Sie nennen sich „Querdenker“, dabei mögen sie quer sein, aber denken? An ihrer Seite finden sich Rechtsextremisten, Nazis, Reichsbürger, Verschwörungsanhänger. Sie halten sich nicht an Regeln und versuchen, möglichst viele auf ihre Seite zu ziehen. Widerstand nennen sie ihre Haltung und greifen historisch derart daneben, dass man darüber nur noch den Kopf schütteln kann. Sie behaupten, es handele sich um eine Grippe und nicht um ein Virus, das eine Pandemie ausgelöst habe, auch wenn die Zahl der Infizierten und der Toten eine klare und andere Sprache sprechen. Frechheit siegt, könnte man den Volksmund zitieren. Denn es ist frech, wie sie auftreten. Sie verhöhnen wirklich historische Opfer wie Anne Frank und Sophie Scholl, wenn sie sich mit den von den Nazis umgebrachten Gegnern dieser schlimmen Diktatur vergleichen. Und sie offenbaren, dass sie von Geschichte und Diktatur keine Ahnung haben, wenn sie heute von einer drohenden Diktatur schwadronieren. Diese Republik mag Fehler haben, Schwächen, aber sie ist die beste, die wir je hatten.
Eines muss gesagt werden: Es fällt auf, dass sie keine Massenbewegung sind, noch nicht, aber es sind doch einige Tausend, die da auf die Straßen und Plätze gehen, die die Provokation suchen, aber sicher sind auch jene darunter, die Angst haben vor der Zukunft, in Sorge sind um ihre Existenz, weil der leichte Lockdown ihnen den Verdienst nimmt oder minimiert, den sie zum Leben brauchen. Man darf sie nicht unterschätzen, aber es ist auch falsch, sie ohne Not größer zu machen, als sie sind. Die Gesellschaft ist in dieser Frage nicht gespalten, über 80 vh stehen hinter der Politik der Bundesregierung und unterstützen die Maßnahmen, die das Leben einschränken, damit das Virus sich nicht weiter ausbreitet, damit die Krankenhäuser nicht überfüllt werden mit Patienten. NRW-Ministerpräsident Armin Laschet liegt falsch mit seiner Aussage im Welt-Interview, indem er von der Spaltung der Gesellschaft redet.Die Gegner sind klar in der Minderheit.
Es gibt ein Grundrecht auf Demonstration, was aber nicht bedeutet, dass die Veranstalter keine Auflagen hätten, Regeln, an die zu halten sie geboten sind. Aber das ist nicht ihr Thema, absichtlich kalkulieren sie Teilnehmer-Zahlen als zu niedrig, damit kommt es fast automatisch zu dieser Enge, die ja auch wirkt, wenn das Fernsehen überträgt. Bilder sind oft besser als Worte, wenngleich sie Falsches zeigen. Da ist die junge Frau, die ein Holzkreuz wie eine Waffe schwingt. Man fragt sich angesichts dieses Bildes nach dem Sinn dieses Protestes. Man hört, wie eine Jana aus Kassel sich mit Sophie Scholl vergleicht, jener Studentin der Widerstands-Gruppe „Weiße Rose“, die von den Nazis zusammen mit ihrem Bruder Hans Scholl hingerichtet wurde. Das war 1943, nach Stalingrad. Sind denn alle verrückt geworden, dass sie so etwas von sich geben. Da sind die Eltern einer 11jährigen, die ihren Geburtstag nicht so feiern durfte, wie sie wollte, und die ihr einreden, sie sei so arm wie Anne Frank. Hat denn keiner das Buch des Mädchens gelesen? Darf man trotzdem die Frage an einige Demonstranten richten: Wo bleibt da die Vernunft? Merken die Leute nicht, wie sie missbraucht werden?
Sie hassen das System
Berechtigte Sorgen sind das eine, um die man sich kümmern, die der Staat ernstnehmen muss, damit er die betreffenden Menschen nicht an die Provokateure verliert, denen es ja nicht um Corona geht, darum, wie man die Pandemie, die sie leugnen, bekämpft. Sie hassen das System und wollen es am liebsten abschaffen. Ihnen entgegenzutreten ist die Aufgabe der Politik und der Polizei, die für unsere Sicherheit zu sorgen hat. Es ist dabei überhaupt nicht zu bestreiten, dass Grundrechte einzuschränken keine Kleinigkeit sind. Dass es unser aller Aufgabe ist, diese Einschränkungen, die nur auf Zeit sein dürfen, auch nach einer festgelegten Dauer wieder außer Kraft gesetzt werden müssen. Und dass um ein Gesetz wie das Infektionsschutzgesetz im Bundestag gestritten und gerungen werden muss, steht außer Frage. Auch die Kritik an dem Eilverfahren, mit dem das Vorhaben durch das Parlament, durch den Bundesrat und schließlich mit der Unterschrift des Bundespräsidenten Gesetzeskraft erhielt, ist berechtigt. Nur sollten die, die gar kein Interesse haben an einem parlamentarisch-demokratischen Diskurs, sondern nur deren Zerstörung im Sinn haben, sich nicht als Wortführer im Hohen Haus darstellen.
Ich sage bewusst das „Hohe Haus“, weil das Parlament nun mal der Ort der politischen Auseinandersetzung ist, die von unseren Volksvertretern geführt wird. Dass ausgerechnet in diese für mich heiligen Hallen AfD-Abgeordnete bewusst Anhänger einschleusen, damit sie Abgeordnete demokratischer Parteien belästigen und beschimpfen, ist ein Affront, ein Angriff auf die Demokratie. Dass Herr Gauland sich anschließend entschuldigt, nehme ich ihm nicht ab. Die Provokation war gewollt wie der Angriff von Demonstranten vor einigen Wochen auf den Reichstag gewollt war und nur einige bewaffnete Polizisten diese Störenfriede daran hinderten, in das Gebäude einzudringen.Das Bild hätten sie gern gehabt, Eindringen ins Parlament. Von Herrn Gauland stammt der verbale Fehlgriff mit dem Vogelschiss, mit dem er die 12 Jahre der braunen Diktatur in der ach so ruhmreichen deutschen Geschichte abtun wollte. Als wären sechs Millionen tote Juden nichts, als wären mindestens 55 Millionen Tote des 2. Weltkriegs, den diese Nazis angezettelt hatten, nichts. Und wie war das mit dem Ermächtigungsgesetz, das von einem AfDler bewusst falsch benutzt wurde oder hat er wirklich keine Ahnung von der deutschen Geschichte? Ich habe den Aufstand der SPD vermisst an jenem Tag. Zur Erinnerung: Es war im März 1933, als die SPD als einzige Partei geschlossen das Gesetz ablehnte, das Adolf Hitler alle Macht erteilte, um Gegner und Parteien zu verbieten und auszuschalten. Otto Wels begründete das Nein der SPD zu diesem üblen Gesetz mit den Worten: „Freiheit und Leben kann man uns nehmen, unsere Ehre nicht.“ Noch einmal Gauland. Er hatte vor Jahr und Tag seinen Parteifreund Höcke in Schutz genommen, als der das Holocaust-Mahnmal eine Schande genannt hatte. Nein, dieser Politiker, der früher bei der hessischen CDU zu Hause war, ist ein Biedermann, der sich längst als Brandstifter entpuppt hat.
In der SZ wurde im Zusammenhang mit den Anti-Corona-Protesten auf das Recht des zivilen Ungehorsams hingewiesen. Diese Debatte gab es schon in den 60er Jahren, sie erlebte in der Bundesrepublik eine gewisse Hochzeit, als Zehntausende gegen den Nato-Doppelbeschluss auf die Straße gingen, um die Installierung atomar bestückter Raketen vom Typ Persing II und Cruise Missile in Deutschland zu verhindern. Sie sollten eine Antwort sein auf die sowjetischen SS-20-Raketen, die auf westdeutsche Städte gerichtet waren. Es war die Zeit der Friedensbewegung. In Bonn fand die größte Demo mit über 350000 Menschen statt, in Mutlangen setzten sich Demonstranten vor eine Kaserne und blockierten die Zufahrt. War das rechtens? Wurde damit das Gewaltmonopol des Staates in Zweifel gezogen?
Härteste Weihnachten? Und 1945?
Es ist ratsam, in der augenblicklichen Debatte die Dinge beim Namen zu nennen. Wer gegen die Regeln verstößt, gefährdet andere Menschen. Die Regeln, das sind die Masken für Mund und Nase, das ist der Abstand von 1,5 bis 2 Metern, um sein Gegenüber nicht anzustecken, das ist die Vermeidung eines jeglichen Kontakts und deshalb der Verzicht auf größere Veranstaltungen, keine Zuschauer beim Fußball, Theater und Kinos sind zu wie auch Restaurants und Kneipen. Es ist ja keine Legende, sondern wissenschaftlich bewiesen, dass es das Virus gibt und dass es lebensdrohlich ist, weil hochansteckend. Wer also bewusst die verordneten Hygieneauflagen ignoriert, stellt eine große Gefahr für andere Menschen dar und verstößt gegen deren Recht auf körperliche Unversehrtheit. Er muss mit Strafen rechnen. Diese Demonstranten leben in einer anderen Wirklichkeit, weil sie für sich das Recht in Anspruch nehmen, gegen Ordnungshüter, Feuerwehr, Sanitäter und andere Rettungsdienste nicht nur zu pöbeln, sie zu beleidigen, sie greifen sie auch körperlich an. Sie versuchen, das System zu untergraben, das Gewaltmonopol des Staates wird von ihnen negiert, staatliche Organe sollen lächerlich gemacht werden. Der Landsbischof der evangelischen Kirche in Bayern, Heinrich Bedford-Strohm, warb zwar bei der Herbsttagung der Landessynode für einen fairen und konstruktiven Umgang mit unerschiedlichen Meinungen zum Thema Corona, grenzte sich aber von den Leugnern der Pandemie ab: die schlichte Leugnung der Gefahren des Virus sei unverantworlich. Wer die Corona-Bekämpfung systematisch sabotiere, riskiere das Leben vieler Menschen. Wer andere in Gefahr bringe, könne sich nicht auf das christliche Freiheitsverständnis berufen , denn dieses verlange, gerade auf die Schwachen Rücksicht zu nehmen. Wörtlich sagte er:“Verantwortungslosigkeit wird dadurch nicht besser, wenn sie im Gestus des Protestes daherkommt“. Und mit Blick auf Extremisten betonte der Bischof:“ Für rechtsextremes Gedankengut ist kein Platz in der Kirche.“ Das gelte auch für Utopien von links. „Menschenwürde fragt nicht, ob sie von rechts oder links verletzt wird.“
Der Impfstoff ist wohl in Sicht, gleichwohl ist weiter Geduld gefragt, Ruhe und Besonnenheit, wie sie von der Kanzlerin Angela Merkel, aber auch von ihrem Vize, Bundesfinanzminister Olaf Scholz ausgestrahlt wird. Schritt für Schritt führt uns diese Politik der ruhigen Hand durch die Pandemie. Wir werden noch eine Zeit mit Einschränkungen leben, das Weihnachtsfest vielleicht in kleiner Runde feien müssen, an Silvester fällt zumindest die große Böllerei aus. Aber es ist nicht die Katastrophe, die unser Land heimsucht, es ist nicht das härteste Weihnachten, das die Nachkriegsgenerationen je erlebt haben(Armin Laschet in der Welt). Wir sollten die Jahre 1945 und folgende nicht vergessen. Damals lag Deutschland am Boden, moralisch wegen der Nazi-Herrschaft, an der viele, zu viele mitgewirkt hatten, aber es dann nicht wahrhaben wollten, welche Verbrechen in diesen zwölf Jahren begangen wurden. Deutschland lag am Boden, weil vieles zerstört war, Städte und Dörfer glichen Trümmerhaufen, es gab wenig zu essen, kaum Wohnungen, keine Heizung, keine Jobs, den Tannenbaum holte mein Vater mit meinem größeren Bruder aus dem benachbarten Wald. Ob es Geschenke gab, ich weiß es nicht. Jedenfalls haben wir nicht gefroren, der Kohleofen sorgte für Wärme.
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