Wladimir Putin, Russlands Präsident oder besser Diktator, führt Krieg gegen die Ukraine, gegen die dort lebenden Menschen. Seit nunmehr 15 Tagen. Es ist ein Angriffskrieg. Wer einen Krieg beginnt, wird spätestens dann zum Mörder. Denn Krieg führt zum Tod von Menschen. Wie in der Ukraine. Darf man Putin einen Mörder nennen? Ich meine ja. Er ist ein Kriegsverbrecher, weil er das Nachbarland Ukraine überfallen hat. Weil russische Bomben eingeschlagen sind in eine Geburtsklinik, weil Schulen und Kinderkrankenhäuser getroffen wurden wie in der Stadt Mariupol, „schreitet die Entnazifizierung der Ukraine voran“, lese ich in einer ergreifenden Geschichte im Feuilleton der SZ. Die Entnazifizierung der Ukraine durch die Armee der russischen Föderation, Bomben gegen „Kinder, gegen Ungeborene, die jüngste Generation der Ukrainerinnen und Ukrainer, damit diese Neonazis und Drogensüchtigen erst gar nicht werden können“. Ein präventiver Schlag quasi, um es in der Sprache der russischen Aggressoren, in der Sprache Putins und Lawrows auszudrücken. Es klingt menschenverachtend, das Vorgehen der Russen, die Sprache Putins und Lawrows ist menschenverachtend.
„Schau zu, Welt“, fordert in der „Süddeutschen Zeitung “ die oben zitierte Autorin Oxana Matiychuk in ihrem „Ukrainischen Tagebuch“. Der ältere Leser erinnert sich an ähnliche Worte des Berliner Bürgermeisters Ernst Reuter damals, am 9. September 1948, als die Russen über Westberlin eine Blockade verhängt hatten, um den Westteil der Stadt abzuschnüren, Millionen Menschen frieren und hungern zu lassen, damit sie am Ende aufgeben würden. „Ihr Völker der Welt, ihr Völker in Amerika, in England. in Frankreich, in Italien! Schaut auf diese Stadt“, rief Reuter den Menschen in der Welt zu. „Und erkennt, dass ihr diese Stadt und dieses Volk nicht preisgeben dürft und nicht preisgeben könnt!“ Eine herzzerreissende Rede vor 300000 Berlinerinnen und Berlinern vor dem zerstörten Reichstagsgebäude. Man gab nicht auf, Berlin überlebte, die Freiheit siegte. „Schau zu, Welt“, heißt der Ruf aus dem ukrainischen Freiheitskampf heute. Die Ukraine kämpft gegen die Weltmacht Russland, sie kämpft ums Überleben, sie will sich nicht aufgeben.
Verwüstete Wohnviertel
Putin will die Ukraine unterwerfen. Und so sehen wir Bilder, die uns täglich durch das Fernsehen ins Wohnzimmer geliefert werden, Bilder von der Zerstörung von Häusern, von verwüsteten Wohnvierteln, wir sehen all das Leid, das dieser Krieg den Menschen in der Ukraine bringt, den sinnlosen Tod. Weil Putin seinen Traum vom alten, untergegangenen Sowjetreich wiederbeleben will und deshalb die Ukraine überfällt. Rücksichtslos. Und womit kaum einer gerechnet hatte: die kleine Ukraine setzt sich zur Wehr mit allem, was sie hat. Der Westen liefert einige Waffen dazu, unterstützt das Land mit Geld und guten Worten, letzteres meine ich nicht negativ.
Putin, der Kriegsverbrecher. Und doch müssen wir, wenn sich eine Gelegenheit bietet, mit ihm und seinem außenpolitischen Handlanger verhandeln. Ob es Sinn macht? Wer weiß das schon! Und doch muss auch einer wie Gerhard Schröder, der zu Recht viel Kritik und Häme einstecken musste in den letzten Wochen wegen seiner Freundschaft mit Putin und seinen hochbezahlten Geschäftsbeziehungen mit russischen Firmen, versuchen dürfen, vielleicht in diesem Krieg zu vermitteln. Ein deutscher Altkanzler, mehr als umstritten, ein Freund des Kreml-Diktators, ein Sozialdemokrat, der sich mal einem mächtigen US-Präsidenten widersetzte, weil der Krieg gegen den Irak führen wollte und führte, der aber bisher bei Putins Krieg merkwürdig geschwiegen hat. Wer weiß, ob Schröder was ausrichten kann? Man möchte es hoffen, damit endlich die Waffen schweigen würden. Schröder habe Zugang zu Putin, vielleicht genießt er das Vertrauen des Autokraten, wenn es so etwas noch gibt in Putins Welt.
Man liest und hört, dass die vom Westen verhängten Sanktionen ihre Wirkungen auf Russland und die Wirtschaft und die Menschen entfalteten, Wirkung zeigten. Mancher sogenannter Wirtschafts-Experte glaubt schon das größte Land der Welt am Rande der Pleite. Dass die einfachen Russen unter den Einschränkungen leiden, glaube ich sofort. Die Reichen haben ihre eigenen Kanäle, auch wenn das eine oder andere Konto auf Banken in der Schweiz oder anderswo gesperrt sein sollte, auch wenn die eine oder andere Luxusyacht der Oligarchen den Besitzern vorerst entzogen wurde. Sie klagen auf höchstem Niveau. Sie sind im übrigen Teil des Putinschen Systems.
Ein Zyniker wie Lawrow
Wer einem Zyniker wie Lawrow zuhört, muss einstecken können oder schlechte Ohren haben. „Wir haben die Ukraine nicht überfallen“, wiederholt er Sätze Putins aus den ersten Tagen nach Kriegsbeginn. Vielmehr sei Russland durch die Ukraine militärisch bedroht gewesen. Wer will,mag lachen oder weinen oder wütend werden. Kiew habe mit amerikanischer Hilfe biologische und chemische Waffen versucht zu produzieren, heftige Anklagen des Russen, ohne den Ansatz eines Beweises zu liefern. Kaltschnäuzig das Gerede von der Spezialoperation, die planmäßig verlaufe, hörte man den Außenminister- trotz aller Schwierigkeiten, in denen die russische Armee mit ihren Panzern ganz offensichtlich steckt. Weil nicht sorgfältig geplant wurde, fehlt halt hier Sprit und dort Nahrung und manches Getränk. Man kommt nicht so voran, wie man das sich erträumt hatte, weil der Gegner sich wehrt. Und Lawrows Gegenüber, Kuleba, hält dagegen, dass sein Land sich nicht ergeben werde, niemals.
Man bekommt während dieses ukrainischen Kampfes um die Souveränität des Landes, um auch unsere Freiheiten, mit, wie ein gelernter Schauspieler zum Helden einer Nation wird: Wolodimir Selenskij, der sich von Putin und Co als Neonazi beschimpfen lassen musste, dabei ist er ein Jude, sein Großvater kämpfte damals in der Roten Armee gegen Hitlers Wehrmacht und SS. Aber Geschichte ist ein Kapitel für sich in Putins Denke. Vielleicht, weil Selenskij anders als er selber immerhin von 73 vh der Ukrainer zum Staatspräsidenten gewählt wurde 2019. Aber solcherlei Wahlen werden einem wie Putin eher ein Dorn im Auge sein. Ein Diktator wie er hat lieber alles unter Kontrolle. Eine freiheitliche Gesellschaft ist nicht in seinem Sinn, die bekämpft er und wenn sie ihm zu nahe kommt wie in Kiew, will er sie vernichten. Der alte Mann des KGB.
Nie wieder darf das passieren
Ja, das Nie-wieder hört man. Es sind Zeiten, in denen man sich erinnert. Gerade ist wieder mal eine Zeitzeugin des Nazi-Regimes gestorben, Inge Deutschkron, eine deutsch-israelische Journalistin und Autorin. Sie wurde 99 Jahre alt. Um dem Holocaust zu entgehen, lebte sie illegal in Berlin, wurde unterstützt und versteckt. Nach dem Krieg arbeitete sie als Journalistin in Deutschland, berichtete u.a. über den Auschwitz-Prozess 1963, wegen des wachsenden Antisemitismus zog sie 1972 nach Tel Aviv. Ihr Buch „Ich trug den gelben Stern“ machte sie weltbekannt. 2013 hielt sie im Bundestag die Rede anläßlich der Gedenkstunde an die Opfer des Nationalsozialismus. Mehrfach lehnte sie das Bundesverdienstkreuz ab, weil es “ zuviele alte Nazis erhalten hätten.“ Eine Frau mit Haltung.
Nie wieder darf das passieren, nie wieder Auschwitz, nie wieder die Freiheit aufs Spiel setzen. Man kann auch sagen: Ja zur Demokratie, wie das Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier immer wieder gefordert hat: Demokratie braucht Demokraten, die sie verteidigen. Was dann auch heißt mit Blick auf die Ukraine: Was ist uns die Freiheit wert? Welchen Preis sind wir bereit, dafür zu bezahlen? Etwas frieren, um auf russisches Gas zu verzichten, weniger Auto fahren oder langsam fahren, um Sprit zu sparen, auf den Flug in den Urlaub verzichten, etwas Geld zu spenden für Ukrainer, für Geflüchtete. Immerhin sind schon fast 100000 ukrainische Flüchtlinge in Deutschland. Rund 2,5 Millionen Ukrainer sind auf der Flucht vor Putins Panzern.
Die Ukraine könnte Putins Afghanistan werden. Sein Angriffskrieg ist ins Stocken geraten. Wie immer in Kriegen werden Lügen verbreitet, die eigenen Verluste verschwiegen oder gering gehalten. Die Rede ist von Tausenden toten russischen Soldaten. Wer weiß, was in den Städten passiert? Häuser- und eine Art Guerillakrieg? Der Überfall auf die Ukraine hat den Westen geeint, wie noch nie. Russland ist weltweit isoliert, die wenigen Freunde wie Belarus, Syriens Assad oder Nordkorea möchte man nicht mit ihm teilen. Putin selber ist als Kriegsverbrecher gebrandmarkt, gleich ob er eines Tages vor ein Kriegsgericht kommt oder diesem entgeht. Er ist ein Geächteter und wird es bleiben.
Selenskij ist nicht nur „gelernter Schauspieler“, sondern absolvierte ein Diplomstudium der Rechtswissenschaft am Institut der Nationalen Wadym-Hetman-Wirtschaftsuniversität in Kiew.