So funktioniert Propaganda: Der Sturm aufs Kapitol, der vor einem Jahr für breites Entsetzen sorgte und auch den Konservativen als schwarzer Tag für die Demokratie in den USA galt, wird verharmlost und gerechtfertigt. Die Republikanische Partei deutet das tödliche Geschehnis zu einem Akt „legitimer“ Meinungsäußerung um und straft andersdenkende Abgeordnete ab.
Mit der härtest möglichen Parteisanktion – einer formalen Rüge – hat das Nationalkomitee der Konservativen Partei (RNC) Liz Cheney und Adam Kinzinger belegt. Das entzieht innerparteilichen Kritikern von Donald Trump die Unterstützung und ebnet dem Rechtspopulisten den Weg zu einer neuen Präsidentschaftskandidatur. Dessen Demokratiefeindlichkeit findet in der Parteitagsresolution ihren Widerhall.
Der zentrale Vorwurf gegen Cheney und Kinzinger bezieht sich auf deren Mitwirken im Parlamentsausschuss zum 6. Januar. Das Gremium, das die Vorgänge untersucht und Hintergründe aufklären will, wird als Instrument einer parteipolitischen Kampagne verunglimpft. Das Wort von der Hexenjagd fällt wieder. Mit ihm hatte sich Trump auch gegen das Amtsenthebungsverfahren gewehrt, für das Cheney und Kinzinger gestimmt hatten.
Nun wirft ihnen die 168-köpfige Parteiführung vor, dass ihr Verhalten zerstörerisch sei „für das US-Repräsentantenhaus, die Republikanische Partei und unsere Republik“. Beobachter berichten von nur vereinzelten Gegenstimmen beim Wintertreffen des RNC in Salt Lake City. Senator Mitt Romney kritisierte den Beschluss als „Schande“ für seine Partei. Cheney hatte die Parteiführung schon vor der Abstimmung als Trumps Geiseln bezeichnet und ihr eine Abkehr von der Verfassung vorgeworfen. Kinzinger sprach von einer fatalen Kultur „toxischen Gehorsams“.
Als prominenter Widerpart des erstarkenden Trump-Lagers positioniert sich dessen ehemaliger Vize-Präsident Mike Pence. Nach dem RNC-Treffen widersprach Pence dem abgewählten Präsidenten, der von ihm verlangt hatte, das Wahlergebnis am 6. Januar 2021 nicht zu bestätigen. Trump „liegt falsch“, sagte Pence und: „Die Präsidentschaft gehöre dem amerikanischen Volk alleine.“ Es gebe „keine unamerikanischere Idee als die Auffassung, irgendeine Einzelperson könne den amerikanischen Präsidenten bestimmen“. Er forderte Trump und die Partei auf, das Wahlergebnis endlich anzuerkennen.
Doch dieser Appell wird bei Trump auf taube Ohren stoßen. Er deutete eben erst seine Ambitionen für eine neuerliche Kandidatur an und stellte für den Fall einer zweiten Wahl ins Präsidentenamt die Begnadigung der Kapitolstürmer in Aussicht. Schließlich hatte er seine Anhänger dazu aufgestachelt. Und mit der Weigerung, den Wahlsieg von Joe Biden anzuerkennen, vertieft er die Gräben, die sein Nachfolger zu überwinden versucht.