Bei sicherheitspolitischen Entscheidungen wird nicht mehr lange gefackelt. In atemberaubendem Tempo fallen derzeit akute Beschlüsse zur Kriegsbeteiligung Deutschlands. Selbst bei grundlegenden historischen Weichenstellungen wie dem Umbau der Bundeswehr zur Berufsarmee fehlte die breite gesellschaftliche Debatte. Angesichts der prekären Personallage wird jetzt eine Rückkehr zur Wehrpflicht diskutiert. Doch jenseits der nun zutage tretenden handwerklichen Fehler der übers Knie gebrochenen Reform bringt die Hauruck-Politik eine zunehmende Militarisierung des Denkens zum Ausdruck. Auch die neuerliche Missachtung des Bundestags in der Awacs-Frage zeugt von der bedenklichen Dynamik, über Krieg und Frieden intransparent und nach Gutsherrenart zu entscheiden.
Die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee. Das hat das Bundesverfassungsgericht in einer Reihe von Urteilen seit den 1990er Jahren bekräftigt, auch in der Awacs-Entscheidung von 2008, mit der die Karlsruher Richter klarstellten: „Die Antragsgegnerin (die Bundesregierung) hat den Deutschen Bundestag in seinem wehrverfassungsrechtlichen Beteiligungsrecht in Form des konstitutiven Parlamentsvorbehalts für den Einsatz bewaffneter Streitkräfte verletzt, indem sie es unterlassen hat, seine Zustimmung zur Beteiligung deutscher Soldaten an Maßnahmen der NATO zur Luftüberwachung der Türkei vom 26. Februar bis zum 17. April 2003 einzuholen.“
Fast 13 Jahre später entscheidet die nun amtierende Bundesregierung erneut über den Einsatz von Awacs-Aufklärungsflugzeugen in der Türkei, und erneut ohne Beteiligung des Parlaments. Eine beiläufige Information über den Beschluss erreicht wenige Tage vor Weihnachten die Verteidigungspolitiker der Fraktionen. Das soll genügen. Die Bundesregierung argumentiert, der Bundestag habe kein Mitspracherecht, da eine Verwicklung deutscher Soldaten in bewaffnete Auseinandersetzungen nicht zu erwarten sei.
Politischer Kultur tut es nicht gut
Tatsächlich hatte das Bundesverfassungsgericht 2008 formuliert: „Der wehrverfassungsrechtliche Parlamentsvorbehalt greift ein, wenn nach dem jeweiligen Einsatzzusammenhang und den einzelnen rechtlichen und tatsächlichen Umständen die Einbeziehung deutscher Soldaten in bewaffnete Auseinandersetzungen konkret zu erwarten ist.“ Doch einerseits ist dies in der brisanten Situation in Syrien und der des NATO-Bündnispartners Türkei kaum zuverlässig einzuschätzen, und andererseits ist es demokratiefeindlich, den öffentlichen Diskurs abzuwürgen. Die Bundesregierung stützt sich auf eine unverschämt große Bundestagsmehrheit, sie hat eine Abstimmungsniederlage nicht zu fürchten. Statt sich der Debatte zu stellen, riskiert sie eine neuerliche Verfassungsklage. Der politischen Kultur im Lande tut das nicht gut.
„Awacs“ steht für „Airbone warning and control system“, also luftgestütztes Warn- und Aufklärungssystem. Awacs-Flugzeuge stehen in Diensten der NATO und sind unter anderem in Geilenkirchen bei Aachen stationiert. Im Februar 2003, als der US-geführte Krieg gegen den Irak bevorstand, erhielten sie den Auftrag zur Überwachung des türkischen Luftraums, obwohl sich die damalige Bundesregierung unter Gerhard Schröder gegen den völkerrechtswidrigen Krieg positioniert hatte. Nun sind, gebilligt von einer großen Mehrheit des Bundestags, deutsche Tornados am Krieg gegen den sogenannten Islamischen Staat beteiligt, und die Bundesregierung bewertet die Awacs-Aufklärung als allenfalls flankierende NATO-Routine. Der Identifizierung von möglichen Angriffszielen in Syrien dienten die Awacs definitiv nicht, und der Gefahr, selbst Angriffsziel zu werden, seien sie nicht ausgesetzt. Allein deshalb, so die Argumentation, sei eine Beteiligung des Parlaments nicht zwingend. Die Opposition sieht das anders und daher wird darüber – Jahre später – wohl erneut das Bundesverfassungsgericht entscheiden.
Bildquelle: Wikipedia, U.S. Air Force photo – http://www.af.mil/shared/media/photodb/photos/021107-O-9999G-024.jpg, gemeinfrei