Was haben wir durch Corona im Allgemeinen für die Trinkwasserhygiene gelernt?
Udo Sonnenberg: Vielleicht so etwas wie einen routinierten Umgang der Politik mit Hygienethemen. Politische Entscheidungen auf EU-, Bundes- und Länderebene waren im Wochenrhythmus davon bestimmt. Dass Hygiene der entscheidende Punkt in einer Pandemie ist, Infektionen vorzubeugen, ist gerade auch politischen Entscheider:innen schnell klar geworden: Mundschutz, möglichst kontaktlos mit anderen interagieren, Hände waschen und desinfizieren etc. Ob das Bewusstsein allerdings anhält, ist heute schon fraglich.
Wie sieht es denn Ihrer Meinung nach im Speziellen aus?
Udo Sonnenberg: So gesund Wasser an sich ist, so gefährlich kann es werden, wenn die Trinkwasserinstallation nicht ordnungsgemäß betrieben wird. In Wänden verbaute Trinkwasserleitungen sieht niemand. Wenn dort das Wasser länger steht, ebenso wenig. Und genau da bilden sich dann Krankheitserreger, die verheerend auf die Gesundheit einwirken können. Da hilft es auch nicht mehr, einen Mundschutz zu tragen. Händewaschen mit Wasser voller Krankheitserreger ist auch keine so gute Idee… Das Bewusstsein für die „Gefahr in der Wand“ ist bedauerlicherweise nur bei Fachleuten dauerhaft auf dem Radar. Nicht einmal Betreiber von Anlagen haben hier immer offene Augen und Ohren. Mitunter wissen sie gar nicht, dass sie eine Anlage betreiben. Da bleibt noch viel Aufklärungs- und Sensibilisierungsarbeit offen.
Ist die Frage erlaubt, ob von diesen Erkenntnissen etwas in der Politik ankommt?
Udo Sonnenberg: Auf jeden Fall, wenngleich die Antwort – ohne das mit Schuldzuweisung zu verbinden – ernüchternd ausfällt. Es ist etwas paradox, aber weniger Kontrollen und Audits bei Trinkwasserinstallationen haben während Corona dazu geführt, dass das Thema Trinkwasserhygiene – insbesondere in öffentlichen Gebäuden der Daseinsvorsorge – entsprechend weniger in die Politik zurückgespielt wurde. Während gleichzeitig allgemeine Hygienethemen die öffentliche Debatte bestimmten oder sogar überlagert haben. Politisches Handeln erfolgt aufgrund von Fehlentwicklungen. Wenn in einem Krankenhaus z.B. eine Legionellen-Havarie auftritt, dann ist das zwar meldungspflichtig, aber nur behördlich. Ein/e Mandatsträger/in bekommt davon nicht unbedingt etwas mit. Solange der Laden läuft, ist ja auch alles in Butter. Im Bundestag heißt es auch schon mal: „Trinkwasserhygiene – das Wort hat hier noch nicht die Runde gemacht.“ Im Prinzip gut, aber für Maßnahmen zum Erhalt der Trinkwassergüte potenziell schlecht.
Brauchen wir ggf. mehr Trinkwasserregulierung?
Udo Sonnenberg: Wie vielerorts, mangelt es nicht an Regeln, sondern an deren konsequenter Umsetzung und Anwendung. Wenn aber aktuell (Anfang Juni 2023) immer noch ein Vertragsverletzungsverfahren der EU ggü. Deutschland und 19 weiteren Staaten anhängig ist, weil die Frist zur Umsetzung der EU-Trinkwasserrichtlinie (12.01.2023) nicht eingehalten wurde, dann wirft das schon Fragen auf. Auch sind viele ganz praktische Punkte mit Blick auf die Anwendung einzelner Vorgaben offenbar noch nicht klar, wie uns Mitglieder berichten. Im Grunde sind mit dem Infektionsschutzgesetz, der Trinkwasserverordnung (TrinkwV) – basierend auf der EU-Richtlinie – und den allgemein anerkannten Regeln der Technik die allermeisten Punkte klar definiert. ABER: So wie auch das Grundgesetz nicht alles im Alltag regelt, so ist auch jede Trinkwasserinstallation individuell und meisten auch komplex. Drum braucht es Prävention, Expertise und ja, Aufsicht.
Prävention vielleicht als Stichwort – worin sehen die PfW hier ihre Aufgabe?
Udo Sonnenberg: In der Sensibilisierung für eine optimale Trinkwassergüte – an jeder Entnahmestelle – darin sehen die Partner für Wasser ihre eigentliche Aufgabe: Aufmerksamkeit und Ressourcen in Maßnahmen zu leiten, die der Gesundheit der Menschen zugutekommen, die aber schon lange davor in Entscheidungen münden, die Prävention überhaupt ermöglichen. Das komplizierte Finanzierungsgeflecht z.B. mit Blick auf den Krankenhaussektor führt unweigerlich zu einer Vielzahl von Mitsprachen auf allen Ebenen. Die Kommune oder der Landkreis als Betreiber vor Ort – bei den Häusern in kommunaler Trägerschaft – sind zudem für den laufenden Betrieb verantwortlich. Wenn es am Notwendigsten fehlt – Notfallpersonal, Medikamente, wichtige Heilmittel, während Corona Betten-Kapazitäten – dann steht die Trinkwasserhygiene zunächst einmal hinten an.
Wie lässt sich das umsetzen?
Udo Sonnenberg: Die Aufgabe wird sein, ein ganzes System politisch zu beeinflussen und Trinkwasserverfügbarkeit und -hygiene zu einer Art Alltagsgegenstand zu machen. Physisch ist es das ja ohnehin, aber noch nicht im Sinne von Bewußtsein. Das System Trinkwasserversorgung – und zwar von der „Quelle bis zum Hahn“ braucht kooperative Prozesse, wo Menschen Hand in Hand arbeiten. Das gilt noch einmal im Besonderen für das Gesundheitswesen. Politik ist für Rahmenbedingungen, Aufsicht und Budget zuständig. Verantwortlichkeiten im Management der Einrichtungen brauchen einen Fokus auf die hausinterne Versorgung. Nicht zuletzt braucht es Fachexpertise beim Ausführen von Arbeiten an einer Installation. Hier muss nicht nur mit den hochwertigsten Materialien gearbeitet werden, sondern auch nach den neuesten Erkenntnissen der Wissenschaft und Technik. Damit wären wir auch bei Bildungs- und Ausbildungsthemen, wo erneut die Politik Verantwortung trägt. Aber, um das auch ganz klar zu sagen, „Politik“ ist keine abstrakte Größe, sondern es sind handelnde Menschen, die gesellschaftlich verankert sind – egal ob gewählt oder verbeamtet. Darum ist die richtige Trinkwasserhygiene unser aller Angelegenheit!
Zum Autor: Udo Sonnenberg ist Gründer und einer der geschäftsführenden Gesellschafter von elfnullelf Public Affairs-Beratung in Berlin. 2016 hat er den Verband Partner für Wasser e.V. mit gegründet und führt seitdem dessen Geschäfte.