Der Krieg in der Ukraine, mitten in Europa, führt es uns schmerzhaft vor Augen: Jede*r von uns kann jederzeit und egal an welchem Ort zum Flüchtling werden. Der völkerrechtswidrige Überfall der Ukraine hat die größte Fluchtbewegung seit Ende des zweiten Weltkriegs in Europa ausgelöst. 7,7 Millionen Menschen hat das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen gezählt, die aus der Ukraine geflohen sind.
Neben dem Leid und der Katastrophe für die Menschen in der Ukraine ist es ein kleiner Hoffnungsschimmer, wie solidarisch und hilfsbereit sich die Nachbarn zeigen. Polen, aber auch Rumänien, die Republik Moldau, Slowakei und Ungarn. Deutschland hat mit rund 780.000 registrierten Flüchtlingen die größte Zahl der Ukrainerinnen, unter den Ländern, die kein unmittelbarerer Nachbar sind. Die Solidarität und Hilfsbereitschaft der deutschen Zivilbevölkerung war in den letzten Wochen überwältigend. Neben der großartigen Unterstützung aus der Zivilbevölkerung haben sich auch viele Unternehmen mit großzügigen Spenden beteiligt. Die Berichterstattung über den Krieg wird mit jedem Tag für viele von uns „normaler“ Bestandteil des Alltags. Die UNO-Flüchtlingshilfe versucht, mit Information deutlich zu machen, dass die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine für Millionen Flüchtlinge jeden Tag bittere Realität sind. Niemand weiß, wie lange dieser Krieg noch anhält. Angesichts der undurchsichtigen Lage und sich ständig ändernder Gegebenheiten benötigen die Flüchtlinge aus der Ukraine und die Menschen vor Ort auch weiterhin jede Unterstützung.
100 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht
Aber nicht nur zum Weltflüchtlingstag muss unser Blick neben der Ukraine auch auf die vielen anderen Flüchtlingskrisen gerichtet sein, die für die betroffenen Menschen nicht weniger katastrophale Ereignisse bedeuten. So zum Beispiel in Äthiopien, Afghanistan, Jemen, Sudan, Kongo, Myanmar, Venezuela oder auch die unzähligen Toten und vermissten Flüchtlinge im Mittelmeer. Die Zahl der Menschen, die weltweit vor Krieg, Konflikten und Verfolgung fliehen müssen, war noch nie so hoch wie heute. Ende 2021 waren 89,3 Millionen Menschen auf der Flucht, die Mehrheit von ihnen sind Binnenvertriebene im eigenen Land. Mit der russischen Invasion in die Ukraine im Februar 2022 stieg die Zahl mittlerweile auf über 100 Millionen Menschen an. Damit sind mehr als ein Prozent der Weltbevölkerung auf der Flucht. Die ärmsten Länder tragen dabei die größte Verantwortung bei der Aufnahme von Flüchtlingen, da 83 Prozent der Flüchtlinge von Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen aufgenommen werden.
Hinter den nackten Zahlen stehen Menschen und ihre Geschichte
Wenn man mit älteren Geflüchteten spricht, heißt es oft „Vergiss uns, aber gib unseren Kindern eine Chance!“. So wird inmitten von Krieg und Konflikten Bildung oft als Luxus angesehen. Doch Bildung ist ein Menschenrecht und zudem unverzichtbar, um Flüchtlingen wieder Hoffnung und Würde zu geben. Bildung ist entscheidend, um Flüchtlingen zu helfen, wieder auf eigenen Füßen stehen und sich selbst eine bessere Zukunft aufbauen zu können. Der UNHCR organisiert daher, wo es möglich ist, dass Flüchtlingskinder eine Schule besuchen können – möglichst auch während der akuten Nothilfe. Doch häufig fehlt das Geld und der Bildungsbedarf kann nur in geringem Umfang abgedeckt werden. Mehr als die Hälfte aller Flüchtlingskinder haben keine Möglichkeit an Bildungsmaßnahmen teilzunehmen. Dabei ist gerade für Kinder und Jugendliche, die ihr Leben in der Fremde neu aufbauen müssen, ein Schulbesuch besonders wichtig. Flüchtlingsmädchen sind davon besonders betroffen. Sie haben weit weniger Zugang zu Bildung als Jungen.
Es besteht also weiterhin dringender Bedarf an Lösungen für die Vertriebenen auf der ganzen Welt, da neue Flüchtlingssituationen entstehen und sich verschärfen und bestehende Krisen wieder aufflammen oder ungelöst bleiben. Und gleichzeitig dürfen wir die Perspektive derjenigen nicht vergessen, die jetzt schon zu den Flüchtlingen dieser Welt zählen.
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