Markus Söder ist für mich nur noch peinlich. Dass der bayerische Ministerpräsident und CSU-Parteichef gegen die Wahlrechts-Reformpläne der Berliner Ampel-Regierung aus SPD, den Grünen und der FDP Sturm läuft, ist sein gutes Recht. Auch kann er das Gesetzesvorhaben vors Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe zerren. Dass er aber behauptet, mit den Plänen der Regierung Scholz würde „One Man One Vote“ nicht mehr gelten, ist mehr als ein verbaler Fehlgriff. Söder scheint nicht zu wissen oder zu ignorieren, dass die Losung „One Man One Vote“ Kern des Freiheitskampfes des südafrikanischen Nobelpreisträgers Nelson Mandela war, der für seine Überzeugung 27 Jahre lang im Gefängnis saß, eingesperrt von einer weißen Regierung in Pretoria. Er war eingesperrt, weil er gegen das rassistische Apartheid-System kämpfte und für die Gleichberechtigung der Schwarzen im Lande. für deren Unabhängigkeit und Freiheit, für ein Wahlrecht, das unabhängig von Geschlecht und Hautfarbe für alle Menschen gelten soll. Für diese Rechte wurden Schwarze über Jahre schlecht von -Weißen behandelt, verprügelt, gefoltert, getötet, wie Sklaven gehandelt.
Dass Söder einen solchen Vergleich zieht, ist unerhört und empörend, er missachtet damit den jahrelangen Kampf der Schwarzen in aller Welt um Freiheit und Unabhängigkeit. Die Berliner Reformpläne nannte er im übrigen eine „Entmündigung des Bürgers und eine Attacke auf die Demokratie“. Die wahren Gründe seiner maßlosen Angriffe: Im Herbst sind Landtagswahlen im Freistaat. Söder muss liefern, das Ergebnis der letzten Landtagswahl 2018 mit dem damals neuen Ministerpräsidenten war bescheiden: Gerade mal 37,2 Prozent. Kürzlich las ich einen Kommentar eines ehemaligen Chefredakteurs des Bayerischen Rundfunks, eines Konservativen, gewiss kein Sozialist und kein Grüner. Die Partei-Granden, so erläuterte er, störten sich an der One-Man-Show des Markus Söder, der offensichtlich den Kompass für angemessenes Handeln verloren habe. Politische Inszenierung sei unter Söder an die Stelle von Handeln getreten, der Kern der CSU, christlich, sozial, kaum noch erkennbar. Als Beispiel wurde kritisch angefügt, es reiche nicht, als Ausweis einer ökologischen Politik einen Baum zu umarmen.
Der Bundestag hat zur Zeit 736 Bundestagsabgeordnete, zu viele hat das Verfassungsgericht festgestellt und dem Parlament eine Verkleinerung zur Auflage gemacht. Seit Jahren scheiterten Vorstöße, den Bundestag, der eigentlich nur 598 Plätze hat, zu verkleinern. Die Reformpläne der Ampel sehen ein Plenum mit 630 Mandatsträgern vor, Überhangmandate sollen abgeschafft werden. Die Ampel betont, alle Fraktionen würden von der Reduzierung gleichermaßen betroffen, die CSU hält dagegen. Noch in dieser Woche soll abgestimmt werden.