Als vor nicht einmal vier Monaten das Martyrium für die Bevölkerung des syrischen Aleppo endlich ein Ende nahm und einige tausend Zivilisten aus dem Bombenhagel nach Idlib fliehen konnten, war abzusehen, dass der Krieg ihnen folgen würde. Mit dem Giftgaseinsatz, dem in Chan Schaichun nach offiziellen Angaben mehr als 80 Menschen zum Opfer fielen, ist die Befürchtung auf schrecklichste Weise Wirklichkeit geworden. In der Region, die noch von Rebellen kontrolliert wird, tobt der erbitterte Krieg von Baschar Assad gegen die Milizen, die ihn stürzen wollen, mit all seiner Grausamkeit, all den Gräueltaten und Verbrechen gegen die Menschlichkeit fort. Ein Weg, das Morden und Leiden nach sechs furchtbaren Jahren zu beenden, ist nicht in Sicht.
Der neue US-Präsident Donald Trump schlägt kräftige Töne an. Noch ehe Klarheit über die Verantwortung für den Einsatz des Nervengases Sarin geschaffen ist, entzieht er dem Assad-Regime seine Gunst und droht ihm indirekt mit einem Militärschlag. Weil dem unberechenbaren Selbstdarsteller im Weißen Haus alles zuzutrauen ist, warnen ihn seine Verbündeten schon vor einem Alleingang. Rote Linien seien überschritten, sagt Trump und spricht von unzumutbaren, nicht zu duldenden Vorgängen. Seine Botschafterin bei den Vereinten Nationen hält Fotos getöteter Kinder in die Kameras und weckt Erinnerungen an den völkerrechtswidrigen Irakkrieg, den seinerzeit George W. Bush anzettelte. Luftangriffe, Bodentruppen? Die Welt rätselt, was Trump im Schilde führt, doch wenn politische Vernunft in den USA überhaupt noch eine Rolle spielt, wird – wie zu Barack Obamas Zeiten – nichts passieren. Zu viele Interessen tummeln sich auf den syrischen Schlachtfeldern, zu unkalkulierbar sind die weltpolitischen Folgen eines militärischen Eingreifens.
Weniger statt mehr Gewalt, bleibt das Gebot der Stunde. Jedoch ist auch hier keine neue Entschlossenheit erkennbar. Im Weltsicherheitsrat wird lautstark Empörung geäußert, das Vetorecht der fünf ständigen Staaten wird eine wirksame Resolution nicht zulassen. Selbst wenn Trump seinen chinesischen Amtskollegen Xi in Florida von Russlands Seite wegziehen könnte, kann Moskau seine schützende Hand über Assad halten. Nicht, weil der russische Präsident Wladimir Putin den syrischen Despoten so sympathisch fände, sondern weil Russland in Syrien seine eigenen macht- und geopolitischen Interessen verfolgt. Und neben Russland all die anderen Staaten, die sich auf die eine oder andere Seite geschlagen haben und den Krieg mit Waffen, Geld und Kämpfern befeuern. Und beide Seiten haben schwerste Kriegsverbrechen begangen.
Beim Kampf um Aleppo hat der damalige UN-Generalsekretär Ban Ki Moon das völlige Versagen der Weltgemeinschaft eingeräumt, und sein Nachfolger, der Portugiese Antonio Guterres, sieht sich einem US-Präsidenten gegenüber, der die UNO und ihre schwerfällige Diplomatie verachtet, der Mittel für die Hilfsprogramme kürzen und sie damit in ihrer Existenz gefährden will. Wohl wahr, man kann an der Tatenlosigkeit der Vereinten Nationen verzweifeln. Die Zusammensetzung und das Vetorecht im Weltsicherheitsrat sind überholt und gehören dringend reformiert. Es ist auch zutiefst beschämend, dass die einzige Instanz der Welt, die Kriege zwischen den Völkern unblutig beilegen und verhindern sollte, zur Ohnmacht verdammt ist. Aber wir haben nur diese UNO, und jede weitere unwirksame Resolution, die das Sterben nicht stoppen und den Krieg nicht beenden hilft, ist eine neue Schande für die Welt.
Bildquelle: wikipedia, Screenshot von https://www.youtube.com/watch?v=yp_Ju6742Z0,(CC BY 3.0
Ich wäre dankbar, wenn die Quelle für die Aussage, dass „nach offiziellen Angaben“ einem „Giftgaseinsatz in Chan Schaichun mehr als 80 Menschen zum Opfer“ fielen, noch ergänzend angegeben würde.
Wenn es dazu „offizielle Angaben“ geben kann, wäre das höchst erfreulich. Nach meinem Überblick ist das Dilemma, dass es dazu kurzfristig keine „offizielle Angaben“ geben kann.