So schnell wird es also nichts werden mit dem Ausstieg all der Beschränkungen, geschweige mit deren Ende. So leicht werden wir Corona und die Freiheits-Einschränkungen nicht los. Armin Laschet, der NRW-Ministerpräsident und Kandidat für den CDU-Vorsitz im Bund, wollte wohl aufs Tempo drücken, um den Weg in eine gewisse Normalität zu beschleunigen,in eine verantwortungsvolle Normalität. Ein anderer, der eigentlich für seine Ungeduld bekannt ist und sein robustes Vorpreschen, Markus Söder, der bayerische Ministerpräsident, trat auf die Bremse. Vorsicht sei geboten, das Corona-Virus zu gefährlich. Genauso hatte es die Kanzlerin vorgegeben, defensiv solle man vorgehen, die Tür zum normalen Alltag nur einen Spalt wieder öffnen, ganz langsam. Nein, der normale Alltag bleibt noch in der Ferne, auch wenn ein Teil der Schüler wieder in den Unterricht zurück soll. Die Kneipen bleiben geschlossen, große Events fallen aus, die Frisöre aber sollen wieder schneiden und föhnen dürfen. Es gibt kein Masken-Gebot, sondern eine Empfehlung. Wenn das man gut geht!
Wer in diesen Tagen Laschet und Söder vergleicht, sieht beide Politiker aus der CDU und der CSU in einem Wettbewerb, auch wenn beide dies bestreiten. Laschet kommt mir dabei ziemlich nervös vor, wie ein Eiferer, dagegen wirkt der Ministerpräsident aus Bayern zumindest nach außen wie ein ruhender Pol, Laschet dagegen wie ein Getriebener. Merkwürdig. Söder, der immer wieder bestritten hat, Interesse am Kanzleramt zu haben. Sein Platz sei in Bayern. Mag sein, dass der Franke wirklich so tickt, aber ob er so ganz ohne Ehrgeiz für die bundespolitische Bühne ist? Nun ist es ja so, dass eine starke CSU die Position der CDU auf Bundesebene noch stärken würde. Aber wir haben immer wieder mit Franz-Josef Strauß und später mit Edmund Stoiber CSU-Politiker erlebt, die gern ihre bayerische Heimat verließen, um in Bonn und dann in Berlin die erste Geige spielen zu wollen. Was ihnen misslang. So ganz mag man dem Söder, dessen Vorbild der Strauß ist, und der gelegentlich von Stoiber beraten wird, die Zurückhaltung mit Berlin nicht abnehmen.
Bei Armin Laschet ist die Lage klar. Er bewirbt sich zunächst um den CDU-Vorsitz, den im Moment noch Annegret Kramp-Karrenbauer innehat, die aber abtreten wird. Er will Kanzlerkandidat der Union werden. Merkel tritt 2021 nicht mehr an, die Karten werden also neu gemischt. Deshalb das rege Interesse am CDU-Vorsitz. Gegen Laschet tritt Friedrich Merz an, der früher mal Fraktionschef der Union war, sich dann aber aus dem Staub machte, als Angela Merkel, die Parteichefin der CDU, auch Chefin der Fraktion werden wollte. Seitdem turnt er in der Wirtschaft rum, hat viel Geld verdient, aber er ist längst ein Außenstehender geworden, ohne Posten in der Partei, gefördert und gefordert von wirtschaftsnahen Kreisen der CDU. Unterschätzen darf Laschet den Flieger Merz nicht, auch wenn der in Pandemie-Zeiten wie jetzt bei Corona keine Rolle in der öffentlichen Debatte spielt. Und dann ist da noch Norbert Röttgen, der Außenpolitiker der Union, dem wenig Chancen eingeräumt werden. Sie alle kommen aus dem mitgliederstärksten NRW-Landesverband der CDU, dessen Vorsitzender Armin Laschet ist. Er ist der Favorit, dem sogar einer wie der Altkanzler der SPD, Gerhard Schröder, das Amt zutraut, was aber nichts heißen muss. Manchmal bekommt man Beifall von der falschen Seite.
Sogar Biergärten geschlossen
Beide, Söder und Laschet betonen, es gebe keinen Wettbewerb unter den Ländern. So ganz glaube ich das nicht, Söder ist ehrgeizig, sein Bayernland erwartet vom Regierungschef gern Muskelspiele. Das Mir-san-Mir gilt ja nicht nur für die Kicker des FC Bayern, sondern natürlich auch für die Politik. Und Söder versucht, den Krisenmanager zu spielen, einige unterstellen ihm Chef-Allüren auch im Kreis der Ministerpräsidenten. Aus dem Meister des vorlauten Vorpreschens ist der Söder geworden, der Maß und Mitte sucht, überlegt wirken will, der davor warnt, zu schnell die Schulen wieder zu öffnen und sogar auch die Biergärten im Freistaat vorerst geschlossen zu halten. Und das in Bayern, wo die Biergärten Tempel der Erholung sind, Gärten der Erfrischung für jeden Geldbeutel.
Im Vergleich zu Söder wirkt Armin Laschet hibbelig. Als Anführer der Politiker, die den Weg in die Normalität möglichst schnell einschlagen wollen, überzeugt er nicht so ganz. Er ist der Exit-Eiferer, ruhelos, ohne Linie. Er hatte bei der Kanzlerin vor dem Video-Gipfel mit den anderen Ministerpräsidenten einen Vorschlag hinterlegt, wie man Stück für Stück in das normale Leben zurückfinden, besser tasten könne. Ein Experten-Rat stand ihm zur Seite. Unternehmer sollten vor Pleiten geschützt, Arbeitnehmer vor der drohenden Arbeitslosigkeit gerettet werden. Gesundheit geht vor Wirtschaft, das ja, aber bitte die Türen öffnen. Wie weit, das sagte er nicht. Im TV-Interview mit Caren Miosga hörte man die Nervosität heraus. Die Fragen der Journalistin überging er, er wirkte fahrig. Die Dinge in seinem Land stehen nicht zum Besten, was die Schulen betrifft. Sie zu öffnen, davor wurde noch am Vortag in Zeitungen gewarnt. Es wurden Beispiele von Schulen genannt, in denen es eben keinen Seifenspender gebe, in denen überhaupt die sanitären Anlagen zu wünschen übrigließen. Dabei hatte er doch die Vorgänger-Regierung von SPD und Grünen kritisiert, sollten die Schulen doch endlich saniert werden, auch der Lehrermangel ist wohl nicht beseitigt.
Kein Übermut, keine Nachlässigkeit
Bloß kein Übermut, keine Nachlässigkeit, das ist die Linie, die in der Runde mit der Kanzlerin verabredet worden ist. Man will nichts versprechen, was man Tage später widerrufen müsste. Die Angst vor einem Rückschlag und einem erneuten Anstieg der Infektionszahlen ist allen anzumerken. Niemand weiß genau, was zu tun ist, niemand hat eine Ahnung, wie lange der Ausnahmezustand anhalten soll, wie lange wir sozial auf Abstand achten müssen´, niemand kann sagen, wann es Tabletten oder gar den Impfstoff gegen Corona geben wird. Und niemand erweckt den Anspruch, es besser zu wissen als der Nachbar. Vorsicht und Umsicht kennzeichnen das Auftreten der Politiker in Bund und Ländern. Armin Laschet, der Rheinländer, ist nicht als der Macher bekannt. Von einem Gebot von Mund-und Nasenschutz, wie es in Österreich verordnet worden ist, hält er offensichtlich nicht so viel. Er verteidigt die Empfehlung, mit der man die Menschen dazu bringen will, beim Einkaufen und Bus-und-U-Bahnfahren freiwillig den Schutz zu tragen, um andere vor Infektionen zu schützen. Man müsse doch nicht immer gleich alles verbieten.
Es ist wohl noch lange nicht vorbei, wie es in der Beschlussvorlage der Runde bei der Kanzlerin heißt: „Wir müssen uns alle bewusst machen, dass wir die Epidemie durch die Verlangsamung der Infektionsketten der letzten Wochen nicht bewältigt haben. Sie dauert an.“ Fazit: Wir müssen lernen, wie wir für eine längere Zeit mit der Epidemie leben können. Also Abstand halten, mindestens 1,5 Meter, keine Bundesliga-Spiele vor ausverkauftem Haus, keine Theater- und Opernbesuche. Nur die Zoos sollen geöffnet werden. Und die Abiturienten sollen ihre Reifeprüfung ablegen dürfen.
Krieg- das war auf den Seelower Höhen
Und was wird aus der Wirtschaft? Der „zerbrechliche Zwischenerfolg“-so hat es wohl Angela Merkel gesagt-im Kampf gegen das Virus ist wohl allen wichtiger. Auch wenn ich lese, dass der internationale Währungsfonds uns den schlimmsten wirtschaftlichen Niedergang seit 100 Jahren voraussagt. Aber bei der Seuche geht es um Leben und Tod. Die Gesundheit geht vor. In diesen Zeiten wurde mehrfach von Krieg gesprochen, wir haben betont, dass der Vergleich hinkt, gerade heute, wenn wir wie so oft in letzter Zeit auf das Kriegsende vor 75 Jahren zurückblicken. Vom 16. Bis 19. April 1945 fand eine der schlimmsten Schlachten des Zweiten Weltkriegs statt: Auf den Seelower Höhen, ein paar Kilometer vor den Toren der damaligen Reichshauptstadt. Dabei kamen mindestens 50000 bis 60000 Soldaten ums Leben, deutsche wie sowjetische. Ein Denkmal mit Tausenden von Grabsteinen bezeugt die Schrecken. Wer heute durch die Gegend fährt, passiert Kornfelder dort, wo es ein Massaker gab. Corona ist schlimm, der Krieg war etwas anderes, er war die Hölle. Man frage Teilnehmer, die ihn überlebt haben. Ich habe vor Jahren mit einem Bekannten das Denkmal Seelower Höhen besucht. Er hatte mit nicht mal 17 Jahren dabei den Arm verloren, abgeschossen von einem T-34-Panzer. Er hatte überlebt, weil russische Ärzte ihn nicht verbluten ließen, sondern ihn medizinisch versorgten.
Bildquelle: Screenshot, WDR Fernsehen, Ostreansprache MP Armin Laschet
Die Regierung Laschet (insbesondere Bildungsministerin Gebauer, FDP) hat etliche Kommunikationsfehler gemacht, sicher. Und auch an seiner medialen Wirkung muss Armin Laschet noch arbeiten.
Aber in der Sache, in Bezug auf sein Bundesland Nordrhein-Westfalen darf man ihn nicht vergleichen mit dem Alleinregierer Söder; Söders Vorgehen würde in NRW nicht funktionieren. In NRW leben viel mehr Menschen auf viel engerem Raum als in Bayern; die gehen sich zu Hause nicht nur auf die Nerven, die werden krank in engen Wohnungen. Die Grünflächen sind gesperrt oder überfüllt, während in Bayern viel mehr Menschen eigene Gärten nutzen können. Die Kinder in NRW sind deutlich ärmer, brauchen mehr schulische, insbesondere sprachliche Unterstützung, haben viel zu selten ausreichende Handy-Guthaben für’s Online-Lernen, seltener PCs zu Hause. Und in NRW gibt es viel mehr ungeschützt Beschäftigte, kleine Selbständige; es gibt eine größere Schattenwirtschaft, die jetzt pleite geht. Wenn diese NRW-Gesellschaft keine Perspektive auf Ende der öffentlichen Starre hätte, würde sie verrückt werden.
Und noch etwas: Trotz Fallpauschalen-Wahnsinn ist die Krankenversorgung in NRW besser als in Bayern. Söder muss seine Kranken zu Hause einschließen, damit nicht auffällt, dass die bayerischen Erkranktenzahlen höher sind als die in NRW.
Auf den Klarinetten spielen die Marionetten!!
Die Einen Laut, die Anderen Leise, jeder so
auf Seine Weise! Wohin geht die Reise!?