Ich will kein Spielverderber sein. Aber als ich neulich in Ingenieursnachrichten las, dass man demnächst hinter dem fehlenden Steuerrad eines Autos „gamen“ könne, fragte ich mich, ob die Entwickler und ihre Vorstände wahrgenommen haben, dass wir wieder Feinde haben – Feinde, die in der Ukraine zeigen, dass sie stören und zerstören wollen und können, wenn es ihnen wichtig ist.
Einer der akuten Feinde kann offenbar nicht schlafen, solange ein Nachbarvolk freier und wohlhabender ist als jenes, das er selbst unterdrückt. Er weiß offen-bar, dass sein Volk nicht erfahren darf, dass Freiheit und Wohlstand kombiniert besser gelingen als unter seiner Diktatur. Drum muss er den Informationsfluss in sein Land hinein nicht nur blockieren, sondern wegen unvermeidbarer Lücken auch ächten: sein Volk darf nur seinen „Narrativen“ glauben; anderes zu glauben oder gar öffentlich zu sagen, muss als unpatriotisch und Verrat gelten, damit es entweder von selbst unterbleibt oder doch wenigstens bei der Polizei angezeigt wird – Denunziation als Patriotenpflicht.
Ich will kein Spaßverderber sein für Piloten, die sich endlich auf das Gas- und Bremspedal konzentrieren wollen, aber solche Feinde sollte man nicht ignorieren, wenn es um die Sicherheit infrastruktureller Systeme geht. Sicherheitsstrategien sollten nicht nur Rüstung, Bunkerbau und ggf. Wehrpflicht neu bewerten, sondern auch existenzielle Verwundbarkeit unseres zivilen Lebens.
Nun bin ich Technologe und Naturwissenschaftler von Ausbildung und Beruf, muss aber bekennen, dass dies bei Weitem nicht ausreicht zu beurteilen, ob z.B. ein Verkehrssystem automatisch fahrender Autos einen NEMP überlebt. Ein NEMP wurde vor Jahrzehnten im Kalten Krieg befürchtet: es handelt sich um eine nukleare Detonation weit außerhalb der Erdatmosphäre, z.B. hoch über Europa, so dass keine zerstörerische Druckwelle entsteht und nur wenig radioaktive Belastung in Atmosphäre und am Boden, dafür aber ein intensiver elektromagnetischem Blitz, der alle „ungehärteten“, d.h. nicht in Metallkäfigen abgeschirmten elektronischen Systeme in einem Gebiet wie Mitteleuropa zerstört. Ich habe vor etwa 50 Jahren an fachlichen Beratungen zur Sicherheit von Kernkraftwerken teilgenommen, die auch dieses Risiko behandelten.
Nun scheint mir ein NEMP heutzutage nicht die realistischste Feindaktion zu sein, wobei ich Kim Jong-uns Träume nicht gut genug kenne. Es reicht, was Staa-ten wie Russland, China, Iran und möglicherweise IS-artige kriminelle Gruppen anrichten können, die heute schon kleine Länder, Gemeinden und z.B. Krankenhäuser lahmlegen können.
Ich weiß als Ingenieur recht gut, dass die Behauptung, ein Feind unserer freien Welt könne ein System automatischer Fahrzeuge mit katastrophalen Folgen zum chaotischen Stillstand bringen, beleidigte Empörung meiner hochgeschätzten Kollegen hervorrufen wird. Man wird auf die Schädlichkeit dieses Tex-tes hinweisen, denn man befinde sich in einem lebenswichtigen Wettlauf mit chinesischen und amerikanischen Konzernen um die ersten und größten Segmente eines zu erwartenden 100 Mrd.-Marktes; da müsse die europäische Autoindustrie mithalten! Und außerdem – so kenne ich es aus anderen sicherheitsrelevanten Be-reichen – würden die Systeme fortwährend verbessert und erweitert. Sicherheitstheoretisch, so wurde mir allerdings beigebracht, sind aber gerade nachträgliche Eingriffe für Verbesserungen und Erweiterungen von komplexen Softwaresystemen klassische Einfallstore für böswillige Angreifer. Diese Aussage ist nicht gerade ein Pille für ruhigen Schlaf.
Recht haben sie, die hochmotivierten Wissenschaftler mit ihrem Wettlaufargument. Und doch wäre es mehr als tragisch, wenn das Ziel dieses Wettlaufs jenseits einer Abbruchkante in einer Schlucht läge; sogar Lemminge sollen in Wirklichkeit recht vorsichtig sein.
Ich lese immer mal wieder Zahlen über die von kriminellen oder politischen Häckern verursachten Schäden, immer mit dem Hinweis der Autoren auf die vermutlich hohe Dunkelziffer. So hat der Branchenverband Bitkom 2021 Cyber-Schäden in der deutschen Wirtschaft auf über 200 Mrd. € geschätzt; das wären etwa 5% des Brutto-Inland-Produktes BIP. Wahrscheinlich hat vor jedem Schadensfall ein Experte gesagt, das könne nicht passieren. Allerdings wird unbeirrt behauptet, die Schäden blieben weit hinter dem Nutzen weitestgehender Digitalisierung zurück. Ob das so ist und vor allem ob das so bleibt über die nächsten Jahrzehnte, kann ich nicht beurteilen – jedenfalls war mit wohler, als ich noch an eine gesicherte europäische Friedensordnung glaubte.
Bisher beinhalten diese Schadenszahlen noch kaum Fahrerassistenzsysteme oder gar ganze Verkehrssysteme. Der Ukrainekrieg zeigt aber, wie wichtig es einem skrupellosen Aggressor ist, Kraftwerke, Stromversorgung und Verkehrssysteme auszuschalten; das ist kriegsrational, denn sterben die Überfallenen an Hunger, Durst und Kälte, müssen sie nicht per Hand oder Bombe getötet werden. Dies so drastisch zu sagen, ist nur die Schilderung des ukrainischen Kriegsall-tags, der in genau dieser Absicht geplant und durchgeführt wird.
Warum glauben wir eigentlich, dass wir im Zweifel vom solchen Feinden anders behandelt werden, dass wir stets im Cockpit unserer Autos entspannt „gamen“ können, während automatisierte Liefersysteme uns ungestört mit den lebensnot-wendigen Nahrungsmitteln versorgen?
Hätten wir für möglich gehalten, was dem ukrainischen Volk zurzeit angetan wird?
Ich vermute einen wirklich profunden technischen Kenner. Also Dank für den Text. Gleichwohl stört mich im Text die Einseitigkeit. Feinde. Putin. Nicht nur, dass er bald in Berlin einmarschieren wird, nein, jetzt lässt er auch noch spielende Autofahrer ums Leben kommen.
Ernster: der Cyber Krieg wird von allen Nationen geführt; allen voran den USA.Oder glauben Sie, die spielen im Pentagon nur Abwehrspiele?
Ich hätte auch nie für möglich gehalten, was die USA dem irakischen Volk angetan haben oder wie Saudi Arabien Jemen verwüstet.
Wir sind eben nicht nur die Guten, sondern die Welt tanzt militarisiert mit hoher technischer Kompetenz dem Abgrund entgegen.