Krieg ist eine furchtbare und grausame Folge politischen Versagens, die viele unschuldige Opfer trifft – immer!
Die Behauptung, es gebe „saubere“ Kriege, die „nur“ militärische Ziele angreifen, ist immer unwahr. Verletzung und Tod, Vergewaltigungen und Kindesentführungen, Vertreibung und Zerstörung, Angst, Kälte und Traumatisierung, Kriegsverbrechen, militärische und zivile, alte und junge Opfer – das ist die Realität des Krieges – immer!
Am Ende profitieren von Kriegen nur die, die Kriegswaffen verkaufen. Das gilt erst recht bei jahrelangen „Stellungs- und Erschöpfungskriegen“, bei denen es nicht gelingt, ein Kriegsende herbeizuführen.
Der Frieden ist bei Marktschreiern und Populisten, Kriegstreibern und den Anhängern des Primates der militärischen Logik in denkbar schlechten Händen. Wir dürfen den Frieden und die Friedensbewegung deshalb nicht den Extremisten überlassen und auch nicht den Populisten, die sich gleichzeitig links und rechts geben. Am Ende führen uns alle Extremisten aufs Schlachtfeld.
Die SPD ist seit ihrer Gründung vor 161 Jahren – bei allen historischen Irrungen und Wirrungen immer eine Friedenspartei gewesen, die Diktatur und Krieg die Stirn geboten, Demokratie und Freiheit verteidigt, für internationale Gerechtigkeit und Solidarität gekämpft hat.
Die Friedensbewegung war immer Sammlungsbewegung mit unterschiedlichen Akteuren, wie zum Beispiel Gewerkschaften– sie war nie eine parteiliche Bewegung. Bei allen Unterschieden war es immer ein ehrenhaftes Unterfangen, für den Frieden auf die Straße zu gehen.
Die SPD war immer Teil der Friedensbewegung – das muss auch so bleiben! Ja, wir müssen an der Spitze der Friedensbewegung stehen, denn „Frieden ist nicht alles, aber ohne Frieden ist alles nichts.“ (Willy Brandt)
Deshalb rufen wir zur Teilnahme an der Friedensdemonstration am 3.10.2024 in Berlin auf und sind froh, dass es gelungen ist, vorab festzustellen, dass die Veranstalter dieser Demonstration die Teilnahme von Faschisten, Rassisten, Antisemiten und Anhängern gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit oder das Zeigen ihrer Symbole, Parolen und Fahnen nicht dulden werden.
In Unterscheidung zu anderen Demonstrationsaufrufen erklären wir:
- Wir verurteilen den kriegerischen Überfall Russlands auf die Ukraine vom 24.02.2022 und den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg, der seit über zwei Jahren unermessliches Leid, Tod, Zerstörung und Vertreibung angerichtet und auch ein ökologisches Desaster verursacht hat.Der russische Angriffskrieg hinterlässt verbrannte Erde in der Ukraine, schadet auch der russischen Bevölkerung massiv und ist durch nichts zu rechtfertigen – durch nichts.
Die Ukraine muss sich gegen diesen Überfall verteidigen, verteidigen können und dürfen!
Dafür braucht und erhält sie internationale Unterstützung auch von Deutschland: Humanitär, ökonomisch, auch militärisch. Deutsche Luftabwehrtechnik schützt Wohngebiete, Kindergärten und Schulen, Krankenhäuser und Energieversorgung gegen russische Drohnen und Raketen und rettet mehr Leben als irgendeine andere Hilfe.
Gleichzeitig braucht es jetzt noch mehr intensive internationale diplomatische Anstrengungen, um die Chance für ein baldiges Ende des Krieges absehbar erreichen zu können, was die prioritäre militärische Logik (Putin militärisch an den Verhandlungstisch zu zwingen) offenkundig bislang nicht bewirkt hat. Dabei müssen auch Staaten einbezogen werden, deren Einfluss für solche diplomatischen Bemühungen genutzt werden kann.
Dabei geht es natürlich um einen Frieden, der die Souveränität der Ukraine wahrt und nicht Aggressoren wie Putin belohnt, Grenzen mit Gewalt verschieben zu wollen. Wer von der Ukraine militärische Wehrlosigkeit fordert, wer von der Ukraine Kompromisse verlangt, ohne auch von Putin-Russland Kompromisse zu verlangen, der nimmt Partei für den Aggressor und dient nicht einem gerechten Frieden.
Wer die Suche nach Frieden auf Wegen abseits des Schlachtfeldes geringschätzt, als Appeasement, angebliche Pro-Putin Haltung oder naiven Nationalpazifismus verhöhnt und diskreditiert, muss erklären, wie er diesen Krieg beenden will, ohne das Schlachtfeld mit unabsehbaren Folgen auszuweiten.
- Wir verurteilen den terroristischen Überfall unter Führung der radikal islamistischen Hamas auf Israel am Oktober 2023. Dieser völkerrechtswidrige grausame Terror kostete etwa 1200 Menschenleben und 239 Unschuldige wurden entführt, von denen einige in Gefangenschaft ermordet wurden. Viele Israelis, insbesondere die Familien der Geiseln, sind traumatisiert. Der Angriff ist durch nichts zu rechtfertigen – durch nichts!Israel muss sich gegen terroristische Angriffe verteidigen – verteidigen dürfen und können.
Gerade in Deutschland haben wir allen Grund festzustellen, dass die Sicherheit Israels gegen Terrorismus nicht verhandelbar ist. Antisemitismus darf niemals und nirgendwo geduldet werden!
Die Regierung Netanjahu führt seit dem Terrorangriff einen Krieg ohne jede Rücksicht auf die Zivilbevölkerung im Gazastreifen. Menschen hungern, flüchten in Zeltlager, die anschließend bombardiert werden. Die Zahl der Todesopfer wird mit ca. 40000 geschätzt und gleichzeitig eskaliert die Gewalt von radikalen Siedlern gegen die palästinensische Zivilbevölkerung – und das im Schutz des israelischen Militärs im Westjordanland. Menschen werden aus ihren Häusern vertrieben und umgebracht. Im Libanon hat die Verteidigungsstrategie Netanjahus mit den massenhaften Explosionen terroristische Züge angenommen. Diese Kritik an der Rechtsregierung darf nicht fälschlicherweise als antisemitisch diskreditiert werden.
Wir fordern die Hamas auf, alle israelischen Geiseln unverzüglich freizulassen! Wir unterstützen die Forderungen der israelischen Opposition, den Krieg zu beenden.
Wer die Suche nach Frieden auf Wegen abseits des Schlachtfeldes geringschätzt oder dem Primat der militärischen Logik unterordnet, muss erklären, wie er diesen Krieg beenden will, ohne ihn auszuweiten und das Pulverfass im Nahen Osten anzuzünden. Terroristische Gewalt muss verurteilt werden, egal von wem sie ausgeht und egal gegen wen sie sich richtet und wie sie begründet wird.
Wir sind überzeugt, dass ohne eine gerechte Zwei-Staaten-Lösung weitere Generationen im Hass gegeneinander aufwachsen werden.
Wir brauchen aber die Sicherheit Israels gegen Terrorismus und Antisemitismus UND Wohlstand, Selbstbestimmung und Humanität für das palästinensische Volk.
- Die Lehre aus unserer deutschen Geschichte gerade des Jahrhunderts, mit den schrecklichsten Verbrechen und Kriegen der Menschheitsgeschichte, mit der Wiederaufnahme Deutschlands in die Völkerfamilie, mit der ersten Generation, die in Frieden und Wohlstand aufwachsen durfte, ist:Wir treten für ein friedliches Europa ein, in dem wir unsere Verteidigungs- und Bündnisfähigkeit wahren und zugleich bei diplomatischen Anstrengungen, humanitärer Hilfe und friedenspolitischem Engagement mit gutem Beispiel vorangehen müssen!
Wir unterstützen den Vorschlag einer Weltfriedenskonferenz unter Moderation der Vereinten Nationen, zu der alle Regierungen eingeladen werden. Wir fordern die Rückkehr zu einer regelbasierten Weltordnung, auch wenn wir wissen, dass dies ein langer Weg ist. Wir kritisieren die einseitige Festlegung einer automatischen Stationierung neuer konventioneller (aber nuklear aufrüstbarer) bodengestützter amerikanischer Mittelstreckenraketen mit kürzesten Vorwarnzeiten in Deutschland. Dass dies ohne Einbindung der NATO-Partner erfolgte und die Stationierung nur in Deutschland vorgesehen ist, halten wir für besonders problematisch! Anders als beim NATO- Doppelbeschluss von 1979 von Helmut Schmidt gab es zudem leider kein Angebot zur Abrüstung an Russland, das Putin mit einer Abrüstungsdynamik in Zugzwang bringen könnte. Das wäre angesichts der Bedrohung durch russische Raketen in Kaliningrad wichtig, die ein Teil der russischen Hochrüstung sind.
Aber: Rüstungskontrollvereinbarungen und Abrüstungsverträge werden nicht unter Freunden in Harmoniezeiten geschlossen! Das Konzept einer „gemeinsamen Sicherheit“ hatte immer hohe Hürden zu überwinden.
Wer heute auf Aufrüstung und Wettrüsten setzt, verkennt, dass wir nicht einen Mangel an Waffen in der Welt haben. Wir brauchen unsere knappen Ressourcen, um Hunger, Armut, Umweltzerstörung, Kriege und Fluchtursachen zu bekämpfen und allen Menschen ein Leben in Würde und eine gesicherte Zukunft zu ermöglichen.
Genau das bedeuten die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen, genau das war immer die Politik von Willy Brandt und die Friedenspolitik der deutschen Sozialdemokratie. Für die Friedenspolitik heute heißt das: Der Einsatz für Menschenwürde und Frieden verlangt neben Augenmaß und Besonnenheit in der Außenpolitik deutlich mehr diplomatische Anstrengungen.
Es geht um Humanität! Nicht dem Krieg, sondern dem Frieden muss der Weg bereitet werden.
„Eine Alternative zum Krieg gibt es immer, eine Alternative zum Frieden nicht!“
(Wolfgang Schneiderhan, ehemaliger General und Generalinspekteur der Bundeswehr)
—
Wir unterstützen diesen Aufruf:
Dr. Ralf Stegner, MdB
Axel Schäfer, MdB
Dr. Wolfgang Thierse, Bundestagspräsident a.D.
Anke Brunn, Ministerin a.D.
Axel Fersen
Lothar Binding, Vorsitzende AG SPD 60 plus
Dr. Wolfgang Lieb, Staatssekretär a.D.
Christoph Habermann, Staatssekretär a.D.
Michael Müller, Vorsitzende NaturFreunde
Arno Gottschalk, Abg. Der Bürgerschaft Bremen
Friedhelm Hilgers
Hebert Sahlmann
Dr. Joachim Schuster, ehe. MdEP
Norbert Walter-Borjans, ehe. SPD Vorsitzende
Heike Engelhardt, MdB
Burkhard Zimmermann
AG SPD 60 plus
Erhard-Eppler-Kreis
… und andere
*
Mitglieder des Willy-Brandt-Kreises haben bei diesem Aufruf mitgewirkt. Ebenfalls DL21; sie unterstützt die Demonstration und hat bereits einen Aufruf beschlossen.
Ich freue mich sehr über diesen Aufruf, vielen Dank!
Allerdings kann ich die Behauptung, die SPD sei „immer eine Friedenspartei gewesen, die … Krieg die Stirn geboten“ hätte nicht mit dem NATO-Angriff auf die Bundesrepublik Jugoslawien am 24. März 1999 in Einklang bringen. Die SPD hat das damals gerechtfertigt und als Regierungspartei die Bundeswehr in diesen Krieg geschickt. War das richtig?
Ihr schreibt, der russische Überfall sei durch nichts zu rechtfertigen. Ich finde die russische Rechtfertigung nicht besser oder schlechter als die Eure damals, besonders wenn man berücksichtigt, dass der „Hufeisenplan“ eine Erfindung war. Eure empathische Haltung „durch nichts zu rechtfertigen – durch nichts“ finde deshalb ignorant und selbstgerecht. Es steht der real existierenden SPD nicht zu, darüber zu urteilen!