Wer je CSU-Parteitage besucht hat, als Franz Josef Strauß noch lebte, dem dröhnen heute noch die Ohren von jenen lautstark vorgetragenen Attacken, besser Tiraden auf den politischen Gegner, genauer: die SPD, die es nicht konnte, von Moskau infiltriert war. Nur einer konnte es, Er, Strauß. Heute klingt das aus dem Mund von Markus Söder, der sich ja als Strauß-Erben sieht, ähnlich. Verbal nicht so stark, bar jener Latinismen, aber fast genauso laut. Und wie Strauß beschwört Söder Chaos und Ängste ob der Politik der Ampel in Berlin. Im nächsten Jahr sind Landtagswahlen im Freistaat, da muss der Ministerpräsident punkten, mehr als beim letzten Mal. Er versucht sich als Landesvater, als Politiker des Fortschritts für Bayern unter Wahrung der weißblauen Traditionen.
Söder greift den Kanzler an, versucht ihn madig zu machen, um die Hoheit über die bayerischen Stammtische zu erringen. Der Scholz könne es nicht, schlechteste Regierung aller Zeiten. Ok, das muss Opposition tun, das hält eine Regierung aus. Das andere ist Verunglimpfung. Wenn Söder in den Kulturkampf einsteigt und die angeblich normalen Bürger für sich gewinnen will, die Fleisch essen, nach Mallorca fliegen und beim Schlager Leyla mitsingen. (Meinetwegen auch bei jedem andere Gassenhauer). Das sind seine Leute. Dagegen die anderen, die auf politische Korrektheit setzen, die Gendern gut finden und vegan essen. In Bayern, das ist Söders Botschaft, dürfe jeder sagen, was er will, und anziehen, was er will, und essen, was er will. Und wem das nicht passe, der könne ja gehen. So ähnlich. Das ist schon mehr als billig.
Damit nicht genug. Zur Verstärkung tritt auf dem CSU-Konvent in Augsburg auch CDU-Chef Friedrich Merz auf, der Schattenkanzler, wie ihn einige nennen. Und von dem man nicht so recht weiß, ob er beim nächsten Mal ums Kanzleramt kämpfen will oder ob Söder einen zweiten Versuch startet. Eines ist sicher, Merz ist ein Politiker mit Machtanspruch und einer gehörigen Portion Selbstbewusstsein. Der ja die Union schon wieder auf Platz eins sieht. In Umfragen, Herr Merz. Bei der letzten wichtigen Landtagswahl in Niedersachsen landete Ihre CDU auf Platz 2, hinter der SPD. Es har Ihnen und Ihren Christdemokraten nichts gebracht, die Abstimmung im Norden zu einem Wahlgang gegen die Ampel-Regierung von Scholz, Lindner und Habeck umzuwidmen. Merz griff in der Fugger-Stadt den Kanzler an, weil man in Deutschland angeblich noch nie einen Kanzler gehabt habe, der so respektlos umgehe mit seinen Regierungspartnern und den anderen Ländern. Bewusst wählte Merz das Wort, um Scholz das mit dem Respekt aus der Hand zu schlagen, mit dem der SPD-Kanzler seit Jahr und Tag für sich und seine Politik wirbt. Aber es ist mindestens mieser Stil, wenn der Oppositionschef öffentlich die Frage stellt, was denn Gesundheitsminister Karl Lauterbach(SPD) geraucht habe.
Zurück zu Söder und seinen längst wieder Lieblingsfeinden, den Grünen: „Claudia Roth weint und Jürgen Trittin schreit. Die braucht Deutschland nicht. “ Man muss schon fragen: Gehts noch, Herr Söder? Wann umarmen Sie mal wieder einen Baum als Zentrum Ihrer grünen Politik? Wann attackieren Sie wieder Geflüchtete, die in deutsche Sozialsysteme einsteigen? Da sind Sie auf einer Linie mit Merz, der vor der Niedersachsen-Wahl eine Anleihe im AfD-Wörterbuch machte und vor Sozial-Touristen aus der Ukraine warnte. Toll, wenn man so auf die ärmsten der Armen eindrischt. Das ist also Oppositionspolitik, Politik der Christen-Union. Von Nächstenliebe kein Wort. Aber das hat ja schon vor Jahr und Tag die damalige Kanzlerin Angela Merkel schmerzhaft erfahren in der Flüchtlings-Krise 2015.
Bavaria zuerst
Und dann die alte Leier, wie schon bei Strauß: Wir Bayern sind die Besten, können es besser, die im Norden sind die Verlierer, weil sie es nicht können. Er droht wie sein Amtsvorgänger Seehofer mit Klagen gegen den Länderfinanzausgleich und vergisst dabei, dass es Zeiten gab, lange her, in denen die Bayern Geld auf dem Ausgleichstopf erhielten. Man nennt das Solidarität, aber diesen Begriff kennen Merz und Söder nicht, zumindest dann nicht, wenn ihre Klientel nicht davon profitiert. Bavaria first, das ist der Kampfschrei aus dem Süden. So hat es Trump mit Amerika first der übrigen Welt entgegengedonnert. Ohne Rücksicht auf Verluste. Wer war eigentlich Bundesverkehrsminister all die Jahre? Waren es nicht dauernd CSU-Minister, zuletzt der Andy Scheuer, davor Alexander Dobrindt, davor Peter Ramsauer? Wer trägt denn die politische Verantwortung für die Misere bei der Deutschen Bahn? Oder die Pleite mit der Maut, die Hunderte von Millionen Euro kostet? Etwa die SPD? Oder gar die Grünen?
Und wie sieht das mit der Rolle der Union mit Blick auf Russland aus, Herr Söder? War nicht Angela Merkel 16 Jahre Bundeskanzlerin? Wer bestimmt die Richtlinien der Politik? Alle haben sich in Russlands Präsidenten Putin getäuscht, alle Regierungen, alle Parteien, die deutsche Wirtschaft, die Gewerkschaften, die Verbände, wir alle. Weil russisches Gas so billig war. Und weil es russische Sponsoren gab, Schalke zum Beispiel unter Führung von Clemens Tönnies, Europas größtem Fleisch-Produzenten. Und viele haben ihre Fehler zugegeben, wie Bundespräsident Frank Walter Steinmeier jetzt erneut, SPD-Parteichef Lars Klingbeil. Wo ist das öffentliche Bekenntnis der CSU, Ihre Verantwortung für diese Politik? Dass die Union daran beteiligt war, hat Merz vor einigen Wochen auf dem CDU-Parteitag mehr nebenbei eingeräumt. Noch einmal, Herr Merz: Angela Merkel, langjährige CDU-Vorsitzende, war Kanzlerin. Nicht Olaf Scholz. Diese Heuchelei und Rechthaberei geht mir auf die Nerven. Sie und Merz singen das hohe Lied auf die Kernenergie und verschweigen dabei die Probleme der Sicherheit, der Entsorgung. Warum geben Sie nicht zu, dass Bayern in der Windenergie zurückliegt, dass auf dem bayerischen Boden zuletzt kaum ein Windrad errichtet wurde? Die Zukunft heißt erneuerbare Energien und nicht Atom-Energie.Haben Sie Tschernobyl und Fukushima verdrängt? Und noch eins: Es war die Bundesregierung unter Angela Merkel, die den von Rot-Grün beschlossenen Ausstieg aus der Kernenergie zunächst rückgängig gemacht hat, um nach Fukushima erneut das Ende der Atom-Energie für Deutschland zu beschließen.
Kritik an der Politik der Bundesregierung ist legitim. Dass dabei zugespitzt wird, auch. Polarisierung allerdings und das Verunglimpfen des politischen Gegners, wirkt destruktiv. Das ist der Stil des gescheiterten US-Präsidenten Trump. Und eher die Strategie der AfD, die das politische System der Bundesrepublik zerstören will. Eines muss Söder und Merz klar sein: Von derlei Politik profitiert eher die rechtsextreme AfD, weil die Menschen das Original der Kopie vorziehen.