Nach der Entrümpelung kommt die Verschärfung. Jedenfalls wenn es nach dem Willen der neuen Regierungsparteien geht. Im gemeinsamen Koalitionsvertrag wird – sprachlich etwas verunglückt – die „Verschärfung des strafrechtlichen Schutzes“ (Rz. 2862) als neuer Leitgedanke für Veränderungen im materiellen Strafrecht ausgegeben.
Damit muss man jedoch nicht die Befürchtung haben, dass einst entrümpelte Paragrafen wieder ins Strafgesetzbuch eingeführt werden. Denn schon eine echte Entrümpelung gab es unter dem damaligen Bundesjustizminister Marco Buschmann nicht. Was es gab, waren mediale Ankündigungen des Ministers. So ließ Buschmann gegenüber der Funke Mediengruppe Ende 2022 verlautbaren: „Wir werden genau prüfen, welche Straftatbestände historisch überholt sind. Unzeitgemäße Strafvorschriften werden wir streichen.“
Die nun in Aussicht gestellte Verschärfung zielt laut Koalitionsvertrag vor allem auf eine Anhebung beziehungsweise Erweiterung von Strafrahmen und will sogenannte Strafbarkeitslücken im Gesetz schließen. Das ist eine ganz andere Herangehens- und vor allem Sichtweise, als Buschmann sie hatte. Mit dem jetzigen Koalitionsvertrag fühlt man sich erinnert an einen strafenden Staat, der innere Sicherheit und die Lösung sozialer Probleme verstärkt mit den Mitteln des Strafrechts erreichen will. Das ist an sich zwar nichts Neues, aber verbunden mit dem Erstarken rechter Kräfte im Bund und in den Ländern darf man die Sorge haben, dass das liberale Strafrecht künftig weiter zurückgedrängt wird. Umso mehr gilt: Respice finem! Denn strafrechtliche Knüppel, die man jetzt in guter Absicht neu schafft (Stichwort: Politikerbeleidigung), könnten später einmal in den Händen von Demokratiefeinden landen.
Wie sich die angekündigten Änderungen im Einzelnen gestalten, bleibt abzuwarten. Ein Koalitionsvertrag ist bekanntermaßen noch nicht der Weisheit letzter Schluss. Auf ein Detail sei an dieser Stelle dennoch hingewiesen: Laut Vertrag soll auch ein „erweiterter Schutz“ geprüft werden „für das Allgemeinwohl Tätige“ (Rz. 2863-2864). Das klingt zunächst gar nicht schlecht. Wer aber zu diesem besonders geschützten Personenkreis gehören soll, darüber lässt sich – auch im Sinne einer Klientelpolitik – streiten. Den Autor etwa könnte man problemlos dazuzählen, schließlich ist er Mitglied im Verein Freiabonnements für Gefangene e. V., der sich tatkräftig für gefangene Menschen und deren Resozialisierung und damit für ein gesamtgesellschaftliches Ziel einsetzt.
Letztlich entscheidet über alle Änderungen im materiellen Strafrecht der Gesetzgeber. Dabei ist auch klar, dass sich die neue Bundesregierung mit ihren Gesetzesvorlagen an Paragraf 42 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien messen lassen muss. Dort heißt es, dass Gesetzentwürfe „sprachlich richtig“ und „möglichst für jedermann verständlich gefasst sein“ müssen. Das hat in der Vergangenheit leider nicht immer geklappt.
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