Drei Terroranschläge in drei Monaten haben Großbritannien in tiefe Verunsicherung gestürzt. Wenige Tage vor den Unterhauswahlen mischen sich Trauer, Ängste und Entsetzen mit wachsenden Zweifeln an Kompetenz und Redlichkeit der Premierministerin. Theresa May, die nach dem Brexit-Referendum vor einem Jahr antrat und sich als neue Eiserne Lady inszenierte, sieht sich auf der britischen Insel beißendem Spott ausgesetzt. Ihr schon sicher geglaubter Wahlsieg am 8. Juni wackelt.
Das Kalkül der konservativen Regierungschefin war, als sie überraschend und gegen ihre vorherige Beteuerung vorgezogene Neuwahlen ankündigte, ebenso durchsichtig wie dreist. Mit einem komfortablen Vorsprung in den Umfragen setzte sie darauf, ihre Macht zu festigen, sie durch ein Wählervotum auszubauen und ihre Position in den Ausstiegsverhandlungen mit der Europäischen Union zu stärken. Knallhart gab sie sich, rigoros gegenüber Brüssel, siegesgewiss im eigenen Land.
Stimmung dramatisch verändert
Hochmut kommt vor dem Fall. Binnen weniger Wochen hat sich die Stimmung dramatisch verändert. „Lügnerin, Lügnerin“, heißt es in einem der meist gehörten Popsongs auf der Insel, der Theresa May den Wortbruch zum Thema Wählen vorhält. Scharfe Kritik und kalte Häme ergossen sich über die Premierministerin in einer Wahlkampfsendung des britischen Fernsehens. Die Umfragewerte der Torys stürzten regelrecht ab, und Labour-Chef Jeremy Corbyn wuchs in der Rolle des Herausforderers zu ungeahntem Format heran.
Stimmungen sind kurzlebig, Wahlentscheidungen unberechenbar. Die Terrorserie, die London und Manchester erschüttert, hat den Brexit als Wahlkampfthema in den Hintergrund gedrängt und Mays Strategie durchkreuzt, als nationalistische Macherin zu punkten, die britische Interessen durchsetzen wird. Die Zweifel daran, dass ein harter Brexit tatsächlich zum Wohl der Menschen sein werde, nahmen ohnehin mit jedem Tag zu, der die konkreten Auswirkungen der herbeigezogenen Entscheidung vor Augen führte.
Schotten wollen neues Referedum
Die Jugend, die dem Referendum durch Abstinenz zum Erfolg verhalf, macht sich jetzt mit dem neuaufgelegten Protestsong Luft, der die Glaubwürdigkeit der Regierungschefin in Frage stellt. Die schottische Regierung hat ein neuerliches Unabhängigkeitsreferendum auf den Weg gebracht. Eher wollen sie, so die Botschaft, das Vereinigte Königreich verlassen als Europa. Zugleich zeigen die Attentate mit eindringlicher Wucht die Fragwürdigkeit eines Alleingangs auf. Dem internationalen Terrorismus mit verminderter Zusammenarbeit begegnen zu wollen, stellt sich vielen Briten gerade nicht als eine vernünftige Perspektive dar.
Theresa May taktiert weiter. Sie nutzte ihr Amt in der vereinbarten Wahlkampfpause, dem Innehalten aus Respekt vor den Opfern und ihren Angehörigen, zu einem durch und durch parteipolitischen Statement, das den Extremisten den Kampf ansagte, jegliche Substanz jedoch vermissen ließ. Ihre derbe Wortwahl deutet auf die Nervosität hin, die sie erfasst hat. Zumal ihr mit ihrem Ruf nach mehr Härte die Überzeugungskraft schon deshalb fehlt, weil sie in ihrer Zeit als Innenministerin tausende Stellen bei der Polizei gestrichen hat und weil auch die von ihr nun als zu lasch kritisierten Sicherheitsgesetze in ihre Verantwortung fielen.
Am Donnerstag haben die Briten die Wahl, und sie wird spannender, als Theresa May und ihre Torys es erwartet haben.
Bildquelle: Wikipedia, Francis Tyers – Ambulances at Russell Square, London after the 2005-07-07 bombings, CC BY-SA 3.0