„Einspruch“ hat Norbert Blüm sein neuestes Buch genannt. „Wider die Willkür an deutschen Gerichten“ zieht der CDU-Politiker und langjährige Bundesarbeitsminister zu Felde. Es sei eine „Polemik“, so steht es weiter auf dem Deckblatt des 254 Seiten langen Werkes, das es in sich hat. Denn Blüm nimmt kein Blatt vor den Mund und kennt keine Scheu vor den Männern und Frauen in den langen Roben. Das Buch ist eine Sammlung von Urteilen und Richter-Sprüchen, die nicht nur dem sozialen Aushängeschild der Union mehr als merkwürdig vorkamen und seinen Ärger und Zorn hervorriefen. Von wegen Gerechtigkeit und Recht bekommen! Der so genannte kleine Mann besitzt manchmal nicht den Hauch einer Chance und scheitert nicht zuletzt an der „Arroganz“ einiger Richter und Anwälte, die „glauben, sie seien im Niemandsland der öffentlichen Kritik angesiedelt und niemandem Rechenschaft schuldig“.
Blüm ist kein Jurist, was er ausdrücklich betont, dennoch nimmt er sich das Recht heraus, über die „Verlotterung der dritten Gewalt“ zu urteilen- schonungslos. Er schreibt, wie er denkt und warum er manchen Rechtsspruch für himmelschreiendes Unrecht hält.
Beispiel eins: „Uns allen ist noch der Fall des Verkäufers geläufig, der im Lager einen Becher Milch getrunken hat, worauf ihm fristlos gekündigt wurde. Schädigt hingegen ein Manager seine Firma, verlässt er das Unternehmen mit dem goldenen Handschlag einer Millionen-Abfindung. Der Wert des Bechers betrug 54 Cents.“ Gerechtigkeit sieht anders aus.
Ein Metzger, schreibt Blüm an anderer Stelle, der schlechte Wurst verkauft, macht Bankrott und verliert alles. Ein Manager, der versagt, wird noch gemästet. Der CDU-Mann meint den Fall Nonnenmacher und die HSH-Nordbank. Er schildert aber auch Fälle, in die die Deutsche Bank verwickelt war. Auch was das Gericht in München sich im Fall des Herrn Ecclestone erlaubt hat-der Rennfahrer-Freund konnte sich mit schlappen 100 Millionen Euro freikaufen- und was die frühere Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger eine „Frechheit“ genannt hat, ruft bei Blüm mehr als Kopfschütteln hervor. Heribert Prantl von der „Süddeutschen Zeitung“ urteilte trefflich: „Die Klassengesellschaft entpuppt sich als Kassengesellschaft“.
Lange hat sich Blüm mit familienrechtlichen Fällen beschäftigt und erfahren müssen, „dass es Menschen gab, denen von Rechtsanwälten und Richtern … übel mitgespielt wurde.“ Dass Kläger Willkür kennenlernten, wo sie Anerkennung ihrer Klagen suchten. Blüm schilt die „Götter in Talaren“, weil sie sich „wie die Götter in weißen Kitteln für einwandfrei“ hielten. Er habe erleben müssen, „wie ein angesehener Anwalt skrupellos das Recht drangsalierte und sich um die Wahrheit einen Dreck kümmerte“. Der Autor hat Interviews mit Frauen geführt, die von ihren Männern verlassen wurden und die verzweifelt um Unterhalt für das gemeinsame Kind kämpften. Die Telefon-Gespräche sind im Buch abgedruckt so, wie sie am Telefon gesprochen wurden, nichts ist geglättet oder geschönt.
Er beklagt die Sprache des neuen Familienrechts, dass aus Urteil ein Beschluss wurde, aus Klägern und Klägerinnen Beteiligte, dass die Tragik einer Trennung begrifflich weichgespült wurde, dass aus Müttern und Vätern Bezugspersonen geworden sind.
Am Ende seiner Recherchen und Schreibarbeit hat Blüm das Buch „einem in Ehren ergrauten, angesehenen Rechtsanwalt“ zur Begutachtung übergeben. Der sei nach der Lektüre zunächst wütend auf den Autor gewesen, dann, nach einer Runde Schlaf über das zornige Resumee, habe sich der Experte die Frage gestellt, ob der Blüm nicht doch Recht habe und ob etwas mit dem Berufsstand des Juristen passiert sei, was man nicht weiter zulassen dürfe. Dieser gute Mann habe ihm, Blüm, die letzten Zweifel und Ängste genommen, das Buch zu veröffentlichen. Er tat es vor allem für die Menschen, „die sich vor Gericht respektlos behandelt fühlen und nicht ihr Recht bekommen. Das Recht beginnt mit der Anerkennung des anderen und gipfelt in der Gerechtigkeit“.
Norbert Blüm: Einspruch. Wider die Willkür an deutschen Gerichten. Westend Verlag, GmbH, Frankfurt/Main. 2014. 254 Seiten. 19.99 Euro.
„Wider die Willkür an deutschen Gerichten“ kann auch als ein Motto für unseren Erfahrungsbericht gelten: http://www.alkoholtest-unerwünscht.de