee nicht berücksichtigt worden. Allem Misstrauen zum Trotz hat sie sich an die Abmachungen gehalten, vorbildlich, wie ihr zum Beispiel der Kolumbien-Beauftragte der Bundesregierung, Tom Koenigs von den Grünen, bescheinigt. 7000 Kämpfer seien vollständig entwaffnet und alle Vermögenswerte übergeben worden.
Die Männer sehen ihre Zukunft in der Landwirtschaft. Sie sitzen in Behelfsunterkünften und harren der Dinge. Denn die staatlichen Zusagen sind noch nicht umgesetzt. Der friedliche Tatendrang für eine bessere Zukunft liegt brach, solange die Landreform nicht voran kommt.
Für rund 20 Millionen Hektar Land – eine Fläche so groß wie das Vereinigte Königreich – sind die Eigentumsverhältnisse ungeklärt. In keinem anderen lateinamerikanischen Staat ist der Boden so ungleich verteilt. 52 Prozent der landwirtschaftlich nutzbaren Fläche werden von 1,5 Prozent der Bevölkerung beansprucht, hieß es bei einem Workshop der Universität Göttingen mit kolumbianischen Partnern.
Die Universität Göttingen engagiert sich ebenfalls im Instituto CAPAZ, das von der Universität Gießen auf deutscher Seite geführt und dem Hessischen Institut für Friedens- und Konfliktforschung mit bestritten wird. In ihrem Friedensvertrag hatten die kolumbianische Regierung und die ehemaligen Rebellen der Farc Deutschland um Unterstützung im Friedensprozess gebeten.
Im CAPAZ geht es neben den Fragen der Landreform auch um die Ausgestaltung einer Übergangsjustiz, die den Aussöhnungsprozess unterstützt, den Aufbau einer gemeinsamen Erinnerungskultur schon in der Schulzeit, etwa durch entsprechende Schulbücher, und die Wiedereingliederung bisheriger Rebellen in Zivilgesellschaft und Arbeitsmarkt.
An all dem hapert es. Der Gesetzgebungsprozess im Parlament stockt. Gegner des Friedensvertrages behindern die Verfahren, vor den Wahlen bröckelt auch die Gemeinsamkeit der Befürworter. Die Farc hat sich inzwischen zu einer Partei gewandelt, und das Kürzel steht nun nicht mehr für die bewaffnete, sondern für die „Alternative Revolutionäre Kraft des Volkes“.
In die von ihr zuvor kontrollierten Gebiete sind Kämpfer der Rebellenmiliz ELN nachgerückt, mit der die Regierung Santos im Oktober einen bis Januar 2018 befristeten Waffenstillstand ausgehandelt hat. In weitaus größerem Ausmaß aber haben paramilitärische Gruppen das Vakuum genutzt. Mord und Totschlag, Gewalt gegen Menschenrechtler, Landraub und Drogenkrieg sind nach wie vor an der Tagesordnung in Kolumbien und bedrohen den Friedensprozess. Die kriminellen Profiteure werden alles daran setzen, ihn zum Scheitern zu bringen.
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