Große Hoffnungen richten sich auf Joachim Nagel. Er wurde vor wenigen Tagen der neue Präsident der Deutschen Bundesbank – als Nachfolger von Jens Weidmann. Viele Jahrzehnte lang galt die Bundesbank als Hüterin der Währungsstabilität. Das war insbesondere in den Zeiten der D-Mark so, als der Zentralbankrat in Frankfurt am Main als Gremium von Stabilitätsaposteln mit Erhöhungen der Diskont- und Lombardsätze sowie mit anderen Maßnahmen Preissteigerungen im Lande bekämpfte. Kaum eine andere Nation der Welt war so sehr gegenüber der Inflation empfindlich wie Deutschland. Sie ist es auch nach der Umstellung von der D-Mark auf den Euro geblieben.
Geforderter Bundesbank-Präsident
Seit der Einführung des Euros verfügt die Deutsche jedoch über keine geldpolitischen Instrumente, mit denen sie allein für die Währungsstabilität kämpfen könnte. In der Europäischen Zentralbank beschließt längst der Rat der Notenbank-Präsidenten aus den Euro-Ländern mit der EZB-Präsidentin Christine Lagarde über den geldpolitischen Kurs. Für Deutschland ist der Bundesbankpräsident in diesem EZB-Rat der wichtigste Mann, während die nationale Zentralbank im Prinzip für die Währungspolitik kaum noch eine Rolle spielt.
Gerade wurde das 20jährige Bestehen des Euros gefeiert. Diese gemeinsame Währung war in dieser Zeit stabiler als die D-Mark und ist international sogar zur zweitwichtigsten Reservewährung – nach dem US-Dollar, doch vor dem britischen Pfund und dem japanischen Yen – aufgestiegen. Für die letzten zwei Jahre hatte der Rat der Europäischen Zentralbank das Ziel festgelegt, die Inflationsrate bei etwa 2 % zu halten. Über viele Monate hinweg bewegte sich die Preissteigerung im Euro-Raum kaum deutlich darüber. In Deutschland gab es zum Teil sogar ein Minuszeichen bei der Inflationsrate, es herrschte also eine Superstabilität des Euros.
Euro-Inflationsrate bei 5 %
Die Zeiten haben sich jedoch mehr als deutlich seit Mitte 2021 geändert. Das Inflationsgespenst geistert wieder herum und macht insbesondere vielen Menschen in Deutschland Angst.
Zuletzt betrug die Preissteigerungsrate in der Euro-Zone 5%. Die Ursachen für diesen kräftigen Anstieg, der in Deutschland sogar bei über 5 % lag, sind recht unterschiedlich. Insbesondere ist Energie wesentlich teurer geworden: gegen Ende 2021 verteuerte sie sich um 26 %. Die privaten Haushalte und die Wirtschaftsunternehmen müssen wesentlich höhere Preise für Diesel, Benzin, Öl, Gas und Strom bezahlen.
Der CO2-Preis ist zudem gestiegen; damit sollen die Emissionen verteuert und dadurch reduziert werden. Die staatlich verordnete Verringerung der EEG-Abgabe hat indessen die Energiepreise kaum gedämpft. In Zukunft wird der CO2-Preis noch weiter erhöht, damit die schädlichen Emissionen von Kohlekraftwerken, Industriefirmen usw. noch stärker verringert werden. Im Gegenzug soll ab 2023 die EEG-Abgabe gänzlich wegfallen.
Doch ist damit zu rechnen, dass Energie teuer bleiben oder noch teurer wird. Der Strompreis liegt in Deutschland mit etwa 32 Cent pro Kilowattstunde bereits heute so hoch wie in kaum einem anderen Land der Welt. Bei Benzin nähert sich der Preis mehr und mehr der 2 Euro-Marke. Auch Gas ist so teuer wie niemals zuvor. Die Bundesregierung zeigt sich willens, den Geringverdienern einen höheren Heizgeldzuschuss zu zahlen. Ob dieser jedoch ausreichen wird, um damit die erhöhten Kosten für den Stromverbrauch und die Heizung zu tragen, wird von den Sozialverbänden bezweifelt.
Explosion der Energie-und Industriepreise
Diese Explosion der Energiepreise wird die Europäische Zentralbank selbst mit einer kräftigen Zinserhöhung nicht verhindern können. Das gilt wohl ebenso für die Verteuerung von zahlreichen Rohstoffen, von denen viele aus dem Ausland importiert werden müssen und für die zum Teil große Lieferengpässe bestehen. Solche Knappheiten bei wichtigen Vorprodukten und Rohstoffen sowie bei Chips verteuern zunächst die Herstellung industrieller Produkte: Ende des Jahres 2021 stiegen die Erzeugerpreise im Euro-Raum um über 20 %. So deutet vieles darauf hin, dass die Inflation auch in der nächsten Zeit relativ hoch bleiben wird, auch wenn einige Basiseffekte sie zumindest etwa dämpfen könnte.
Rekord-Preissteigerung in den USA
Der Blick auf die USA zeigt, dass dort die Preissteigerungsrate im letzten Dezember mit 7 % den höchsten Wert seit 40 Jahren erreicht hat. Der Chef der US-Notenbank FED, Jerome Powell, hat deshalb gerade angekündigt, in den nächsten Monaten die Zinsen gleich mehrfach zu erhöhen.
Für das Jahr 2022 sind deshalb drei bis vier Zinserhöhungen zwischen einem Viertel- und einem vollen Prozentpunkt zu erwarten. Vor allem will die FED ab März die milliardenschweren Käufe von Staatsanleihen und hypothekenbesicherten Wertpapieren einstellen, mit denen sie bisher die langfristigen Zinsen niedrig gehalten und die Wirtschaft gestützt hat.
Höhere Zinsen in Sicht
Es ist damit zu rechnen, dass die EZB mit etwas Verzögerung dem Kurs der US-Notenbank folgen wird, um die Inflation zu bekämpfen. Allerdings wird es damit für viele Staaten in Europa schwieriger, ihre Haushalte zu finanzieren und die hohen Schulden zu bedienen. Die Staatsverschuldung europäischer Länder beträgt inzwischen im Schnitt 100 % des Bruttoinlandsprodukts – in einigen Staaten jedoch 150 bis über 200 %. Mit der hohen Inflation könnten diese Staaten, ihre Schuldenlast verringern – zu Lasten der Sparer und Käufer von Staatsanleihen.
Das Ende der Negativzinsen für Anleger kommt allmählich in Sicht. Im Lauf dieses Jahres könnte die EZB den Geldwertverfall peu à peu stoppen. Höhere Renditen für Sparguthaben und Anleihen werden andererseits auch zu höheren Zinsen für Kredite und Hypotheken führen. Das wird Ratenkäufer von Autos oder Möbeln sowie auch Häuslebauer treffen, aber eben auch alle Staaten, die für ihre Schulden wieder höhere Zinsen zahlen müssen. Doch es wird in der Euro-Zone noch einige Zeit dauern, bis eine Normalisierung auf den Geld-und Kapitalmärkten erreicht sein wird.