Nach der Bundestagswahl hat sich die FDP mit ihrem Ansinnen durchgesetzt, im Plenum des Parlaments in die Mitte zu rücken. Die neuen Mehrheitsverhältnisse ermöglichten es den Liberalen im zweiten Anlauf, sich aus der Sitznachbarschaft zur Rechtsaußen-Fraktion der AfD zu befreien. Die nach rechts gerückte und vom Wähler in die Opposition geschickte Union reagierte empört. Sie beharrte auf ihrem Label der „Partei der Mitte“; doch es dauerte nur wenige Wochen, bis CDU und CSU nun selbst Zweifel daran schüren. In der Kampagne gegen Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) machen Abgeordnete aus ihren Reihen gemeinsame Sache mit der AfD.
Faeser hatte im vergangenen Jahr noch als hessische SPD-Partei- und Fraktionsvorsitzende einen Gastbeitrag für das Magazin „antifa“ geschrieben. Anlass waren die rechtsextremistischen Drohbriefe, die mit „NSU 2.0“ unterzeichnet, an mehrere Adressaten, darunter auch die SPD-Politikerin selbst geschickt worden waren.
Faeser schrieb damals, im Sommer 2021: „Der Kampf gegen Faschismus und Rechtsextremismus, gegen Rassismus und völkische Ideologien gehört zur politischen DNA meiner Partei, der SPD. Er gehört zu meiner politischen Arbeit als Mitglied des Hessischen Landtags. Und er muss zum Alltag jedes Demokraten und jeder Demokratin gehören, weil Freiheit und Demokratie jeden Tag aufs Neue gegen ihre Feinde verteidigt werden müssen.“
Union und AfD werfen ihr nun Nähe zum Linksextremismus vor. Es hagelt Forderungen nach Rücktritt, Entlassung, Entschuldigung, Abgrenzung, die sich darauf stützen, dass „antifa“ von der „VVN – BdA“ herausgegeben wird. Ausführlich bedeuten die Kürzel „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten“. Die Organisation wurde nach dem Zweiten Weltkrieg und der Nazi-Diktatur unter Mitwirkung der kürzlich verstorbenen Esther Bejarano gegründet und ist als gemeinnützig anerkannt.
Ein Versuch, die Gemeinnützigkeit bundesweit abzuerkennen, der auf den bayerischen Verfassungsschutzbericht zurückging, scheiterte. Die dort niedergelegte Einordnung als „bundesweit größte linksextremistisch beeinflusste Organisation im Bereich des Antifaschismus“ wurde von den zuständigen Berliner Behörden nicht geteilt. Faeser spricht daher von durchsichtigen Vorwürfen und bekräftigt auf Twitter: „Ich habe immer klare Kante gegen Rechtsextremismus und alle Feinde der offenen Gesellschaft gezeigt – und werde das auch weiterhin tun.“
In ihrer ersten Rede im Bundestag hatte die Bundesinnenministerin, die in diesem Amt auch Verfassungsministerin ist, einen Aktionsplan gegen Rechtsextremismus angekündigt. Ihr Vorhaben, das sie bis Ostern umsetzen will, gilt als dringend notwendige Kurskorrektur, nachdem über Jahre schlimme Versäumnisse und mangelnde Entschlossenheit zu beklagen waren. „Wir werden alles daran setzen, Radikalisierungen zu stoppen und rechtsextreme Netzwerke zu zerschlagen und Extremisten konsequent die Waffen zu entziehen“, sagte Faeser im Bundestag. Sie habe alle extremistischen Bedrohungen im Blick, betonte die Ministerin. „Aber die größte Gefahr für die Demokratie ist der Rechtsextremismus.“ Dessen Bekämpfung müsse deshalb „höchste Priorität“ haben.
Ihren Gastbeitrag für „antifa“ hatte zuerst die stramm rechte Zeitung „Junge Freiheit“ ausgegraben und skandalisiert. Springer-Blätter griffen die Kampagne auf, unterstellten Faeser ein „Abgrenzungsproblem“ und sammelten Stimmen bei Unionsabgeordneten, die bereitwillig in die Empörung über eine angebliche Nähe Faesers zu angeblichen Verfassungsfeinden einstimmten. Seite an Seite mit AfD-Politikern, denen ein ernsthafter Kampf gegen den Rechtsextremismus natürlich nicht schmeckt. CDU und CSU aber sollten sich fragen, ob sie sich in ihrer Oppositionsrolle tatsächlich als Verstärker rechter Hetzkampagnen hergeben wollen.