Noch sitzt Angela Merkel im Kanzleramt, noch sind ihre Minister aus der Union in ihren Ämtern und genießen die Zuarbeit ihrer Referenten, den Dienstwagen mit Fahrer und manche anderen Privilegien. Spätestens zum Jahreswechsel wird sich das alles voraussichtlich ändern: Der Auszug von Angela Merkel aus der Regierungszentrale wird nicht ein glänzendes Event, der Abschied der Regentin von ihrer Entourage wie Braun, Hoppenstedt, Baumann und anderen wird schmerzlich und traurig erfolgen. In den Ministerien, in denen die Damen und Herren der CDU und CSU die Spitze bildeten, herrscht bereits Katerstimmung. Die Vorbereitungen auf den Aus- und Umzug laufen auf Hochtouren. Von den weichen Ministersesseln wird es in einigen Wochen auf die harten Bänke der Opposition gehen, wenn überhaupt noch der Wahlkreis direkt gewonnen oder ein Listenspitzenplatz ergattert werden konnte.
Von über 30 auf unter 25 %
Die gesamte Schar der Unionschristen gleicht in diesen Tagen einem aufgescheuchten Hühnerhaufen, dessen Hahn gerade auch noch geschlachtet wurde. Armin Laschet hat seine bittere Niederlage im Kampf um das Kanzleramt eingestanden. Die Union startete vor Monaten mit 30 % plus und landete am Ende bei mickrigen 24 % plus. Aus dem erwarteten Sieg wurde die bitterste und überflüssigste Niederlage. Die Fehler, die der Spitzenkandidat und sein Generalsekretär mit der Mannschaft aus der CDU-Zentrale gemacht haben, sind fast unermesslich. Die angekündigte Analyse des Wahlkampfes könnte die Überschrift „Wie ein Sieg hundertprozentig verspielt wird“ tragen. Ein langes Kapitel dürfte dabei gewiss dem Maulhelden und Beinchensteller aus Bayern gewidmet werden.
Der Verlust vieler MdB’s
Die CDU befindet sich heute im tiefen dunklen Keller. An die einst große Volkspartei können sich die Älteren noch erinnern, die Jungen davon nur noch träumen. Über alle Altersgruppen hinweg ist die Zustimmung der Wählerinnen und Wähler geschwunden. 48 Bundestagsmandate hat die Union bei der Bundestagswahl verloren. Nun soll sie im Plenarsaal des Reichstages auch noch direkt neben die AfD platziert werden. Peinlich könnte es bei den zukünftigen Abstimmungen werden, wenn sich die vereinte Opposition formieren wird.
Neuanfang ohne Zauber
Nicht jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, das wird allen in den Reihen von CDU und CSU in der nächsten Zeit mehr als klar. Die CDU muss jedoch einen echten Anfang wagen, um die Stufen zu finden, über die der Weg aus dem Keller möglich werden kann. Opposition ist zwar Mist, wie es einst Franz Müntefering seiner SPD sagte. Doch in unserer demokratischen Ordnung kann die Opposition von heute die Regierung von morgen werden. Dafür ist es jedoch wichtig, sich als die bessere Alternative zu profilieren. Viel zu lange sind die Christdemokraten ihrer Vorsitzenden Angela Merkel blind und bequem gefolgt, wenn diese als Regierungschefin ihrer Fraktion und Partei die Alternativlosigkeit ihrer politischen Aktionen predigte. Lebendige Diskussionen wurden so erstickt, alternative Wege versperrt. Einsame Beschlüsse, die im Kanzleramt gefasst wurden, mussten durchweg abgenickt werden. Es wurde eben ganz nach dem Präsidialprinzip regiert.
Teilhabe von allen
Eine Renaissance der CDU als Volkspartei für die Zukunft wird nur möglich sein, wenn in aller Öffentlichkeit deutlich wird, wofür die Union wirklich noch steht. Ihr Profil ist in der Vergangenheit stumpf geworden. Es muss wieder geschärft und erkennbar werden. Dafür ist die Stabilisierung des Wertefundaments erforderlich, dafür sind deutliche Antworten auf die großen Herausforderungen unserer Gesellschaft und Wirtschaft notwendig. Solange die CDU sich in einem Irrgarten hin und her bewegt, werden ihr immer weniger Menschen folgen. Wohlstand für alle impliziert heute und morgen viel mehr als gestern, nämlich vor allem Teilhabe an Bildung, beruflichen Aufstieg, gesunder Umwelt, sozialer Sicherheit, Gesundheit und Pflege. Bis zum Überdruss wurde von den Granden der Union in die Welt hinausposaunt, was alles gemacht, transformiert und modernisiert werden muss. Alles war gewiss gut gemeint, aber das ist eben zumeist das Gegenteil von gut gemacht.
Personelle Neuaufstellung mit frischen Kräften
Völlig zu Recht wollen die Bürgerinnen und Bürger nicht so sehr verdruckste Müsser an den Schalthebeln der Macht sehen, sondern mutige Macher. Hier liegt ein weiteres Riesendefizit der CDU. Die Partei ist personell weitgehend ausgebrannt. Nach wie vor drängen Kandidaten nach vorne, deren Zukunft bereits seit langer Zeit hinter ihnen liegt. In der Opposition muss die CDU sich neu aufstellen – mit Frauen und Männern, denen die Gestaltung unserer Gesellschaft, die Ausrichtung auf die Zukunft und eine hohe Attraktivität für alle Generationen zugetraut werden. Sie sollten zu einer Neuorientierung fähig sein und klipp und klar verkünden, wofür die CDU heute und morgen steht. Noch verfügt die Partei über ausreichend Eigenkapital; sie ist damit noch ein Stück von der Insolvenz entfernt. Dringend erforderlich sind die programmatische und innere Aufrüstung, der Mut zu einer personellen Neuaufstellung in der Parteiführung mit einem ideenreichen und begabten Generalsekretär und einem neuen Aufbruch, der die eigenen Mitglieder und das Volk fasziniert. Für Armin Laschet, der noch als CDU-Vorsitzender fungiert, ergeben sich daraus gleich viele Herkules-Aufgaben. Auf ihn haben nur wenige Rücksicht genommen; er muss bei einem Neustart auf keinen Rücksicht nehmen, wenn die Modernisierung der CDU gelingen soll. Wenn das nicht gelingt, droht ihr das Schicksal der Democracia Christiana in Italien sowie anderer früherer bürgerlicher Parteien in den europäischen Nachbarländern.
Bildquelle: Pixabay, Bild von Artist and zabiyaka, Pixabay License