Den römischen Historiker Sueton hätte der 20. April 2021 sicherlich gefreut. Denn an diesem Tag wurden die Gaius Julius Caesar zugesprochenen und von ihm überlieferten Worte Iacta alea est in München ernsthaft gesprochen, und zwar vom bayrischenMinisterpräsidenten. Er sagte kurz: „Die Würfel sind gefallen, Armin Laschet wird Kanzlerkandidat der Union“, sprach´s und verschwand – vom Tagesspiegel treffend wiedergegeben.
Die Zeit der Pandemie schafft sprachlich und im Sinn Merkwürdiges. Ursprünglich eröffneten die drei Worte nach Sueton den Krieg, Markus Söder beendete mit ihnen eine Art kriegerischer Auseinandersetzung, die nicht mit Schwert und Speer geführt wurde, gleichwohl mit Finten und Verrat.
Der Sieger im Kandidatengefecht, Laschet, im Gegensatz zu Söder mit dem urdeutschen Vornamen Armin ausgestattet (Markus, das ist der im März, im Monat des römischen Kriegsgotts Mars Geborene) kreierte einen „Brücken-Lockdown“. Ein Lockdown ist Abbruch, Unterbrechen der Normalität nach einem Vorfall, einem Attentat zum Beispiel. Im Pandemie- Wörterbuch werden daraus Abbruch und Stillstand des öffentlichen Lebens.
Was soll also ein Lockdown überbrücken? Die Wort-Schöpfung ist demnach Unsinn. Geschaffen, um in die öffentliche Debatte etwas Neues hinein zu quetschen.
In die Reihe der Merkwürdigkeiten gehört der Satz des stellvertretenden FDP-Vorsitzenden Wolfgang Kubicki: „Diese Bundesregierung tritt unsere Verfassung mit Füßen.“
Ginge es noch mit rechten Dingen zu, hätte Bundespräsident Wolfgang Schäuble seinem Stellvertreter Kubicki bei Gelegenheit etwas hinter die Ohren geben müssen. Warum?
Kubicki erklärte: Ein Verfassungsorgan, die Bundesregierung, tritt die Verfassung, die sie durch Eide gesichert schützen muss, mit Füßen. Justiziabel ist das wohl nicht, aber geschmacklos, kritikwürdig und eines stellvertretenden Parlamentspräsidenten unwürdig. Verbal-Populismus der schlimmsten Sorte. Wer ein geschätztes und geschütztes Gut mit Füßen tritt, hat allemal Wertschätzung, Respekt, Verständnis verloren. Der wird ausgegrenzt. Und was geschieht in diesem Fall? Nichts. Auf geht’s zum nächsten Ausfall.
Weniger dreist, aber dennoch sehr merkwürdig ist eine Bemerkung des neuen SPD-Landesvorsitzenden Thomas Kutschaty. Er sprach sich dagegen aus, die Impf- Priorisierung derzeit aufzuheben. Begründung: Sonst würden sich „die durchsetzen, die die besseren Möglichkeiten und die besseren Kontakte zu Ärzten und Sonstigen haben, die Impfstoffe vergeben“.
Hatte der Mann sich überlegt, was er da sagte? Ein Augenblick wegfallenden Nachdenkens? Er fuhr fort: Die höchst unterschiedlichen Infektionsraten, die aus mehr oder weniger wohlhabenden Kölner Stadtteilen berichtet würden, hätten ihn fassungslos gemacht: „Ich kann mir gut vorstellen, welcher Stadtteil als erster durchgeimpft ist, wenn das freigegeben wird, und welcher als letzter.“
Darin steckt ein harter, durch nichts und niemanden gerechtfertigter Vorwurf an die Stadt, an Ärzte, Rotes Kreuz und andere, die für Impfen in Zentren und Praxen Verantwortlichen. Mir fällt dazu nur Bonnie Tyler ein: „It’s a heartache
Nothing but a heartache…“
Ein ganz besonderes Kapitel des schenkte uns nun der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer. Er fuhr nach Moskau, um dort Staatschef Wladimir Putin zu treffen; Bundesaußenminister Heiko Maas zu korrigieren und 30 Millionen Dosen eines in der EU nicht zugelassenen Impfstoffs zu bestellen, den er in Sachsen lagern, aber nicht verwenden kann, so lange die Zulassung fehlt. Ein Treffen mit Putin kam nicht zustande, aber immerhin ein Telefongespräch mit ihm. Ein Ortsgespräch.
Da kein Treffen zustande kam, aber ein Ortsgespräch (Hallo Wladimir,… Hallo Michael) musste man improvisieren: Spiegel online bildete MP Kretschmer ernst am Tisch sitzend und mit gefalteten Händen ab.
N-tv brachte ersatzweise ein Foto mit Sputnik- Impfstoff in kleinen Fläschchen.
Das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) zeigte mangels Original vom Fototermin einen im Auto sitzenden und das Smartphon ans Ohr haltenden MP Kretschmer. Auch nicht schlecht.
Die Freie Presse veröffentlichte ein Foto mit Kretschmer und Putin im Gespräch aus dem Jahr 2019. Das will ich lieber nicht kommentieren.
Und T-Online bildete den Bundesaußenminister ab, der Kretschmer warnte. Frei nach Heinrich Böll: Ende einer Dienstfahrt. In der Geschichte hießen die Hauptfiguren aber nicht Putin und Kretschmer sondern beide Gruhl. Hier schließe ich die Merkwürdigkeiten. Licht aus und Vorhang zu. Vielleicht finden Sie ja weitere Vorkommnisse dieser Art, sogar schönere. Gutes Gelingen!