Es ging anders zu in der alten Bonner Republik vor knapp einem halben Jahrhundert als im hektischen und kalten Berliner Politikbetrieb des Jahres 2023.
Karl Ravens aus Achim bei Bremen war nach dem Revirement aus Anlass des Rücktritts von Willy Brandt im Frühjahr 1974 aus seiner bisherigen Funktion als Parlamentarischer Staatssekretär im Bundeskanzleramt zum Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau befördert worden. Er folgte auf den gestrengen Hans Jochen Vogel , der zum Justizminister ernannt wurde.
Aus dessen Ministerbüro wurde ich als stellvertretender Pressesprecher für Ravens weggelobt. Mit Learning by Doing vergingen die ersten Monate. Wenn die Sommerpause im netten und überschaubaren Bonn in Sicht kam, musste für die „Verkaufe“ des Ministers nach Themen gesucht werden. Zum Schönsten gehörten die Geschichten, wie und wo Minister Urlaub machen und wie sie ihre spärliche Freizeit in Form eines Hobbys verbringen.
Karl Ravens war ein begeisterter Camper. Nichts anderes kam für ihn und seine Frau im Sommer in Betracht. So war es auch im Sommer 1975, wo er einige Wochen am Faaker See in Kärnten verbringen wollte. Die damals bedeutende Illustrierte Quick wollte darüber eine bebilderte Geschichte machen. Gefragt, wer aus dem Pressereferat bei dieser Aktion dabei sein solle, sagte er den mir unvergesslichen Satz: „ Der Hoffmann hat immer so glänzende Augen, wenn er mich begleitet“. Das traf sich gut, weil ich meinen Urlaub zu gleicher Zeit mit meiner Familie auf einem Bauernhof nicht besonders weit weg vom Faaker See verbringen wollte.
Es war die bedeutendste Phase der RAF, die den Politikern besonderen Schutz aufnötigte: Jeweils drei Beamte des Bundeskriminalamtes waren zum Schutz abgeordnet, was auch für Urlaube galt. Ein Beamter war auf dem Beifahrersitz des Ministerfahrzeugs neben dem Fahrer positioniert, zwei weitere in einem separaten Wagen als Begleitfahrzeug. Diesen „Schutz“ fand ich auch bei der Ankunft am Faaker See vor. Neben dem großen Hauszelt meines Chefs war ein weiteres Zelt für die Beamten platziert. Es war sehr heiß an diesem Tag. Alle drei Beamten saßen im Schatten eines Baumes in Badehose, neben sich eine Bierdose. Auf einem Campingtisch zwischen ihnen lagen schön geordnet die Maschinenpistolen. Der Reporter der Quick wollte dieses Idyll im Bild festhalten, was ich ihm unter Verweis auf Sicherheitsgründe verwehrte.
Als Ausgleich erlaubte ihm Ravens eine Bildserie mit seiner Frau auf dem kleinen mitgebrachten Katamaran. Der absehbare Höhepunkt wurde die „Wassertaufe“ von Frau Ravens, was so ging: Beide standen auf wackeligen Beinen auf den zwei Rümpfen des Katamarans und der Minister sollte, so die Forderung des Reporters, seine Frau spektakulär ins Wasser schubsen. Dies geschah auch, nur befand der Reporter mit sehenswertem Grinsen, es habe nicht genug beim Eintauchen ins Wasser gespritzt. Also Wiederholung. Karl Ravens und seine Frau haben sich dem Diktat gebeugt. Es gab eine schön bebilderte Geschichte in der Illustrierten, übrigens mit dem ersten Foto des Wasserwurfs.
Weil die Sommerpause so lang war und sonst keine eiligen Regierungsgeschäfte drohten, gab es noch eine zweite PR Aktion mit einer großen Tageszeitung, die das halbe Kabinett bei der Ausübung angeblicher Hobbys zeigen sollte.. Mein Chef hatte kein Hobby, was unsern Erfindungsgeist beflügelte. Als Hitlerjunge hatte er angefangen, einen Flugschein für Segelflugzeuge zu machen.
Bei Kriegsende war Schluss damit. Mit Hilfe der Zeitung wurde ein Termin auf einem Segelflugplatz organisiert. In den zweisitzigen Flugzeugen saß der Pilot hinten und der Gast davor. Das erweckte für den unkundigen Betrachter den Eindruck, der Vornsitzende sei der Pilot. Schon beim Einsteigen in die Kabine gab es wunderbare Fotos, die an den alten Rühmann Film „Quax der Bruchpilot“ erinnerten. Unter Überwindung aller Ängste bin ich in einen zweiten Segelflieger eingestiegen und durfte so „Begleitschutz“ geben. In Sichtweite zu Ravens habe ich die Lautlosigkeit des Segelfliegens erlebt und mir versprochen, noch lange im Einzugsbereich meines Ministers zu arbeiten.