Die AfD ist gefährlich. Sie trifft mit einfachen Botschaften den Nerv weiter Teile der Bevölkerung. Die Ursachen für die Bereitschaft, der AfD Stimmen bei Wahlen zu geben sind vielfältig und längst nicht nur mit der Enttäuschung über Regierungshandeln oder den Verlust gesellschaftlicher Identität zu erklären.
Nach meiner Wahrnehmung spielen folgende Entwicklungen die entscheidende Rolle:
- Akzeptanzverlust der Demokratie
- Marginalisierung der Erinnerungskultur
- Bildungsferne
Schon allein der erste Bereich ist in mehrere Teilaspekte zu gliedern.
Zahlreiche Wählerinnen und Wähler fühlen sich durch die demokratischen Institutionen nicht mehr hinreichend vertreten und verstanden. Aus deren Sicht führen Parlamente und Regierungen ein Eigenleben, das mit der Alltagsrealität nur wenig zu tun hat. Im Übrigen sehen sich diese Menschen in ihren sozialen Gruppierungen nicht oder unzureichend repräsentiert. Man kann es auch so ausdrücken: Arbeiter, Handwerker, Rentner und Menschen mit Migrationshintergrund sehen sich durch Lehrer, Juristen und sonstige überwiegend akademisch gebildete Parlamentarier nicht in ihren Interessen vertreten. Hinzu kommt die Dominanz von Interessenvertretungen aus der Wirtschaft und anderen Bereichen sowie die Gestaltungsmacht der Medien, die ein Gefühl der Hilflosigkeit vermittelt.
„Warum soll ich mich politisch engagieren oder einer Gewerkschaft beitreten, wenn von vornherein feststeht, dass ich nichts bewirken kann?“ Dieser Eindruck durchzieht zahlreiche Gespräche. Natürlich wird das Vertrauen in die politischen Akteure auch durch mangelhafte Kommunikation und öffentliche Auseinandersetzungen innerhalb der Regierung gemindert. Dabei spielt die Neigung der Medien, schlechte Nachrichten überzubetonen ebenso eine Rolle wie die Neigung führender Oppositions-Vertreter, auf staatspolitische Verantwortung und Teilhabe zu verzichten. Diese Melange aus Missständen, Fehlentwicklungen und grundsätzlichem Misstrauen gegenüber der Politik führt auch dazu, erfolgreiches Regierungshandeln nicht hinreichend zu bewerten und zu würdigen. Demokratie in Deutschland und in der westlichen Welt ist eine Errungenschaft, die nicht mehr selbstverständlich ist. Sie ist vergänglich wie alle Regierungsformen. Wir sind in Deutschland an einem Scheidepunkt angekommen, der Abwarten nicht mehr zulässt.
Gern beschwören wir auch die Erinnerungskultur mit bildstarken Schilderungen der Unmenschlichkeiten des Naziregimes, das die Deutschen zu Beginn mehrheitlich legitimiert haben. Aber die Zahl der unmittelbar Betroffenen oder in den Folgen dieser Zeit erwachsen gewordenen ist drastisch geschrumpft. Hinzu kommt, dass eine unmittelbare Aufarbeitung der monströsen Verbrechen zunächst unterblieben ist und spätere Versuche nicht mehr genug Wirkungskraft hatten. Versäumnisse in der Bildungsarbeit haben ein Übriges getan. Heutige Versuche, Vergangenes durch Aufrufe und starke Erklärstücke anlässlich schlimmer Jubiläen ins Bewußtsein zu rufen, sind leider von geringer Wirkung. Dies ist empirisch belegt.
Eine Rolle bei der richtigen Einschätzung der politischen Vorstellungen der AfD spielt natürlich der Bildungsgrad. Die Zahl derjenigen Medienkonsumenten, die sich ernsthaft ein Bild von den zu erwartenden Auswirkungen der AfD Programme machen wollen, ist gering. Der „Boulevard“ hat hier das Sagen. Hinterfragt werden die angeblich so logischen und einfachen Lösungen so gut wie nie. Die Menge der so strukturierten Wählerinnen und Wähler zeigt das Gefahrenpotential auf.
Schnelle und wirksame Schritte zu einer Eindämmung der AfD sind durch bisherige Maßnahmen und Handlungsmaximen nicht zu erwarten. Die Wehrhafte Demokratie muss sich deshalb auf ihre juristischen Möglichkeiten besinnen. Das NPD – Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus jüngster Zeit zeigt einen Weg auf. Vom Verbot wurde die NPD nur durch ihre geringe Zahl der Mitglieder und Wähler verschont. Bei größerer politischer Bedeutung hätte die erwiesen rechtsextreme Haltung zu einem Verbot ausgereicht. Die AfD ist in drei Bundesländern vom Verfassungsschutz exakt in gleicher Weise eingestuft worden. Wer hindert daran, in diesen Ländern einen Verbotsantrag zu stellen? Ein oft gehörtes Gegenargument, solche radikalen Gruppierungen würden sich nach einem Verbot eben in anderer Namensgebung neu organisieren, können aus der Geschichte der Bundesrepublik nicht belegt werden. Weder die SRP ( Sozialistische Reichspartei, Verbot 1952) noch die KPD (Verbot 1956) haben in Nachfolgeorganisationen anhaltende Erfolge verbuchen können. Und hinzu kommt, dass durch ein Verbot in den Ländern die Erfolgsserie der AfD gebrochen würde. Wählerinnen und Wähler wollen ihre Stimmen nicht wirkungslos vergeben, was die Akzeptanz der Partei insgesamt schwächen würde. Im kommenden Jahr kann die AfD in drei Bundesländern stärkste Kraft werden und die anderen Parteien zu Not Koalitionen zwingen, deren Erfolg mehr als ungewiss wäre. Es muss jetzt gehandelt werden.
Es sind vier Bundesländer, in denen die AfD aktuell vorn liegt. Ein Land wird immer vergessen – Mecklenburg-Vorpommern: Hier hatte die AfD in den letzten Umfragen um 35 % und ist dort derzeit stabil die stärkste Partei.