Zu sagen hat der Bundespräsident in Deutschland nicht all zu viel, er wirkt durch die Kraft seiner Worte. Er repräsentiert vielmehr die Republik in aller Welt. Aber gleichwie, das Amt ist begehrt, und die Frage, wer deutsches Staatsoberhaupt wird, ist eine hochpolitische. Sie war auch oft eine Generalprobe für einen späteren Machtwechsel im Kanzleramt. Beispiel 1969. Da wurde Gustav Heinemann Bundespräsident, gewählt von der SPD und der FDP, wenige Monate später wurde Willy Brandt erster Kanzler der SPD.
Bundespräsident Joachim Gauck kam ins Schloss Bellevue mehr durch einen Zufall. Weil der Amtsinhaber Christian Wulff zurücktrat, war plötzlich ein Platz frei, der eigentlich auf längere Zeit für besetzt galt. Wulff war schließlich Präsident geworden, weil die Bundeskanzlerin es wollte. Sie wollte es, weil sie sich damit einen unliebsamen Konkurrenten auf der politischen Bühne in Berlin vom Leibe schaffen wollte. Und hätte Wulff nicht so unglücklich hantiert, er könnte heute noch im Schloss sitzen.
Angela Merkel wollte den früheren Pfarrer zunächst nicht und setzte Wulff gegen Widerstände durch, der bis dahin Ministerpräsident von Niedersachsen gewesen war. Erst im dritten Wahlgang schaffte er die nötige Mehrheit, fast peinlich. Dann im Amt wurde er vom Boulevard gefeiert mitsamt neuer Gattin und Kleinkind. Im Schloss saß plötzlich eine richtige Familie. Man nennt das wohl Patchwork. Der Mann hatte aber den Lehrsatz vergessen: Wer mit „Bild“ im Aufzug nach oben fährt, fährt auch mit „Bild“ wieder in den Keller, so formulierte es Springer-Chef Döpfner, als der Bundespräsident ins Schlingern geriet und am Ende entnervt aufgab.
So geht Machtpolitik
Und jetzt, wer jetzt? Die Wahl fiel auf Gauck und plötzlich war er, der einstige Bürgerrechtler aus der DDR, Merkels Präsident. So geht Machtpolitik. Gauck ist beliebt im Volk und bis auf die Linke auch in der Politik. Aber das mit der Linken hat er auch so gewollt, die Nachfolger der SED und PDS sind nicht seine Freunde, sie werden es auch nicht werden. Müssen sie auch nicht sein. Aber Gauck ist 76 Jahre alt. Wenn der nächste Bundespräsident gewählt wird am 12. Februar 2017, wäre er 77 Jahre. Er wäre damit der älteste Präsident, den die Bundesrepublik je hatte.
Es wird seit Monaten darüber spekuliert, ob er weitermacht. Angela Merkel würde es ebenso begrüßen, wenn er nochmal kandidierte, so hat sie es unlängst ausgedrückt, wie führende SPD-Politiker und die Grünen sicher auch. Mehr sagt man dazu öffentlich nicht, man will das Amt nicht beschädigen. Der Inhaber soll sich selber erklären. Bisher hat er es nicht getan, sondern am Rande seines jüngsten China-Besuchs lediglich gesagt: “In ein paar Wochen oder Monaten werde ich es der deutschen Öffentlichkeit sagen.
Tagesspiegel heizt Gerüchteküche an
Überhaupt der China-Besuch. Tagesspiegel-Chefredakteur Casdorff geriet in einem Beitrag nach der Reise geradezu ins Schwärmen. „Mehr geht nicht“, so der Titel seiner Geschichte über die Auftritte und Reden im Reich der Mitte, das Staatsoberhaupt habe seine „Klasse gezeigt“. Fazit für das liberale Berliner Blatt: „Bundespräsident Joachim Gauck begeistert bei seinem China-Besuch.“ Und dann kam unvermittelt der Satz: „Aber es gibt Indizien für den Verzicht auf eine zweite Amtszeit“.
Casdorff spricht das Alter des Amtsinhabers an, der im Fall seiner Wiederwahl am Ende der Legislaturperiode 82 Jahre wäre. Der Beitrag schließt mit dem Satz, der eine kleine Information wichtigen Inhalts enthält: Die vermietete Privatwohnung Gaucks in Berlin werde im kommenden Jahr wieder frei.
Hinter den Kulissen hat das Spiel, wer wird nächster Bundespräsident, sicher längst begonnen. In der Bundesversammlung, die den Präsidenten wählt, gibt es keine eindeutige Mehrheit, weder für Rot-Grün noch Schwarz-Gelb, um mal die alten Formationen zu nennen. Aber wie wäre es denn mit Schwarz-Grün? Zu beachten ist die Stimmenzahl der rechtspopulistischen AfD. Im Gespräch auf der SPD-Seite ist seit längerem Außenminister Frank-Walter Steinmeier, der sich selber natürlich zurückhält und weiß, dass eine Mehrheit für ihn in der Bundesversammlung ausgesprochen schwierig werden würde. Es sei denn, er wäre der Kandidat der Großen Koalition, wovon aber nicht auszugehen ist. Es ist eine Machtfrage, wer Präsident wird.
Hessische Grüne für Koalition mit CDU
In diesem Jahr sind nur noch Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern und in Berlin. Das wird die Stimmenverhältnisse in der Bundesversammlung nicht mehr entscheidend verändern, aber die Stimmung in der Bundesrepublik steht auf der Kippe. Zwar ist die SPD mit ihren 22 bis 25 Prozent in Umfragen weit weg von einer regierungsfähigen Mehrheit, aber die Union ist auch abgesackt auf jetzt 32 Prozent. Beide Volksparteien haben gerade in Baden-Württemberg eine ziemliche Klatsche eingefahren, die CDU hat zudem Mainz nicht gewonnen und das Abschneiden von CDU und SPD in Sachsen-Anhalt war nun auch nicht berauschend. Und überall zog die AfD in die Parlamente ein.
Angela Merkel ist längst nicht mehr die unumstrittene Chefin der Republik, ihre Flüchtlingspolitik hat sie in ihrer Partei sehr in die Bredouille gebracht, nicht nur die CSU ist auf Konfrontationskurs. Schwarz-Grün als Basis für die Wahl des Bundespräsidenten? Für die Bundestagswahl im Herbst 2017 hat gerade der einflussreiche hessische Grünen-Politiker und Wirtschaftsminister in der Allianz in Wiesbaden mit der CDU, Tarek Al-Wazir, seiner Partei empfohlen, darüber nachzudenken. Gilt dieser Wink vielleicht schon für den 12. Februar 2017?
Es wird spannend.
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