Keine Frage: Der SPD-Politiker und Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier(60) ist ein guter, vielleicht der beste Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten. Und dass die Einigung von CDU, CSU auf den von SPD-Chef, Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel vorgeschlagenen Kandidaten Steinmeier für die Nachfolger von Joachim Gauck eine Entscheidung der Vernunft ist, da wird kaum jemand der CDU-Chefin und Bundeskanzlerin Angela Merkel widersprechen. Aber es ist auch, und da hat Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, der selber im Gespräch für das höchste Amt im Staate war, auch Recht: Es ist eine Niederlage der Union, die Merkel erst mal ihrer Partei wird erklären müssen. Zumal man diese Lösung ohne das ganze Hickhack viel früher hätte haben können.
SPD in Feierlaune
Die SPD dagegen war in Feierlaune, auf Bundesebene hatte man so ein Gefühl schon lange nicht mehr. Das Amt des Bundespräsidenten jetzt greifbar nahe, da kamen den Sozialdemokraten auch andere Gedanken in den Sinn. Schließlich hatte die Wahl des ersten SPD-Politikers zum Staatsoberhaupt, Gustav Heinemann, 1969 einen Machtwechsel eingeleitet, der wenig später die sozialliberale Bundesregierung unter der Führung von Bundeskanzler Willy Brandt zur Folge hatte. Aber da kann man die SPD nur warnen und mahnen, die Tassen, oder besser die Gläser noch im Schrank zu lassen. Die Partei steht in allen Umfragen bei rund 22 Prozent. Die Zeiten sind andere heute als damals. Ende der 60er Jahre war die SPD auf dem Vormarsch mit Brandt, Schmidt, Schiller, Möller und vielen anderen, während die Union über all die Regierungsjahre müde geworden war und verbraucht wirkte.
Es kommt hinzu, dass mit der rechts-populistischen AfD eine neue Partei auf dem Markt ist, von der man annimmt, dass sie in den nächsten Bundestag mit ziemlicher Stärke einziehen wird, eine Stärke, die zulasten der Union, aber auch der SPD gehen wird. Und keiner hat bisher ein wirksames Mittel gefunden, um dieser Partei, die mit Parolen Politik macht, das Wasser abzugraben.
Kanzlerin ohne Händchen für Personalpolitik
Und bei allem Respekt für Steinmeier: Der Kompromiss ist peinlich für Merkel, die wieder mal bewiesen hat, dass sie kein feines Händchen für die Personalpolitik hat. Da werden über Wochen Namen über Namen genannt, neben Schäuble, Volker Bouffier, der hessische Ministerpräsident, Norbert Lammert, der Bundestagspräsident, Gerda Hasselfeldt, die Chefin der CSU-Landesgruppe im Bundestag, eine Frau, die gut mit Merkel kann. Und es war nicht möglich, aus dem Lager der Union jemanden zu finden, der ins Schloss Bellevue einziehen möchte? Merkel hat es auch nicht geschafft, einen parteipolitisch unabhängigen Kandidaten zu finden. Die Union stellt die weitaus größte Gruppe in der Bundesversammlung, die am 12. Februar zusammentritt und deren einzige Aufgabe darin besteht, einen Bundespräsidenten zu wählen. Es kann nicht verwundern, dass der eine oder andere CDU-Politiker mit der Personalauswahl von Angela Merkel nicht so ganz einverstanden ist, um es höflich zu formulieren.
Fehler Christian Wulff
Schon bei der Wahl von Christian Wulff, den Merkel damals gegen Joachim Gauck im dritten Wahlgang durchgesetzt hatte, um einen lästigen Konkurrenten in der eigenen Partei loszuwerden, hatte Merkel wenig Gespür bewiesen. Mag sein, dass sie die Bedeutung des Amtes des Bundespräsidenten eher niedrig einstuft, weil der Präsident faktisch nicht viel zu sagen hat. Er unterschreibt die Gesetze, die der Bundestag zumeist auf Initiative der Regierung verabschiedet. Seine Macht besteht im Grunde in der Repräsentation und in der Kunst der Rede. Letzteres zählt nicht unbedingt zu den Vorzügen der Kanzlerin, die im Übrigen immer noch zögert, ihre Bereitschaft zu einer weiteren Kandidatur für die vierte Amtszeit bekannt zu geben.
Lob von FDP und Grünen
Dass die FDP dem SPD-Kandidaten bescheinigt, er sei ohne Zweifel eine sehr respektable Persönlichkeit, ist aller Ehren wert. FDP-Chef Lindner hat die Liberalen zu einer unabhängigen Partei geformt, aber es wartet noch eine lange Strecke auf ihn, ehe er wieder auf Bundesebene mitreden und vielleicht auch mitregieren kann. Zunächst muss er den Sprung in den Bundestag schaffen. Kein leichtes Unterfangen. Dass die Grünen die Einschätzung der FDP hinsichtlich der Person von Frank-Walter Steinmeier teilen, konnte man erwarten. Man hat schließlich ein paar Jahre zusammen regiert.
Lediglich die Linke fällt wie üblich aus dem Rahmen und attackiert wie gewohnt den Außenminister wegen seiner aktiven Rolle bei der Agenda 2010, damals unter dem Kanzler Gerhard Schröder und erweckt wieder mal den Eindruck, als sei durch die Hartz-IV-Gesetzgebung Deutschland in den Armutsstrudel geraten. Die Linke wird einen Zählkandidaten präsentieren. Hinter allem muss man ohnehin Oskar Lafontaine vermuten, den Ex-SPD-Chef, der 1999 die Brocken hinwarf und zur Linken überlief. Dass diese Linke ein verlässlicher Partner für eine Rot-Rot-Grüne Regierung sein kann, darf man bezweifeln.
Genugtuung für Sigmar Gabriel
Sigmar Gabriel wird die Entscheidung der Union, seinen Vorschlag zu akzeptieren und den SPD-Politiker Steinmeier bei der Wahl zu unterstützen, heißt zu wählen, mit einiger Genugtuung vernommen haben. Ein Sieg für ihn, der es nicht leicht hat als Chef einer Partei, die noch längst nicht geschlossen hinter ihrem Vorsitzenden steht, was sich Gabriel mit seiner gelegentlich wankelmütigen Politik selber zuzuschreiben hat. Aber die Zustimmung in der SPD für ihn wächst, der mitgliederstärkste Landesverband hat sich schon vor Wochen für Gabriel als Kanzlerkandidaten ausgesprochen. Hannelore Kraft, die Landeschefin der SPD in NRW, die nicht immer mit Gabriel übereinstimmte, hat längst signalisiert, dass die ihn stützt. Und jetzt kommt noch die Freude über den Präsidenten-Kandidaten Steinmeier, der ja als gebürtiger Detmolder ein Landeskind der Ministerpräsidentin ist.
Ein Bundespräsident Steinmeier wird wie alle seine Amtsvorgänger die Parteimitgliedschaft in der SPD ruhen lassen. Gewählt mit einer breiten Mehrheit- Stimmen der Union, SPD, der Grünen, der FDP, der Piraten-wäre er der Präsident aller Deutschen. In schwierigen Zeiten, da die Balance in unserer Gesellschaft ins Wanken gerät und manches in Frage gestellt wird, kein schlechtes Signal.
Bildquelle: Wikipedia, Sven Teschke, CC BY-SA 3.0 DE