Der Fernsehzuschauer staunte am Samstagabend nicht schlecht. Da meldete die „Tagesschau“, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) 2017 wieder antreten werde. Dies habe der „Spiegel“ gemeldet. Ja und? fragte sich der Zuschauer. Wo ist denn da die Neuigkeit? Wenn Merkel nicht mehr antreten werde, klar, aber so. Am nächsten Morgen lese ich in der Sonntagsausgabe des Berliner „Tagesspiegel“ den Aufmacher: „Alle rechnen mit Merkel.“ Autor ist kein geringerer als der Chefredakteur des angesehenen Blattes in der Hauptstadt. Unterzeile: „Die Unionsparteien wollen sichergehen, dass sie 2017 wieder antritt.“ Hat das irgendwer bestritten, also ein wichtiger Funktionär in der CDU vielleicht, oder hat die Amtsinhaberin Signale gesendet, dass sie amtsmüde sei? Nichts davon.
Aber ich lese dann noch ein paar Zeilen weiter und erfahre, dass der „Spiegel“ über ein Strategietreffen der Union berichtet, Merkel habe sich entschieden. Im Internet werde ich zusätzlich unterrichtet, dass Merkel sich offiziell 2016 erklären werde, CSU-Chef Horst Seehofer sei involviert, der bayerische Ministerpräsident habe das Ziel für den Urnengang 2017 ausgegeben: Absolute Mehrheit mindestens der Mandate. Ich reibe mir immer noch die Augen, weil ich was Neues suche, irgendwas Wichtiges und finde im „Tagesspiegel “ den erklärenden Satz für diese Non-Nachricht über Merkel: die CDU-Zentrale in Berlin habe das alles mit dem Kommentar versehen, nicht jede Meldung im Sommerloch sei es wert, kommentiert zu werden. Na also, weil sonst nichts los ist, muss Merkel herhalten als Aufmacher.
Kanzlerin füllt das Sommerloch
Die Kanzlerin als Sommerloch-Füller. Das ist es und das Hamburger Nachrichtenmagazin ist dabei, wird als Quelle zitiert, nach Informationen des „Spiegel“. Da wird man gleich an früher denken, als der „Spiegel“ noch der „Spiegel“ war, als Politiker und Top-Manager noch die Montagausgabe des „Spiegel“ fürchteten, die an ein paar Hundert Leser schon am Sonntag verschickt worden war. Da fanden sich dann die Sensationen, Nachrichten, die Politikern nicht nur Kopfschmerzen bereiteten, sondern einigen von ihnen den Kopf kosteten, als die Spiegel-Redakteure Spenden- und andere Affären aufdeckten und die übrige Medienwelt gezwungen war, diese exklusiven Geschichten abzuschreiben. Als der „Spiegel“ noch das „Sturmgeschütz der Demokratie“(Spiegel-Gründer Augstein) war.
Im „Tagesspiegel“ findet sich dann noch Alltägliches wie zum Beispiel, dass es klar sei, dass Merkel als „CDU-Chefin regelmäßig mit CDU-Generalsekretär Peter Tauber und CDU-Bundesgeschäftsführer Klaus Schüler spricht“. Auch über Strategien, weil anders die Partei nicht zu führen sei. Steht wörtlich in dem zitierten Blatt.
Und falls Merkel doch nicht mehr wolle und von der Leyen und de Maiziere die Partei nicht überzeugten, werde Volker Kauder gehandelt. Als was bitte? Als Kanzlerkandidat? Kauder ist ein angesehener CDU-Mann, seit Jahren unumstrittener Fraktionschef. Wenn der das erfährt, dass er als Merkel-Nachfolger gehandelt wird, wird der sich kugeln vor lachen. Und sofort auf das Sommerloch verweisen, mit dem diese Geschichten gefüllt werden.
Schröder: Irgendwann is immer Ende
Übrigens, auch das steht in den Sommerloch-Geschichten, dass das alles zum Leidwesen der SPD sei, weil die gegen die beliebte Kanzlerin quasi chancenlos sei, darauf sei noch verwiesen, aber darüber haben wir ja an anderer Stelle schon ausführlich berichtet. Und noch eins findet sich dort: Frau Merkel wandert gerade mit ihrem Mann, dem Professor Sauer, in Südtirol. Sie hat gerade ein Museum eines berühmten Bergsteigers besucht, der aber selber nicht anwesend war.
Und wen es interessiert, noch eine kleine Geschichte: Der Karikaturist Heiko Sakurai, der für die WAZ und viele andere Blätter in Deutschland zeichnet, ein preisgekrönter Karikaturist, hat mir mal vor Jahren eine Zeichnung geschenkt. Da steht die Büste von Gerhard Schröder auf einem Sockel und der ruft der vorbeiziehenden Merkel mit Täschchen unterm Arm hinterher: „Noch sind Sie Kanzlerin, aber irgendwann is immer Ende!“ Schröder muss es wissen. Merkel hat ihn bei der Wahl 2005 abgelöst. Seit zehn Jahren regiert die 61-jährige nun die Republik. Helmut Kohl war übrigens 16 Jahre Kanzler, ehe er von Schröder besiegt wurde.