Am Sonntag wird in einem der kleinsten Bundesländer, dem Saarland, gewählt, aber der Urnengang an der Saar hat es in sich. Wenn die SPD und die Linkspartei unter Führung des alten Haudegen und EX-SPD-Parteichefs Oskar Lafontaine gemeinsam die Mehrheit der Mandate erringen, würde die einst stolze Riege der Unions-Ministerpräsidenten im alten Westen auf einen Regierungschef, nämlich Volker Bouffier, in Hessen zusammenschmelzen. Es wäre zugleich das erste rot-rote Bündnis in einem Landesparlament der ehemaligen Bundesrepublik. Die Wahl im Saarland ist zugleich der Auftakt der Wahlrunde im Jahr 2017, es folgt am 7. Mai die Wahl in Schleswig-Holstein, eine Woche später wird im bevölkerungsreichsten Bundesland, NRW, abgestimmt. Und am 24. September geht es um die Macht im Bund, darum, wer Kanzler in Berlin wird.
Nur 800000 Saarländer sind wahlberechtigt, also eigentlich unbedeutend, könnte man meinen. Wäre da nicht der Schulz-Effekt, neudeutsch auch Hype genannt, wäre da nicht eine große Koalition unter Führung von Annegret Kramp-Karrenbauer, eine klare Merkel-Anhängerin, wäre da nicht Oskar Lafontaine. Es könnte ein Stimmungstest werden, der nicht nur darüber entscheidet, wer in der Staatskanzlei in Saarbrücken das Sagen hat, sondern diese Wahl könnte so manchem in der Union in Berlin und darüber hinaus die Laune verderben.
Bis Martin Schulz kam
Annegret Kramp-Karrenbauer, die Ministerpräsidentin in diesem kleinsten Flächenland an der französischen Grenze, ist eine beliebte und anerkannte Regierungschefin. Zwischen ihr und der Mitregentin in der großen Koalition, der stellvertretenden Ministerpräsidentin Anke Rehlinger(SPD), gibt es, so weit bekannt, keine Probleme. Und lange sah es so aus, als sollte die Koalition aus CDU und SPD nach der Wahl am Sonntag wie selbstverständlich fortgesetzt werden. Kramp-Karrenbauers CDU lag über Monate klar vor dem Regierungspartner SPD und niemand zweifelte die Fortsetzung dieser erfolgreichen Allianz an. Ja, die Ministerpräsidentin von der CDU machte kein Hehl aus ihrer Vorliebe für die Koalition mit der SPD. Bis Martin Schulz kam. Und plötzlich muss die CDU an der Saar um den Sieg zittern, plötzlich erscheint ein Bündnis der SPD mit der Linken möglich. Wenn auch knapp, wie Meinungsumfragen wenige Tage vor der Wahl prophezeiten.
Für die CDU unter Parteichefin, Kanzlerin Angela Merkel, wäre eine Niederlage im Südwesten eine bittere Pille. Ich kann mich noch erinnern, als der damalige CSU-Landesgruppenchef Michel Glos von einer Fahrt von Bayern an die Küste schwärmte, weil er dauernd durch CDU-regiertes Land gefahren war: in NRW regierte der CDU-Politiker Jürgen Rüttgers, in Niedersachsen Christian Wulff, in Hamburg Ole von Beust, in Schleswig-Holstein Peter Harry Carstensen usw. Vorbei. In NRW regiert die SPD ebenso wie in Hamburg, Schleswig-Holstein und in Niedersachsen. Und obendrein musste die in Baden-Württemberg über 57 Regierungsjahre erfolgsverwöhnte CDU die Staatskanzlei an den Grünen Ministerpräsidenten Kretschmann abgeben. Es ist nur ein kleiner Trost, dass die CDU zumindest Juniorpartner in dieser Koalition mit den Grünen ist, und es hilft auch nur wenig, wenn man feststellt, dass Kretschmann ein Fan der Bundeskanzlerin Angela Merkel ist, für die er schon mal, wie er öffentlich bekannte, gebetet habe.
Nehmen wir die vorliegenden Zahlen der Meinungsumfragen. Demnach bliebe die CDU mit etwa 37 Prozent stärkste Partei, würde die SPD sich um zwischen sechs und achte Prozentpunkten auf rund 34 Prozent verbessern, käme die Linke mit Oskar Lafontaine auf rund 13 Prozent, gelänge der AfD mit sieben Prozent der Einzug in das Landesparlament und müssten sowohl die Grünen wie die FDP um diesen Einzug bangen. In diesem Fall würde die Linke erstmals im Westen mitregieren.
Lafontaine sieht Wechsel greifbar nahe
Oskar Lafontaine, von dem es heißt, er habe mit seiner alten Partei, der SPD, keine alten Rechnungen mehr offen, sieht den Regierungswechsel „greifbar nahe“. Der alte Fuchs, der das Saarland kennt wie seine Westentasche, schließlich war er mal OB in Saarbrücken und Saar-Ministerpräsident, ehe er als SPD-Parteichef mit Gerhard Schröder die Bundestagswahl 1998 gewannt und Bundesfinanzminister wurde, Ämter, die er aus Verärgerung über Schröder im Frühjahr 1999 hinwarf und später zur Linkspartei wechselte. Dieser Lafontaine, Fraktionschef der Linken im Saarland-Landtag, meint sogar eine Wechselstimmung in seiner Heimat auszumachen. Er selber will aber im Falle einer solchen Regierung kein Amt anstreben. Und darüber sollte sich niemand täuschen: Oskar Lafontaines Weggang haben zwar damals viele Sozialdemoraten als Schmach empfunden, im Saarland ist der Mann nach wie vor beliebt.
Käme es zu einem rot-roten Bündnis, würde die Union die alten roten Socken wieder hervorholen, mit deren Hilfe man früher manch erfolgreiche Kampagne in Deutschland gestartet und gewonnen hatte. Sie würde den Linksruck an die Wand malen mit all den Risiken für das gesamte Abendland und die Wirtschaft, sie würde über die Sorgen reden, dass Investoren fortbleiben würden, sie würde die alte Kommunisten-Furcht im Westen beschwören… Aber ob das heute noch wirkte? Die Mauer fiel 1989, wir schreiben das Jahr 2017.
Übrigens: Im neuesten Deutschlandtrend der ARD liegen CDU und SPD mit 32 Prozent gleichauf. Im Falle einer Direktwahl würden 45 Prozent für den SPD-Mann Martin Schulz und 36 Prozent für Angela Merkel stimmen, Werte, die besagen, dass Merkel leicht aufgeholt habe.
Bildquelle: Wikipedia, Niesefrosch, CC BY-SA 3.0