Merz, Wüst, Günther, Söder oder noch ein anderer – wer könnte, sollte, müsste der Kanzlerkandidat der CDU/CSU werden? Die nächste Bundestagswahl wird im Herbst 2025, also in gut 2 Jahren stattfinden. Doch die Spekulationen und Diskussionen haben in jüngster Zeit neue Höhepunkte erreicht. Angeheizt werden sie insbesondere in der Union und von den Medien allzu gern aufgegriffen. Personalien interessieren einfach mehr als Sachbeiträge zu politischen Themen.
Verfrühte Kandidaten-Diskussion
Zum einen frönen viele Medien dem beliebten Tontaubeneffekt: Die eine oder andere Person wird wie die Tontaube zunächst so hoch wie nur möglich geschossen, danach bleibt ausreichend Zeit, um sie gleich mit mehreren Treffern abzuschießen. Die Diskussion über den nächsten Kanzlerkandidaten der Union ist total verfrüht, kommt also zur Unzeit, auch wenn heute mehr als 50 Prozent der Wählerinnen und Wähler mit dem vorzeitigen Bruch der Berliner Ampel rechnen.
Schwankende demoskopische Ergebnisse
Die Umfragen sind aktuelle Stimmungen, aber eben nicht schon die im Herbst 2025 abgegebenen Stimmen. Bei den derzeitigen Umfragen kommen die SPD auf rund 18 Prozent, die Grünen auf 15 Prozent und die FDP auf etwa 7 Prozent. Im Moment hätte die Ampel zwar keine Mehrheit, doch könnte sich das im Laufe der nächsten 2 Jahre ändern.
Auch die Union bringt es bei den Umfragen gerade auf 28 bis 30 Prozent. Obwohl einige CDU-Landesfürsten bereits gemeinsam mit den Grünen regieren und andere dem grünen Zeitgeist mehr oder weniger stark folgen, würde es zu einer schwarz-grünen Mehrheit im Bund kaum reichen. Ohnehin gehen nicht wenige Konservative Wählerinnen und Wähler auf Distanz zu den Grünen. So könnten manche CDU-Leute der eigenen Partei verloren gehen – als Nichtwähler oder gar aus Wut und Verdruss zur AfD.
Wofür steht die Union?
Die CDU arbeitet seit einiger Zeit an einem neuen Grundsatzprogramm. Carsten Linnemann sucht gemeinsam mit vielen Arbeitsgruppen, Vertretern aus Unternehmen, Gewerkschaften und Wissenschaft nach Orientierungen der Christdemokraten für die Zukunft. So wichtig ein solches Grundsatzprogramm auch ist, am Ende wird entscheidend sein, der breiten Öffentlichkeit ein klares Profil zu präsentieren und für alle die wichtigsten Ziele in aller Kürze darzustellen. Nur die wenigsten werden 100, 200 oder noch mehr Seiten des Programms lesen, um sich dann für die CDU zu entscheiden. Nach innen – bei Mandatsträgern, Funktionären u.a. – mag das Wirkung entfalten. Nach außen sind politische Botschaften in kurzer, knapper Form, in Schlagworten semantisch optimal verpackt, besser um Breitenwirkung zu erzielen.
Erfahrung und Stärke von Friedrich Merz
Noch wichtiger ist es, dass die Union geschlossen auftritt. Der Vorsitzende, Friedrich Merz, hat seit seiner Wahl zum CDU-Chef und zudem zum Fraktionsführer von CDU und CDU die Partei auf einen ruhigen und soliden Kurs gebracht. Nach der viel zu langen Merkel-Ära und ihren Nachfolgern, Annegret Kramp-Karrenbauer und Armin Laschet, war es keineswegs leicht, die Unionschristen strategisch neu zu orientieren und in die Rolle als Opposition im Bund zu stabilisieren. Das Auftreten von Merz im Bundestag zeigt, dass er mit seinen Reden seine Fraktionsmitglieder begeistern und mitreißen kann. Dagegen bleiben seine Stellvertreter zumeist durchweg blass und ohne Durchschlagskraft. Dasselbe gilt für seine Reden und Diskussionen außerhalb des Parlaments, obschon er hier und da mit einigen Formulierungen Kritiker auf den Plan ruft.
Grüne Hochzeiten: Wüst und Günther
Hendrik Wüst und Daniel Günther sind ohne Zweifel gute Ministerpräsidenten in NRW und Schleswig-Holstein. Indessen fehlen beiden bundespolitische Erfahrungen. Bei zahlreichen Bundestagsabgeordneten fällt auf, dass Günther und Wüst sich allzu weit an die Grünen angepasst haben und weniger für einen eindeutigen Unionskurs stehen. Aus anderen Bundesländern gibt es ohnehin keine Signale in Richtung Berlin – weder in Sachsen noch aus Baden-Württemberg.
Söder erneut ante portas?
Allerdings könnte es wiederum neues Störfeuer aus dem Freistaat Bayern geben. Wenn Markus Söder im Herbst dieses Jahres die CSU mit 40 Prozent und etwas mehr bei der Landtagswahl ins Ziel bringt, droht erneut ein Kandidaten-Gerangel, wie es bereits vor der letzten Bundestagswahl zwischen Laschet und Söder stattfand.
Unionschristen wollen Harmonie
Nichts wird der Union mit Blick auf die nächste Bundestagswahl mehr schaden als Uneinigkeit und Disharmonie. Die innerparteiliche Diskussion über die Kanzlerkandidaten verwirrt die Treuesten der Treuen in der CDU. Die Neuauflage des Streits zwischen den Schwesterparteien würde zu einer weiteren Niederlage im Kampf um das Kanzleramt führen. Entschieden wird Ende 2024 – über das neue CDU-Grundsatzprogramm und den Kanzlerkandidaten. Bis dahin sollte „Ruhe im Karton“ herrschen auch bei Wichtigtuern und Möchtegernen, die am hohen Zaun des Kanzleramtes rütteln wollen. Indessen wird die Diskussion wohl weitergehen.
Nach der hohen Ehrung durch den Bundespräsidenten für Angela Merkel ließen es sich Wüst und Söder nicht nehmen, ebenfalls die frühere Kanzlerin mit den höchsten Landesorden zu ehren. Ob damit frühere Merkel-Fans zu gewinnen sind, mag bezweifelt werden – zumal angesichts der Attacken, die Merkel gerade aus der CSU immer wieder hinnehmen musste. Nicht allein in der Union laufen sich Kanzlerkandidaten bereits warm, sondern auch in anderen Parteien. Mit wem die Grünen im Herbst 2025 in den Bundestagswahlkampf gehen werden, wird noch zwischen Habeck und Baerbock zu entscheiden sein. Die AfD kokettiert ebenfalls mit der Kür einer Kandidatin oder eines Kandidaten für das Kanzleramt. Der jetzige Regierungschef, Olaf Scholz, mag das alles in Ruhe abwarten. In seiner Partei, so erschreckend schwach sie auch derzeit ist, bleibt er als Regierungschef unumstritten. Und bis zur nächsten Wahl wird noch eine Menge Wasser die Spree hinunterlaufen.