Zeitzeugen sind bekanntlich echte Plagegeister für Historiker. Da sie wissen, wie es wirklich war. Diese Erkenntnis stammt von Theo Waigel, dem langjährigen Bundesfinanzminister in der Ära Helmut Kohl und Nachfolger von Franz Josef Strauß im Amt des CSU-Vorsitzenden. Gesagt, als ihm, der den ersten Vertrag über die Schaffung einer Wirtschafts- und Währungsunion mit der DDR ausgehandelt hatte, wieder einmal jemand erklären wollte, wie das denn „wirklich war“ mit der Deutschen Einheit und der friedlichen Revolution in der damals noch existenten DDR.
Wie unterschiedlich das ist, was „wirklich ist“, davon konnte sich jeder ein Bild machen, der am letzten Wochenende die Demonstration der Anhänger von Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht verfolgte. Er musste dabei staunend beobachten, wie sich pazifistische Gesinnung von Links mit den Aussagen rechter, nationalistischer Putin-Versteher trafen und wie schwer die Abgrenzung für die beiden Protagonistinnen gegenüber den Rechten wurde. Nun ist es sehr verständlich, wenn man das Ende des Krieges in der Ukraine auf dem Verhandlungsweg fordert. In einer Demokratie gibt es nun einmal unterschiedliche Vorstellungen auch darüber, wie Frieden erreicht werden kann. Schwierig nur, wenn das bedeutet, dass ungeachtet aller Folgen ein Frieden auf Kosten der Ukraine und ihrer Menschen hergestellt werden soll. Ganz und gar unerträglich wird es allerdings, wenn das Mitglied der Linken, Frau Wagenknecht vor dem Hintergrund der Bilder von zerbombten Wohnhäusern, unzähligen toten Zivilisten und Soldaten und zahlreicher Kriegsverbrechen, Vertreibungen, Vergewaltigungen und Verschleppungen, achselzuckend sagt, das wäre eben „in jedem Krieg so“. Ungeachtet der Einschätzung von UN-Institutionen, wonach Vergewaltigungen von ukrainischen Frauen Teil der russischen Militärstrategie sind. So geschehen in der TV-Talk-Sendung „Hart aber fair“ in dieser Woche. Da ist die Distanz zu den rechten Putin-Verstehern und -Apologeten, die die USA als wahren Schuldigen für den Krieg in der Ukraine sehen, nicht mehr vorhanden.
Eine Rede Theo Waigels anlässlich einer Gedenkstunde zum ersten Jahrestag des russischen Einmarsches in die Ukraine vom Wochenende ist in diesem Zusammenhang ein wohltuendes Stück Sachlichkeit in einer hitzigen Debatte. Der ehemalige CSU-Vorsitzende erinnerte daran, dass ein Krieg nicht ohne Rücksicht auf die Interessen einer angegriffenen Nation beendet werden dürfe. Ein Staat sei verpflichtet, seine Bevölkerung vor Unrecht und Unterdrückung zu schützen. Nur wenn der Aggressor begreife, dass die Rückkehr zum Völkerecht und dem Ausgleich mit anderen Nationen lohnender ist, als ein „grausamer Krieg mit seinen furchtbaren Verlusten“, könne es einen „Waffenstillstand und erfolgsverspechende diplomatische Gespräche“ geben.
In seiner Rede räumte Theo Waigel gründlich mit der von Links wie Rechts gerne verbreiteten Legende auf, der Westen trage eine Mitschuld am Krieg in der Ukraine. So hätten Deutschland und Frankreich noch 2008 den NATO-Beitritt der Ukraine verhindert, um den von Moskau propagierten eigenen Sicherheitsinteressen Rechnung zu tragen. Das habe „Putin aber nicht davon abgehalten, seine „hemmungslosen Machtpläne Schritt für Schritt“ umzusetzen. Putins Blutspur reiche von Tschetschenien, Georgien, Belarus bis nach Syrien.
Der ehemalige Bundesfinanzminister zeichnete den Weg des heutigen russischen Präsidenten von der von Russland betriebenen Auflösung der UdSSR im Dezember 1991 in Alma Ata und den Versuch, Russland in eine neue friedliche Staaten-Ordnung nach dem Ende des Kalten Krieges, einzubinden, bis zum Ukrainekrieg nach. Wie andere Sowjetrepubliken war auch die Ukraine damals ein souveräner Staat geworden.
Putin, der den Weg des russischen Präsidenten Boris Jelzin eng begleitete, hatte damals alle Vereinbarungen mitgetragen. Als Nachfolger Jelzins setzte er später „alle Instrumente und Institutionen der Kooperation zwischen Russland und der Europäischen Union aus. Als Beispiele nannte Waigel den EU-Nachbarschaftsdialog und den NATO-Russland-Rat. Auch der Beitritt von Ländern des ehemaligen Ostblocks zur NATO war entgegen anderer Behauptungen mit Russland und seiner Führung abgesprochen worden. 1994 habe Russland einen völkerrechtlichen Vertrag mit der Ukraine geschlossen, in dem die Krim endgültig der Ukraine zugeordnet wurde. Die Krim war schon 1954 – noch zu Zeiten der Sowjetunion – von Nikita Chruschtschow, dem damaligen Staatschef, der Ukraine zugeschlagen worden. Im Gegenzug übergab das Land die auf ihrem Territorium gelagerten Atomwaffen an Russland. Russland konnte laut Vertrag noch Marinestützpunkte nutzen.
Spätestens bei der völkerrechtswidrigen Besetzung der Krim durch Putins Tarnarmee der „grünen Männer“ hätte Europa aus dem Traum des immerwährenden Friedens nach dem Ende des Kalten Krieges aufwachen müssen. Warner gab es im Baltikum und in Polen genug. Sogar noch zwei Tage vor dem Einmarsch von Putins Truppen in die Ukraine, gab es noch Stimmen, wie die von Sahra Wagenknecht. Obwohl Russland den Grenzen zur Ukraine bereits seine Invasionsarmee aufstellt, behauptete die Linken-Politikerin: „Russland hat faktisch kein Interesse in die Ukraine einzumarschieren.“ Es sei auch falsch, Putin als „durchgeknallten Nationalisten“ darzustellen. „Wenn das so wäre, dann wäre wahrscheinlich Diplomatie hoffnungslos verloren.“ Der letzte Satz klingt wie eine Prophezeiung. Leider erinnert sich Frau Wagenknecht nicht mehr daran und fordert jetzt die Einstellung der Waffenlieferung des Westens an die Ukraine und Verhandlungen.
Die traurige Erkenntnis aus dem Ukrainekonflikt lautet, wie Theo Waigel in seiner Rede ausführte, dass es Sicherheit und Frieden ohne ausreichende militärische Stärke der NATO nicht gibt. Vor dem Hintergrund dieses Krieges mitten in Europa und der Diskussionen und des Gezerres um die Verteidigungsausgaben Deutschlands bekommt der Satz „si vis pacem, para bellum – Wenn Du Frieden willst, rüste Dich für den Krieg!“ drängende Aktualität. Er stammt von Marcus Tullius Cicero. Gesprochen vor dem römischen Senat in einer flammenden Rede gegen Marcus Antonius im Jahr 43 vor Christi Geburt.
Der simple Satz:
„Stell Dir vor es ist Krieg und keiner geht hin“ ist heute noch genauso dämlich wie in den Ende 70-zigern.
Genauso dümmlich wie die damals so „progressive“ Ansage: Make love not war.
Wagenknecht, Schwarzer etc. kommen von einmal verinnerlichten und nie wahren Idiologien nicht herunter,
sondern vermischen es mit persönlichen Eitelkeiten (ich hatte doch schon immer Recht.).
„si vis pacem para bellum“ stimmt allerdings schon seit mehr als 2000 Jahren