Was als Befreiungsschlag geplant war, entpuppt sich als Weg in die politische Sackgasse. Nach den katalanischen Regionalwahlen vom 21.Dezember, die den Separatisten keine Niederlage, sondern eine Mehrheit brachten, ist guter Rat teuer: Über zwei Millionen Katalanen haben bei diesem spektakulären Urnengang gezeigt, dass sie an ihrem Traum von der Unabhängigkeit festhalten wollen. Umgekehrt muss die Madrider Zentralregierung feststellen, dass die spalterische Leidenschaft Kataloniens weder durch demokratische Wahlen noch durch gutes Zureden besänftigt werden kann.
Längst geht es bei diesem historischen Streit um den Kampf zwischen zwei Kulturen, die sich fremd geworden sind, um die „ Geschichte eines historischen Schmerzes und ihre Befreiung davon“, wie der Publizist Ulrich Ladurner formulierte. Nicht Vernunft leitet die katalanischen Separatisten, sondern eine leidenschaftliche Passion. Erneut wurde demonstriert, dass sich überzeugte Separatisten weder in Katalonien, noch in Schottland, Flandern, Südtirol oder anderswo in ihrer historischen Imaginationskraft beeindrucken lassen: Sie ignorieren alle Warnungen vor den verderblichen Folgen einer Abspaltung, verschanzen sich beharrlich in ihren Echoräumen und konzentrieren sich auf das , was der kommunistische Philosoph Antonio Gramsci die „ kulturelle Hegemonie“ nannte- den beharrlichen Kampf für die Eroberung der Macht in einem Staat, der in böser Geschichtsklitterung entweder als faschistisches Monster oder als Handlanger fremder Unterdrückung diffamiert worden ist.
Zeichen des Aufruhrs begriffen
Es wäre falsch, wenn die Regierung in Madrid und alle verfassungstreuen Parteien vor dieser ethnisch geprägten Revolution jetzt hilflos verharren. Spaniens Regierungschef Mariano Rajoy und seine parteipolitischen Mistreiter haben zwar eine schlimme Niederlage eingefahren, weil sie das ekstatische Erlebnis dieser Regionalwahlen bereits seit Jahren unterschätzten und kein Rezept fanden, wie die zügellose Empathie der Katalanen zu bändigen war. Umgekehrt spricht aber der überraschende Erfolg der Wirtschaftspartei Ciudadanos dafür, dass die gemäßigte Wählerschaft Kataloniens die Zeichen des separatistischen Aufruhrs begriffen hat.
Die angeblich vorhandene, oft gegen die Separatisten deklarierte „ stille Mehrheit“ bleibt zwar Fiktion, weil nur 43% der Wahlberechtigten für das prospanische Lager stimmten. Aber die erstarkte liberale Partei unter ihrer eloquenten und streitbaren Chefin Ines Arrimadas hat eindrucksvoll bewiesen, dass man mit entschiedener Haltung separatistischen Traumtänzern durchaus die Stirn bieten kann.
Zunächst ist in Spanien ein kluger Moderator und Vermittler gefragt. Wieder liegt es am spanischen König Felipe, ob in den nächsten Wochen ein juristisches Verfahren eingeleitet wird , in dem sich die Politiker nicht wie Duellanten gegenüber stehen , sondern nach gemeinsamen und friedlichen Lösungen suchen. Dazu gehört die Verkündigung einer allgemeinen Amnestie, um die inhaftierten und ins Exil vertriebenen Politiker zurück an den Verhandlungstisch zu rufen. Das Gebot, dass man künftig die spanische Verfassung respektiert, wäre erste Voraussetzung dafür. Hier könnte Spaniens König als das Oberhaupt „ aller Spanier“ eine wichtige Rolle spielen. Aber auch der Oberste Senat und das spanische Gesamtparlament sind gefragt. In einer Zeit, da es mehr denn je um Spaniens Ehre und die oft bemühte Frage der „ spanischen Nation“ geht, müsste die Einleitung einer gründlichen Verfassungsreform durchaus möglich sein. Am Ende könnte endlich eine Autonomie stehen, mit der auch andere Regionen des Landes friedlich leben können.
Bildquelle: pixabay, User lecreusois, CC0 Creative Commons