Fußball ist die schönste Nebensache der Welt? Von wegen. Der Satz gilt in München nur solange, der FC Bayern gewinnt und die Bundesliga-Tabelle anführt. Wenn nicht, folgt die Regel: Und raus bist Du! Gemeint der Trainer Nagelsmann, vor eineinhalb Jahren vom RB Leipzig für 25 Millionen Euro freigekauft, damit er das Millionen-Ensemble der Roten zu Titeln führe. Alles schien zu laufen bis zur verkorksten WM in Katar. Danach riss die Siegesserie, Dortmund rückte näher und näher. Und plötzlich verlor der FC Bayern in Leverkusen, als Vizekusen verspottet, ausgerechnet bei dem Pillen-Klub. Mit einem Schiri, der zwei Entscheidungen zugunsten der Leverkusener korrigierte, zweimal die gelbe Karte gegen einen Leverkusener Kicker wieder einzog, sich beim Leverkusener Spieler entschuldigte und zweimal auf den Elfmeterpunkt zeigte. Gegen die Bayern. Und zweimal haute der Leverkusener den Ball ins Bayern-Tor. Das hatte es noch nie gegeben. Die Bayern wirkten perplex, fassten sich an den Kopf und verloren das Spiel mit 1:2. Gegen Leverkusen. Einer Majestätsbeleidigung gleich das Ganze. Mia san mir, gilt das nicht mehr? Haben die denn in Leverkusen keinen Respekt mehr vor uns, den großen Bayern?
Als ich die Tabelle sah, Dortmund vor Bayern, dachte ich so bei mir: Ob der Nagelsmann das Osterfest als Bayern-Trainer feiern kann? Doch, dachte ich, der hat schließlich einen gut dotierten und langfristigen Vertrag. Und der FC Bayern ist ja nicht Schalke oder Hamburg, wo man Trainer entlässt im selben Tempo, wie andere ihre Hemden wechseln. Zuvor hatte es die im Fußball-Sprech üblichen Bekenntnisse gegeben, Schwüren gleich wurde Nagelsmann versichert, wie toll er in München arbeite, man wolle langfristig mit ihm Erfolge feiern. Man kennt das aus vielen Jahren Bundesliga, man weiß, dass das alles nicht so gemeint ist. Aber die Bayern sind doch anders, seriöser? Vorsicht ist für jeden Trainer geboten, wenn die Führung des Vereins lauthals verkündet, sie stünde geschlossen hinter ihrem Trainer. Ich würde jedem Fußballlehrer raten, dafür zu sorgen, dass die Vereinsspitze vor ihm steht. Dann können sie ihm nicht die Beine wegziehen.
Beben bei Bayern, berichteten die Medien, die überrascht wurden von den Meldungen. Der FC Hollywood ist wieder da. Lautete eine andere Schlagzeile. Die Dramatik nahm ihren Lauf, als die Führungsspitze an der Säbenerstraße vorfuhr. im Minutentakt wurde gemeldet, dass Oliver Kahn dem Auto entstieg, dann der Manager, dann der Aufsichtsratschef. Mit ernsten Minen. Als gingen sie zum Begräbnis. Ich vermisste Uli Hoeneß und vergaß, dass der nur noch Ehrenvorsitzender des FC Bayern ist.
Wenn die Bayern Problemchen haben, dann wackelt die Wand, dann wird das von den Medien wie eine Staatskrise gehandelt. Jeder Schritt wird nachgehalten, über jede Reaktion berichtet, Minute für Minute. Das war vor Monaten so, als die Schwierigkeiten begannen in München. Manuel Neuer hatte sich das Waden-Bein(pardon, habe ich das richtig aufgeschrieben, wenn nicht bitte ich um Vergebung) gebrochen beim Skifahren. Die Nation schrie auf. Unser aller Manu verletzt. Wie lange wird er ausfallen? Kommt er wieder? Schließlich ist er schon über Mitte 30. Wer kann ihn ersetzen? In den Zeitungen Tag für Tag seitenweise Berichte über die OP, über Neuers Bein, seinen Zustand, dann wurde der Torwarttrainer entlassen, ein Vertrauter von Neuer. Krach in München, hieß es. Ob das Management Neuer gefragt hatte? Hoeneß warf sich dazwischen und mahnte Rücksicht auf Neuer an und erinnerte an dessen Leistungen für die Bayern und Deutschland. (Der Junge kommt schließlich aus Schalke) Dramatische Berichte über die Stimmung bei Neuer, bei den Bayern, es knisterte im Klub. Was ist da los? Dachte ich und meinte aber, das wird schon wieder.
Aber es blieb unruhig. Spieler kamen verspätet zum Training, andere ließen sich bei Starfrisören ihre Haarpracht aufmöbeln. Thomas Müller füllte viele Berichte, weil er nicht immer zur Startelf gehörte. Die Medien ließen die Fußballfans mitfiebern. Wer hütet das Tor, wenn Neuer länger ausfällt? Doch nicht der oder der, dann wieder der, aber doch nicht der? Endlich hatte man Jan Sommer den Gladbachern abgekauft für ein paar Milliönchen, Geld spielt ja bei den Bayern keine Rolle. Erleichterung allenthalben über das Einlenken am Niederrhein. Wurde ja auch Zeit, dass die vom Bökelberg den Sommer abgaben, können sich doch für das Geld einen neuen kaufen. Im Sommer. Ob man Jupp Heynckes eingeschaltet hatte? Der war ja Spieler in Gladbach, Trainer in München, duzt den Hoeneß. Fußball-Deutschland schien eine große Sorge weniger zu haben.
Und dann das mit dem Trainer, der absolute Höhepunkt der Krise in München. Oder soll ich Tiefpunkt sagen? Am Donnerstagabend gab es die ersten Meldungen. Ein Transfer-Experte- ja, es gibt für alles heute Fachleute- meldete, Nagelsmann werde gefeuert, pardon entlassen, ersetzt durch Tuchel. Der war mal bei Dortmund, kommt aber wie Klopp von den Mainzern. Sein Abgang am Borsigplatz war weniger schön, er legte sich mit BVB-Chef Watzke an. So etwas geht für Angestellte auch mit Millionen-Gehältern oft in die Hose. Tuchel trainierte dann Star-Truppen von Chelsea und die von Paris. Gerade ist er frei. Er wohnt wohl in München. Dann hat er es ja nicht weit. Dachte ich. Am nächsten Morgen dann die Spitzennachricht schon um halb Sieben im WDR2: Nagelsmann soll entlassen werden, Tuchel ihn ersetzen. aber noch war man im Soll-Bereich, es gab keine Bestätigung aus der Führungsetage des Münchner Edelklubs. Auch die folgenden Nachrichten-Sendungen hatten den Aufmacher mit Nagelsmann/Tuchel. Es geht schließlich um die Bayern.
Muss man sich Sorgen machen? Um Nagelsmann? Der ist gut versorgt. Ich hörte, er sei gerade beim Skifahren. Das ist schön für ihn. Aber er möge aufpassen und an Manuel Neuer denken. Tuchel kennt das Geschäft, er wird einen guten Vertrag aushandeln. Ob er die Mannschaft erreicht? Es heißt, Nagelsmann habe die Kabine verloren, also den Kontakt zu den Spielern. Ob Tuchel Meister wird? Ich hoffe nicht. In zwei Wochen spielt der BVB gegen die Bayern, in München. Ich hoffe, das sage ich als Schalker Fan, dass die Dortmunder gewinnen. Und dass sie am Ende Meister werden. Die Bayern waren es schließlich schon 32 mal, davon die letzten zehn Jahre hintereinander. Es reicht.
Fußball ist die schönste Nebensache der Welt. Wenn man Schüler- und Jugendmannschaften zuschaut, dann ja.