Ein Wahlsonntag liegt hinter uns, der einem Tsunami gleicht, der die Parteienlandschaft durcheinander gewirbelt hat. Keine Koalition steht mehr, neue Partnerschaften sind nötig, und die AfD hat zweistellig gewonnen und dabei den festgefügten Block der Nichtwähler in Bewegung gebracht. Der Tsunami hat das demokratische Zentrum getroffen und partiell unterspült. Dennoch gibt es zwei Konstanten: Malu Dreyer und Winfried Kretschmann.
Die alte und wohl auch neue Regierungschefin von Rheinland-Pfalz und der alte und wohl auch neue Ministerpräsident von Baden- Württemberg haben mindestens eine wichtige gemeinsame Charaktereigenschaft, eigene Überzeugungen nicht Preis zu geben. Ihre Kontrahenten hingegen, Julia Klöckner und Guido Wolf, beide CDU, sprachen im Wahlkampf mit gespaltener Zunge, gleichzeitig für und gegen die Flüchtlingspolitik ihrer Kanzlerin. Es blieb kein Spielraum im Plan B, den beide als Alternative zu Angela Merkel anboten, der dem Nein der Kanzlerin zu Obergrenzen und ihrem Willen, zu einer europäischen Lösung zu kommen, entsprochen hätte. Da beide ihre Abkehr von Merkels Flüchtlingspolitik wortreich zu vertuschen versuchten, holten sie als Lautsprecher ihrer tatsächlichen Absichten den CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer in den Wahlkampf. Die Wähler/innen hatten verstanden und trauten beiden nicht über den Weg. Gleichzeitig stärkten sie damit die AfD, die in der Flüchtlingsfrage keine Hemmungen mehr zeigen musste.
Aufstieg der AfD und Nichtwähler
Das gleiche hatte auch der Ministerpräsident in Magdeburg, Reiner Haseloff, in der Behandlung der Flüchtlinge vor, und verhalf damit seinem Koalitionspartner in die Kellerräume der Macht und halbierte zugleich seine Wählerschaft. Die Koalitionspartner sortieren gerade die Trümmer ihrer Zusammenarbeit. Wenn die SPD in Sachsen-Anhalt noch über ein Quentchen Stolz verfügt, wird sie für keine Koalitionsarithmetik zur Verfügung stehen und dahin gehen, wohin sie die Wähler/innen geschickt haben: in die Opposition. Die CDU in Sachsen-Anhalt war Hauptursache für den Aufstieg der AfD zur zweitstärksten Partei im Landtag. Da unterscheidet sie sich nicht von Baden Württemberg oder Rheinland-Pfalz. Sie verlor prozentual mehr Wähler/innen in Richtung AfD als SPD und Grüne, wie die Wählerwanderung zeigt. Größten Anteil allerdings haben am Aufstieg der neuen rechtspopulistischen Partei bisherige Nichtwähler.
Die SPD-Führung konnte am Wahlabend dank Malu Dreyer durchatmen. Der Wahlsonntag hatte nicht auch noch dazu geführt, in der zweiten Kammer, dem Bundesrat, an Einfluss zu verlieren. Wo denn sonst ließe sich für die SPD die vollmundige Ankündigung des SPD-Vorsitzenden Siegmar Gabriel hilfreich begleiten, der in der großen Koalition einen Solidarpakt durchzusetzen will, mit dem gleichermaßen die prekäre Lage vieler Menschen in Deutschland verbessert und die Integration von Flüchtlingen erleichtert werden könnte. Beides hatte Malu Dreyer schon vor Monaten in einem Zehn-Punkte-Programm vor der Presse in Berlin mit anderen Ministerinnen der SPD dargelegt.
Im Block der bisherigen Nichtwähler gibt es viele, die sich von der AfD nicht haben verführen lassen. Aber zugleich ist offenbar derzeit keine Partei der demokratischen Mitte für sie überzeugend darin, die immer tiefer gehende Spaltung der Gesellschaft zu überwinden. Immer weniger Reiche, die immer reicher werden, stehen der wachsenden Zahl der Verlierer der Globalisierung gegenüber. Jedes vierte Kind wird in der Armutsfalle groß, allein erziehende Mütter sind zunehmend eine Konstante im Armutsbericht der Bundesregierung. Immer mehr Alte, die von einer kümmerlichen Rente leben und gleichzeitig wächst die Zahl der Tafeln, an der sich immer mehr Menschen wenigstens eine warme Mahlzeit am Tag erhoffen. Das Wahlergebnis am 13. März 2016 ist mehr als ein Warnschuss.
Bildquelle: Michael Heimann / pixelio.de