Die jahrzehntelang gültige Formel „Wandel durch Handel“ gilt seit dem Überfall der Ukraine durch Russland nicht mehr. 2014 gab der Kreml-Herrscher Putin den Befehl, mit militärischen Mitteln die Krim zurück ins russische Reich zu holen, im Februar 2022 blies er zum kriegerischen Angriff auf das friedliche Nachbarvolk der Ukraine.
Inzwischen sind viele tausend Soldaten auf beiden Seiten gefallen, verletzt oder auch gefangen genommen worden. Außerdem sind einige Millionen Ukrainer vor dem russischen Angreifer geflohen – über 1 Million allein zu uns nach Deutschland. Krieg in Europa, die Verschiebung von Ländergrenzen mit Waffengewalt, die Verbreitung von Menschen aus ihrer Heimat – all das konnten sich die meisten Europäer nach dem Ende des Kalten Krieges, der Auflösung der Sowjetunion, dem Fall des Eisernen Vorhangs und der Wiedervereinigung Deutschlands nicht mehr vorstellen. Viele Staaten in Mitteleuropa errangen ihre Souveränität. Die Unverletzlichkeit ihrer Landesgrenzen, ihr Selbstbestimmungsrecht und ihre freie Entwicklung wurden ihnen vertraglich garantiert. Gorbatschow und Jelzin sowie zunächst auch Putin stimmten zu: Sie wollten ein friedliches Miteinander im „Europäischen Haus“ vom Pazifik bis zum Atlantik, um so bessere ökonomische und soziale Perspektiven für die Russen zu entwickeln. Putins Rede im Jahre 2001 im Deutschen Bundestag wurde mit starkem Beifall aufgenommen: Er machte damit Hoffnung auf bessere Zeiten, auf Friedensdividende, enge Kooperationen in allen Bereichen – von der Wirtschaft über die Forschung bis hin zur Kultur.
Kein Wirtschaftspartner für die Zukunft
Was sich in rund 3 Jahrzehnten so positiv auf unserem Kontinent entwickelte, hat Putin in den letzten Jahren mit seiner Kriegsmaschinerie zerstört. Deutsche Unternehmen sahen Russland als guten Wirtschaftspartner. Das Land verfügt über enorme Energiequellen in Sibirien, vor allem Öl und Gas, über Erze, Seltene Erden und andere Rohstoffe, die Deutschland ebenso wie andere westliche Staaten gern für ihre ökonomischen Entwicklungen importierten. Auf der anderen Seite sahen westliche Unternehmen die Chancen für Exporte von Maschinen, Anlagen, Fahrzeuge und viele andere Produkte auf dem großen russischen Markt. Da auch die Ausbildung und Qualifizierung russischer Arbeiter recht gut ist, gab es mehr und mehr Firmen aus dem Westen, die in Russland direkt investierten, Werkshallen und Produktionsanlagen errichteten, insbesondere auch mit russischen Unternehmen gemeinsame Aktivitäten entwickelten. Die jüngsten Sanktionen bremsen den Außenhandel und die Investitionen stark aus.
Das Wintershall-Desaster
Ein Paradebeispiel für diese deutsch-russische Kooperation war das Engagement der BASF-Tochter Wintershall bei dem größten russischen Gaskonzern Gazprom. Mitte Januar dieses Jahres verkündete der Chef von Wintershall, dass sich das Unternehmen aus allen Projekten in Russland zurückziehen wird. Er war lange Zeit überzeugt, dass die wirtschaftliche Zusammenarbeit das friedliche Miteinander fördern würde. Putins Krieg gegen die Ukraine hat das Vorhaben schlagartig zunichte gemacht. Der Vorstand von Wintershall erklärte vor kurzem: „Wir müssen der Realität ins Auge blicken: Russland ist unberechenbar geworden – in jeder Hinsicht. Russlands Krieg und seine Folgen entziehen den Wirtschaftsbeziehungen die Basis. Russland ist kein verlässlicher Partner mehr.“
Der Ausstieg von Wintershall aus dem Russlandgeschäft wird teuer; er wird Milliarden Euro ausmachen. Die Hauptlast muss dafür die „Mutter“ von Wintershall, die BASF, tragen – nämlich wohl fast 7,5 Milliarden Euro. Ein Teil des Schadens wird vom deutschen Steuerzahler zu übernehmen sein, denn einige Projekte der Wintershall in Russland wurden über Investitionsgarantien des Bundes abgesichert. Aus Russland konnte das deutsche Unternehmen schon seit dem Februar 2022 kein Geld mehr herausbringen: 2 Milliarden Euro an liquiden Mitteln sind einfach weg, so stellte es Mario Mehren, der Chef von Wintershall jüngst fest und fügte hinzu: „Putin hat es sich einfach genommen.“ Für das deutsche Unternehmen endet die vor rund 30 Jahren begonnene Zusammenarbeit mit einem finanziellen Debakel, an dem auch noch der deutsche Steuerzahler beteiligt wird. Der Putin-Krieg gegen die Ukraine wird uns Deutschen noch viele weitere Kollateralschäden bescheren. Es gilt, aus Schaden klug zu werden und bei Geschäften mit anderen nicht-demokratischen Staaten zurückhaltend zu operieren.