In der Endphase des Zweiten Weltkriegs hatten die alliierten Streitkräfte nicht nur militärische Ziele. Sie machten sich mit der Hilfe von Spezialisten auch auf die Suche nach Kunstwerken, die von den Deutschen in ganz Europa geraubt und in Depots wie alten Bergwerksstollen und Salzminen ebenso wie in Klöstern, Schlössern und Landsitzen eingelagert waren. Auch zahlreiche deutsche Museen und Archive hatten ihre Bestände an Orte gebracht, wo sie vermeintlich vor den alliierten Bombenangriffen in Sicherheit waren. Auf sowjetischer Seite war die Suche nach Kunstschätzen mit der Absicht von Entschädigung und Reparationen verbunden, während die westlichen Verbündeten an Identifizierung und Rückgabe dachten. Das Aufspüren derartiger Depots war denn auch eine der Aufgaben der amerikanischen und britischen „Monuments Men“, die durch den gleichnamigen Hollywoodfilm von George Clooney aus dem Jahr 2014, der auf wahren Tatsachen beruht, einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurden. Diese Männer waren eigens für das Militär rekrutierte Fachleute wie Archäologen, Architekten, Archivare, Bibliothekare, Kunsthistoriker oder auch freie Künstler. Eine weitere Aufgabe dieser die vorrückenden Truppen begleitenden Spezialisten (heute spräche man von „embedded experts“) war von Anfang an nicht nur die Suche nach Raubkunst, sondern auch die Rettung beziehungsweise Erhaltung historischer Gebäude, seien es Kirchen, Rathäuser, Denkmäler oder Museen. Das Aufspüren von Gemälden und Skulpturen berühmter Künstler beziehungsweise die Klärung ihrer Provenienz hat bis heute nichts an Faszination oder Interesse eingebüßt, im Gegenteil, aber die damaligen Rettungsmaßnahmen für die von den Bomben beschädigten oder zerstörten Monumente in den deutschen Städten sind weitgehend in Vergessenheit geraten.
Jenseits aller feindlichen Einstellungen und Handlungen gab es auf deutscher wie auf amerikanischer und britischer Seite ein Bewusstsein für den Wert und die Bedeutung des kulturellen Erbes auch im Land des jeweiligen Kriegsgegners. Schon in den beiden Weltkriegen hatte der Kulturgutschutz einen eigenen Stellenwert, basierend nicht zuletzt auf der Haager Landkriegsordnung von 1907. Der Provinzialkonservator der preußischen Rheinprovinz, Paul Clemen, war im Ersten Weltkrieg in Belgien, Frankreich und auf dem Balkan als Kunstschutzoffizier im Einsatz und veröffentlichte 1919 einen zweibändigen „Bericht über den Zustand der Kunstdenkmäler auf den verschiedenen Kriegsschauplätzen und über die deutschen und österreichischen Maßnahmen zu ihrer Erhaltung, Rettung, Erforschung.“ Sein Nachfolger Franz Graf Wolff Metternich stemmte sich als Beauftragter des Oberkommandos des Heeres für den Kunstschutz in den besetzten Gebieten Frankreichs gegen die Beutezüge Görings und Hitlers und verlor deshalb seinen Posten in Paris. Die Kunstschützer auf der anglo-amerikanischen Seite hatten einen Befehl des Oberkommandierenden der alliierten Streitkräfte General Eisenhower vom Mai 1944 im Gepäck, der es wert ist, zitiert zu werden: „1. Shortly we will be fighting our way across the continent of Europe in battles designed to preserve our civilization. Inevitably, in the path of our advance will be found historical monuments and cultural centers which symbolize to the world all that we are fighting to preserve. 2. It is the responsibility of every commander to protect these symbols whenever possible.” In vielen Fällen seien Beschädigungen und Zerstörungen nicht notwendig und nicht zu rechtfertigen. Die Befehlshaber hätten deshalb für eine entsprechende Zurückhaltung und Disziplin ihrer kämpfenden Truppen zu sorgen. Sowohl beim Vormarsch und dann in den besetzten Gebieten stünden Ihnen besondere Experten zur Seite – die Monuments Men.
Ungeachtet des tatsächlichen Gewichts dieses Befehls und der Erforderlichkeit des Bombenkriegs gab es auf beiden Seiten also eine gemeinsame Überzeugung von der Notwendigkeit, die nicht kriegswichtigen Kulturgüter so weit wie möglich zu schützen und zu retten, wenn sie beschädigt worden waren. Mit dem Fortschreiten der Front von West nach Ost und dem Ende der Kämpfe um einzelne Städte und Regionen leiteten sowohl die amerikanischen wie die britischen Streitkräfte erste Hilfsmaßnahmen ein, beginnend noch im Winter 1944, als etwa der Aachener Dom zumindest notdürftig so gesichert wurde, dass ihm Wind und Wetter nicht weiter zusetzen und die durch Bomben verursachten Schäden verschlimmern konnten. In Köln waren es ebenfalls die Amerikaner, die nach der Einnahme der Stadt am 6. März 1945 erste Hilfe leisteten, bevor die Briten die Besatzung übernahmen und weitere Maßnahmen ergriffen. Während im Rheinland schon mit der Rettung von wichtigen Gebäuden und deren Beständen begonnen werden konnte, zogen in Westfalen allerdings noch schwere Luftangriffe manche Städte stark in Mitleidenschaft, etwa Paderborn, das die heftigsten Angriffe erst Ende März 1945 erlebte.
Die britischen Kunstschützer wurden nach dem Ende der Kämpfe als „Fine Arts Officers“ Teil der Militärregierung in ihrer Zone und damit die Vorgesetzten und entscheidenden Ansprechpartner für die allmählich wieder entstehende deutsche Denkmalpflege. Sie machten als erstes eine Bestandsaufnahme der Schäden in den wichtigsten Städten ihrer Besatzungszone und schufen damit die Voraussetzungen für den Neubeginn. Allen deutschen Bemühungen um eine Sicherung und den Wiederaufbau der historischen Monumente, so später rückblickend Wolff Metternich „wäre der Erfolg versagt geblieben, wenn nicht die Kunstschutzorganisation der Besatzungsmächte, zuerst der amerikanischen und dann der britischen, tatkräftig eingegriffen hätte.“ Für diese Wiederaufbauarbeit blieben einige der Kunstschutzoffiziere sogar mehrere Jahre in Deutschland. Nach der Beendigung ihrer Tätigkeit machten sie in ihren Heimatländern oftmals beachtliche Karrieren in der Wissenschafts-, Kunst- oder Museumswelt. Ihre Verdienste sind leider in der deutschen Öffentlichkeit nie angemessen gewürdigt worden. Dies mag daran gelegen haben, dass anfangs nicht jeder ehemalige Kriegsgegner bereit war, ihre Leistungen anzuerkennen. Wolff Metternichs Einschätzung ist da eine rühmliche Ausnahme. Auch der von den Amerikanern nach dem Krieg als Kölner Oberbürgermeister eingesetzte Konrad Adenauer brachte der Arbeit der britischen Kunstschützer nicht immer nur Verständnis entgegen. Als ihm zum Beispiel in einer Besprechung im Juli 1945 die vorübergehende Unterstellung und Kontrolle aller städtischen Kunstsammlungen unter die Denkmalbehörde der Regierung der Nord-Rheinprovinz in Düsseldorf mitgeteilt wurde, kommentierte er dies gegenüber seinem britischen Gesprächspartner mit der Bemerkung, das sei die Art von Entscheidungen, wie sie die Nazis getroffen hätten. Kein Wunder, dass ihn die Briten im Oktober 1945 aus dem Amt des Oberbürgermeisters entließen. Die britischen Kunstexperten kannten sich zum Teil seit ihrer Zeit vor dem Krieg an den Universitäten und Kultureinrichtungen in Oxford, Cambridge oder London. Ihr Können und ihr Einsatz am Ende des Krieges und zu einer Zeit, zu der auf deutscher Seite die kommunalen und überörtlichen Verwaltungsstrukturen erst schrittweise wieder aufgebaut werden mussten, kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Unbestreitbar haben die Fine Arts Officers dem Erhalt von Kunst und Kultur in Deutschland einen großen Dienst erwiesen. So bedauerlich es ist, dass zumindest im öffentlichen Bewusstsein kaum etwas von ihrem Engagement im zerstörten Nachkriegsdeutschland zurückgeblieben ist, so klar ist auch, dass ohne sie viele unserer Baudenkmäler, Archive, Bibliotheken und Museen nicht wieder in den Zustand hätten versetzt werden können, den sie heute haben. 75 Jahre nach der Gründung des Landes Nordrhein-Westfalen ist es an der Zeit, auch an diesen Aspekt seiner Vorgeschichte zu erinnern. Die Monuments Men waren „ungewöhnliche Helden“, so der Untertitel des Films von George Clooney, – vergessene Helden sollten sie aber nicht sein.
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