Die Erleichterung ist unter vielen Menschen weiter groß. Sie hoffen inständig, Donald Trump demnächst womöglich endlich im Trump-Tower in New York, aber nicht erneut im Weißen Haus in Washington erwarten zu müssen. Er wird nicht darum herum kommen, zuvor die Niederlage einzugestehen, und im schlechtesten Fall aber weiter von Betrug und den Betrügern zu faseln, und ein Rudel von Rechtsanwälten weiter nach denen suchen zu lassen, die ihm angeblich den Wahlsieg gestohlen haben. Dabei hätte es doch gereicht, selbst in einen Spiegel zu schauen, um dem ins Gesicht sehen, dem jede Lüge recht ist, die Niederlage nicht eingestehen zu müssen. Vielleicht wären dabei im Hintergrund noch ein paar bekannte Gestalten zu entdecken, die seine mehr als tausend Lügen als US-Präsident beifällig begleitet haben. Lügen, die er monochrom schwarz zu verdecken sucht. Die Pandemie ordnete er als „leichte Grippe“ ein, so dass das Virus Covid 19 für alle seine alles ihm glaubenden Wähler/innen keine Rolle spielte.
Dennoch sollte in Europa niemand den Fehler machen zu glauben, nun zur Tagesordnung übergehen zu können. Noch nie in der Geschichte der USA und seiner bislang 45 Präsidenten konnte ein republikanischer Kandidat mit 68 Prozent so viele weiße Wähler/innen mobilisieren wie Trump bei dieser Wahl. Die Trump-Ära ist zwar abgewählt, aber damit längst nicht vorbei. Seine Wähler/innen kommen aus allen Schichten. Anders als vor vier Jahren war er jetzt sogar für 57 Prozent des gehobenen weißen Mittelstandes mit einem Jahrseinkommen von über 100 000 US-Dollar wählbar. Der Wahlerfolg der Demokraten war daher nur möglich, weil neben 42 Prozent der Weißen, aber 87 Prozent der Schwarzen und 66 Prozent der hispanischen Wähler/innen das Kreuz bei Biden machten.
Vor dem Hintergrund wachsenden rechtsradikalen Widerstands gegen Schutzmaßnahmen zur Überwindung der Pandemie, wie sie gerade in Leipzig und davor in Berlin zu erleben waren, gibt es wenig Grund zu glauben, dass der Rechtspopulismus in Europa geringer sei als in den USA. Nicht nur die Anti-Corona-Demo in Leipzig, die ein unglaubliches Gerichtsurteil, noch dazu auf einem kleinen Platz in der Innenstadt erlaubt hatte, zeigte eine von Rechtsextremisten beherrschte Demo, die aus dem Ruder lief. Rücksicht auf die Gesundheit von Mitmenschen, Pressevertretern oder von Polizisten, letztere offenkundig von einem überforderten Einsatzkommando befehligt, war in Leipzig von gewaltbereiten Hooligans nicht zu erwarten, die von weither zur Schlacht angereist waren..
Leipzig macht auch deutlich, dass AfD und „Querdenker“ , Organisatoren der Demo, längst in einem Boot sitzen. Die AfD gibt im Bundestag in den Debatten zu erkennen, dass es auch ihr darum geht wie Donald Trump, den Demokratischen Konsens zu zerstören. In einem Antrag „Für eine Kindheit ohne Abstand und Maske“ behauptet die AfD im Bundestag: „Weltweit gibt es keine wissenschaftliche Studie, die nachweist, dass das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes einen positiven Einfluss auf Verlauf der sogenannten Coronapandemie hat“. Corona und die Massnahmen in Deutschland sind für die AfD nur ein weiterer Baustein, die eine im Hintergrund agierende „verschworene Elite“ für ihre Zwecke nutzt. Der Verdacht, dass damit ihre „antisemitisch grundierte Erzählung jüdischer Weltherrschaft“ aufscheint, liegt nahe.
Offiziell wird die bessere Entlohnung im öffentlichen Dienst, die vor allem die Heilberufe in den Kliniken betrifft, von der AfD mit dem Hinweis abgelehnt, es sei eine „Unverfrorenheit, wie die Linke mit solchen Forderungen gemeinsam Freiheit und Wohlstand vernichtet, um dem Traum des absoluten Sozialismus näher zu kommen“. Die AfD behauptet, viele Bürger fühlten sich daher inzwischen an 1933 erinnert: Im Frühjahr „wurde eine Notlage ausgerufen, um dann über Verordnungen diese Notlage auf ewig zu verlängern“ tönte ein Redner der AfD. Spätestens, wenn das geschehe, gebe es keinerlei Unterschied mehr zwischen einer epidemischen Notlage und „Hitlers Ermächtigungsgesetz“. Das ist nicht weit entfernt von der Warnung, die Trump vor dem Parteitag der Demokraten gegen Biden gerichtet hatte, dem er vorwarf, aus den USA eine Art sozialistischer Hölle machen zu wollen und „in den USA linken Faschismus durchzusetzen“.
Die rassistischen und antidemokratischen Nachrichten, die Trump täglich dutzendfach online ins Netz stellt, haben das transatlantische Bündnis schwer belastet. Mit Joe Biden wird ein neues Kapitel aufgeschlagen. Die Wahlen in den USA lassen die Hoffnung zu, dass der transatlantische Dialog wieder in Gang kommt. Die anstehenden globalen Themen vom Klimawandel bis zu wachsender sozialer Ungleichheit in der Welt, einer immer reicher werdenden Minderheit und eine immer größer werdenden Armut, fordern heraus und dürften dabei im Mittelpunkt der politischen Debatten stehen. Und es geht auch um Europa und seine Rolle in der Welt. Darüber wird in der Bundestagswahl im nächsten Jahr gestritten werden. Mutmaßlich auch ohne Kanzlerin Angela Merkel, deren Rücktritt, nach der Entscheidung über einen Nachfolger auf einem Parteitag im Januar, wohl tatsächlich zu erwarten ist.
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