Auch nach dem Wechsel an der Spitze der Europäischen Zentralbank (EZB) von Draghi zu Lagarde wird es keine Änderung der Geldpolitik geben. Banken und Sparkassen müssen für Gelder, die sie bei der EZB einlegen, Zinsen bezahlen. Das schmälert die Erträge der Kreditinstitute kräftig. Deshalb prüfen immer mehr Banken und Sparkassen, ob, wann und in welcher Höhe sie diese Minuszinsen auch bei ihren Einlegern erheben. Einige sind bereits vorangegangen und berechnen etwa bei Guthaben über 100.000 € Strafzinsen. Für Kunden mit Guthaben und viele Sparer brechen schwierige Zeiten an. Denn es gilt nun nicht mehr die alte Weisheit, dass „Zinsen die Jungen von gespartem Geld“ sind. Vor diesem Hintergrund müssen Ein- und Anleger umdisponieren und mit ihren Guthaben andere Wege beschreiten.
Nullzinsen für’s Sparbuch
Für weniger geeignet halten inzwischen über 50 % der Geldbesitzer das Sparbuch bzw. Sparkonto als Anlageform. Ebenso zeigt eine aktuelle Umfrage, dass 17 % Tagesgeld, Festgeld und Termingeld ebenso wie Sparverträge und Sparbriefe nicht besonders attraktiv sind. Der Sinneswandel der Anleger ist bereits zu registrieren, die Orientierung richtet sich auf Aktien, Investmentfonds, Immobilien sowie sogar auf Gold und Edelmetalle.
Defizite bei der Altersvorsorge
Immerhin beurteilen zur Zeit über 40 % der Bürgerinnen und Bürger in unserem Land ihre finanzielle Situation als gut bis sehr gut, nicht einmal 20 % als sehr schlecht bis schlecht. Die Bereitschaft zur Vorsorge für die Wechselfälle und Risiken des Lebens ist in den letzten Jahren gestiegen. Vor allem wollen immer mehr Menschen für ihr Alter vorsorgen, zumal das große Vertrauen in die gesetzliche Rentenversicherung abnimmt. Allerdings hat dabei die sogenannte Riester-Rente an Attraktivität verloren; diese Anlageform wird kaum noch bevorzugt, viele Riester-Sparer haben inzwischen auf ihre Verträge nichts mehr eingezahlt.
Die bessere Alternative für die Altersvorsorge, die mit dem Betriebsrentenstärkungsgesetz eingeführt wurde, spielt bislang keine große Rolle: Die meisten Gewerkschaften zögern bei den Tarifabschlüssen; die Sozialpartnerrente fristet ein Schattendasein, obwohl sie für Millionen Arbeitnehmer ein zweites Bein bei der Altersvorsorge bieten könnte. Einen ersten Haustarifvertrag für die rund 12.000 Inlandsbeschäftigten des Talanx Konzerns wurde nun mit ver.di abgeschlossen. Zurich steht als weiterer Partner in den Startlöchern. Gemeinsam wollen Talanx und Zurich ihre Konsortiallösung „Die Deutsche Betriebsrente“ als Sozialpartnermodell etablieren. Diese Vereinbarung sollte eine Signalwirkung – vor allem auch in mittelständischen Unternehmen – haben.
Drohende Strafzinsen
Die Kunden der Kreditinstitute müssen sich auf Strafzinsen für ihre Guthaben einstellen. So gilt bereits beispielsweise bei einigen Volksbanken – wie etwa in Freiburg und in Mittelsachsen – ein Minuszins von 0,4 % bei Einlagen von 100.000 bis 750.000 € oder darüber, sogar von 0,5 % bei einigen Sparkassen bei Einlagen von 100.000 bis 1 Mio. € und darüber. Insgesamt sind es wohl schon einige hundert Institute, die Negativzinsen berechnen und es werden in der nächsten Zeit gewiss noch mehr. Nicht wenige bereiten ihre Sparer ganz individuell auf diese zuvor noch nie dagewesene Entwicklung vor. Die Bundesregierung plant auch kein gesetzliches Negativzins-Verbot, wie es vor einiger Zeit vom bayerischen Ministerpräsidenten Söder ins Gespräch gebracht worden war.
Kosten der Geldaufbewahrung
Banken und Sparkassen bewahren die Gelder ihrer Einleger sicher auf. Deshalb ist dies immer vorteilhafter, als die Euros im Kleiderschrank oder unter dem Kopfkissen zu verstecken. Auch wer einen Tresor bei seinem Kreditinstitut dafür mietet, muss eine Gebühr bezahlen. Wenn nun Banken und Sparkassen überliquide sind und diese Liquidität auf ein EZB-Konto einzahlen, kostet das für sie 0,4 % an Zinsen. Deshalb muss jeder Kunde durchaus die Kalkulation der Kreditinstitute verstehen. Denn ein finanzieller Ausgleich ist nur schwer über höhere Gebühren für die Kontoführung zu erzielen. Diese Dienstleistungen sind für die Kunden ohnehin ein guter Service bei der privaten Finanzbuchhaltung, bei Überweisungen und Gutschriften, auf den kaum jemand noch verzichten möchte.
Der Druck auf die Zinsmarge der Kreditinstitute wird immer stärker, zumal auch die Kredit- und Hypothekenzinsen so niedrig sind wie selten zuvor. Davon profitieren im übrigen alle, die sich verschulden – sei es für die Finanzierung eines Autos, sei es beim Erwerb einer Immobilie. So haben Kreditnehmer inzwischen viele Milliarden dadurch gespart, dass sie zu günstigen Zinsen Kredite aufnehmen konnten. Hauptgewinner ist dabei der Staat, denn Bund und Länder müssen für ihre Anleihen nur noch Mini-Zinsen zahlen.
Erträge mit Wertpapieranlagen
Der Ausweg aus dieser Welt der Minuszinsen ist nur ein Umdenken und Umsteuern bei der Geldanlage. Um jederzeit liquide zu bleiben, um notwendige Reparaturen oder andere unvorhergesehene Rechnungen bezahlen zu können, sollten 2 bis 3 Monatseinkommen auf dem laufenden Konto vorgehalten werden. Alles, was darüber an Liquidität übrig bleibt, sollte in andere Anlageformen – vor allem in solide Wertpapiere, also in Aktien und Investmentfonds – fließen. Damit sind in der Regel durchaus Renditen zwischen 2 und 4 % zu erzielen. Bei einer Inflationsrate von derzeit gut 1 %, kann es so durchaus noch einen realen Gewinn geben.
Bei der Auswahl von Aktien deutscher, amerikanischer, Schweizer oder anderer Unternehmen sollte der „Otto Normal-Anleger“ sich von einer vertrauenswürdigen Bank oder Sparkasse sowie seriösen Vermögensberatern gut beraten lassen. Für den Anfänger auf dem breiten, vielfach unüberschaubaren Kapitalmarkt ist dies unerlässlich, sich mit den Empfehlungen der kundigen Experten zu beschäftigen. Denn nicht wenige Gesellschaften sind unterwegs, die Anlage-Produkte des grauen Kapitalmarktes anbieten und oft genug hohe Renditen versprechen, die unrealistisch sind und bei denen häufig genug das eingezahlte Geld teilweise oder gar völlig verloren geht. Vorsicht ist also geboten. Der kluge Anleger sollte deshalb nur Finanzprodukte wählen, die er selbst begreift und durchschaut. Der DAX, der Index der 30 deutschen Aktiengesellschaften, ist seit Anfang 2019 um 12 % gestiegen. Die meisten AG’s haben zudem eine gute Dividende ausgeschüttet, auf die allerdings die Abgeltungssteuer in Höhe von 25 % plus Solidaritätszuschlag gezahlt werden muss. Sparer müssen umdenken und sich mehr als bisher um ihr Geld kümmern. Es lohnt sich auf jeden Fall, sich am Produktivkapital ausgewählter Firmen zu beteiligen, Kleinaktionär oder über Investmentfonds „Breitenaktionär“ zu werden. Viele Millionen Menschen arbeiten so hart und lange für ihr Einkommen, sie sollten sich für die Anlage ihres Ersparten ebenfalls mehr Zeit nehmen. Denn trotz heftiger Kritik wird die EZB ihren geldpolitischen Kurs nicht ändern. Und das Geltendmachen von Negativzinsen bei der Einkommensteuererklärung, wie es Bayerns Ministerpräsident demnächst per Gesetz über den Bundesrat einbringen will, würde nur wenig helfen und dürfte wohl kaum realisiert werden.
Bildquelle: Pixabay, Sabine Stiel RoboAdvisor, Pixabay License
Danke das ihr euch die Mühe macht, diesen tollen Blog zu betreiben.