Beim Erbe von Angela Merkel wird bereits seit längerer Zeit eine Tragödie aufgeführt, die sich keineswegs positiv für die Schwesterparteien CDU und CSU auswirkt. Ganz im Gegenteil, der letzte Akt, in dem es um die Kanzlerkandidatur geht, erfüllt selbst die treuesten Unionsanhänger mit Wut und Schrecken. Gewiss haben Kenner der politischen Szene Markus Söder, dem Möchtegern-Epigonen von Franz-Josef Strauß, viel trickreiches und hinterhältiges Intrigantenspiel zugetraut. Was er jetzt im Kampf um die Kanzlerkandidatur bietet, übertrifft jedoch jedes Maß.
Umfragen ohne Wert
Nach einem persönlichen Gespräch mit dem Vorsitzenden der großen Schwester CDU, Armin Laschet, konzedierte Söder wortreich seinem Mitbewerber den ersten Zugriff, der ihm ohnehin selbstverständlich zusteht. Sowohl das Präsidium als auch der Vorstand der CDU entschieden sich für die Kandidatur von Armin Laschet. Dieses Signal war gewiss auch in der Staatskanzlei in München unüberhörbar. Dass die CDU-Granden bei ihrem Votum auch die jüngsten demoskopischen Befunde bestens kannten, hat niemand infrage gestellt. Diese Umfragen sind jedoch stets Momentaufnahmen der aktuellen Stimmungen. In früheren Zeiten fielen sie für die CDU-Kanzlerkandidaten Adenauer und Kohl zum Teil keineswegs verheißungsvoll aus. Im Vorfeld der Bundestagswahl 1987 lag der SPD-Mann Johannes Rau lange Zeit weit vor Helmut Kohl, obwohl dieser den Vorteil des Kanzlerbonus hatte. Bei der Bundestagwahl 1980 konnte sich der mächtige Franz-Josef Strauß von der CSU bei keiner Umfrage in der Gunst der Wähler sonnen. Und auch Edmund Stoiber war 2005 kein Umfragen-König, obwohl Angela Merkel dem CSU-Kandidat den Vortritt offeriert hatte.
Entscheidung der Partei beachten!
Söder, der momentan zweifellos in den Ranglisten der Demoskopen besser als Laschet abschneidet, versuchte einen hinterlistigen Trick, um dennoch zu seinem Ziel zu kommen. Einen Tag nach seinem Zugeständnis, Laschet den ersten Zugriff zu konzedieren, wollte er davon nichts mehr wissen und versuchte die Entscheidung über die Abgeordneten in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zu suchen. Dieses „Corriger la fortune“ gelang indessen nicht, obwohl 43 Abgeordnete der Fraktion mit insgesamt 245 Mitgliedern Stimmung für den Franken machten; davon kamen 13 MdB’s aus bayerischen Gefilden. Es ist durchaus verständlich, dass viele Unionspolitiker um ihr Bundestagsmandat bangen und deshalb auf Umfragezahlen wie das Kaninchen auf die Schlange blicken. In ihren Wahlkreisen sollten diese sich jedoch selbst profilieren und die höchste Popularität genießen, wenn sie dort von den Wählerinnen und Wählern die notwendigen Stimmen gewinnen und nach dem 26. September wieder in den Bundestag einziehen wollen. Ohnehin werden 25 bis 30 % der bisherigen Abgeordneten nicht mehr im nächsten Parlament vertreten sein, vor allem weil sie nicht mehr kandidieren werden und andere nachrücken wollen.
CDU-Granden gefordert!
Es hat einige Zeit gebraucht, bis die Führung der CDU auf die Chuzpe von Söder reagierte. Unverständlich fiel dabei die Stellungnahme des Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff, aus, der sich offen an den Kandidaten aus Bayern heranmachte. Offenbar befürchtet er, seine nächste Landtagswahl im Juni diesen Jahres zu vergeigen. Seine Worte, mit denen er sich von Armin Laschet distanzierte, erinnerten fast an die Brutus-Rede auf Gajus Julius Caesar im alten Rom. Ob Söder der Retter für den Mann aus Magdeburg sein könnte, das wird wohl ein ewiges Geheimnis bleiben.
Lange, viel zu lange hat es indessen gedauert, bis die Ministerpräsidenten aus Hessen und Schleswig-Holstein mit Klartext Position bezogen. Sie klärten Söder unmissverständlich darüber auf, dass die CDU als die große Schwesterpartei das erste Zugriffsrecht hat, wenn es um die Kanzlerkandidatur geht. Armin Laschet ist Anfang 2021 von den Delegierten seiner Partei mit über 80 % zum Vorsitzenden gewählt worden. Präsidium und Vorstand der CDU verfügen im besten Sinne unserer repräsentativen Demokratie über das Vertrauen und den Auftrag, ihren Spitzenkandidaten für die nächste Bundestagswahl aufzustellen. Das muss jetzt und sofort über alle Kanäle in Richtung München gefunkt werden – möglichst mit einer Lautstärke –, dass Markus Söder die Lust am Fallenstellen sowie auch Hören und Sehen vergehen. Das Publikum will, dass der Vorhang endlich fällt und das Trauerspiel im Unionstheater vom Spielplan beseitigt wird.
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