Interessant Horst Seehofer in diesen Tagen zu beobachten. Alle Züge seines Charakters lassen sich an seinen Äußerungen zur Flüchtlingsfrage ablesen. Dazu ein ungebremstes Machtstreben, das – mit Verlaub – über politische Leichen geht. Hätten Worte noch einen ihrer Bedeutung gemäßen Sinn, dann ist er dabei, die Union mit der größeren Schwesterpartei aufzukündigen. Wer in einer Koalition Ultimaten stellt, damit Politik nach seinem Uhrzeigersinn verläuft, der ist auch bereit, bei Nichterfüllung die Koalition zu verlassen. Ein solcher Bruch hätte für den Verursacher in diesem Fall zwei Vorteile: der erste bezieht sich auf die rückläufige Zustimmung in den Umfragen. Derzeit liegt die Union irgendwo zwischen 36 und 38 Prozent. Die Abwärtsspirale soll möglichst an der CSU vorbeigehen.
Das ist zweifellos gekoppelt an der Haltung von Angela Merkel, sich nicht in den von Seehofer geforderten Wettlauf einbinden zu lassen, wer die härteste Gangart gegen den Flüchtlingsstrom einnimmt oder durchsetzt. Er tut so, als habe er das Rezept, wie mit dem weiter anschwellenden Flüchtlingsstrom umgegangen werden sollte, um den Stau an der Grenze zu Österreich zu mindern. Den Beweis dafür muss er ja nicht antreten, weil die Verantwortung ja nicht bei ihm, sondern bei der Kanzlerin liegt. Darin liegt sein zweiter Vorteil. Bis zum Wochenende gibt er ihr nun Zeit, sich unter sein Joch zu beugen. Einigen sich die beiden in Anwesenheit von Sigmar Gabriel nicht, bleibt der schwarze Peter in Berlin. Es sei denn, Angela Merkel folgt seiner Forderung und macht die Grenze nach Österreich dicht, was die Koalition mit der SPD schwer belasten müsste, vielleicht beenden könnte
Da kommt nun Gabriel ins Spiel. Bleibt er für die SPD bei dem Nein zur Einrichtung von Transitzonen und gegen die Schließung der Grenze nach Österreich, muss sich die Kanzlerin entscheiden. Bleibt Gabriel hart, was bei ihm nicht voraussehbar ist, und entscheidet sich die Kanzlerin für die Fortsetzung der Koalition, muss sie dem Ultimatum Seehofers trotzen. Die Alternative könnte also sein, Koalition mit der SPD oder Bruch der Union mit der CSU.
Es steht also einiges auf dem Spiel an diesem Wochenende. Die Kanzlerin hätte verspielt, würde sie Seehofer folgen, also das Gegenteil von dem zu tun, was sie bislang von vielen in Bayerns CSU und in der Europäischen Union unterschieden hat. Nicht die Union, nicht die CSU und ebenso nicht Seehofer wären mutmaßlich die Gewinner, was sich am Montag drauf, bereits in Dresden ablesen ließe, und wo bereits längst Anleihen an die Nazizeit sichtbar sind. Wie sagte der Dresdner Literat Urs Grünbaum über die Spaziergänger, die da jeden Montag in seiner Geburtsstadt durchs Abendland flanieren: „Was mich am meisten enttäuscht, ist, dass die Vergangenheit wieder begonnen hat“.
Bildquelle: Bayerische Staatsregierung