Die radikalen Inhalte der Anti-Europa-Partei AfD erfordern das Handeln der Demokraten gegen die soziale Spaltung der Gesellschaft. Die Caritas sieht Handlungsbedarf bei der ungleichen Verteilung von Vermögen.
Man traut seinen Ohren nicht. Kinder zeugen gegen die Zuwanderung – auf diese einfache Formel bringt der AfD-Vorsitzende Tino Chrupalla die Ausländerfeindlichkeit seiner Partei. Da müsse man ansetzen, „damit wir in 20, 30 Jahren aus eigener Kraft heraus auch wieder Fachkräfte generieren können“, sagt er im ZDF-Sommerinterview. Wo bleibt der Aufschrei gegen diese Neu-Auflage der alten, von den Nazis missbrauchten Formel des Gedichts von Emanuel Geibel, nach der am deutschen Wesen die Welt genesen müsse? Der Dichter setzte auf Frieden und Europa, die Nazis setzen auf Krieg und deutsche Vorherrschaft.
Ein zweites Symbol der Rechtsradikalität der Partei: Die EU soll aufgelöst werden in ein „Europa der Vaterländer“. Wo bleibt der Aufschrei der Mütter gegen diesen chauvinistischen Rückschritt samt Aus für eine EU, die seit 70 Jahren wachsenden Wohlstand und Werte der Gerechtigkeit und Gleichberechtigung geschaffen hat und garantiert?
Schweigen reicht nicht mehr. Die Hoffnung trügt, dass sich das Thema der rechtsextremen AfD schon erledigen wird. Die politischen Entscheider sind gefragt – und zwar mit Entscheidungen. Und Erklärungen bei den Menschen vor Ort. Ihr bisheriger Blick des „Alles wird schon irgendwie gut werden“ reicht nicht mehr. Es braucht mehr als die Abgehobenheit der Berliner Glocke und die Angst des Kaninchens vor der Schlange.
Geringverdiener wenden sich oft Rechtsradikalen zu
Die Caritas-Präsidentin hat mit einem heftigen Aufstampfen an diesem Wochenende die Richtung gezeigt. Wenn viele Menschen mit Mindestlohn eine halbe Stunde für zwei Kugeln Eis arbeiten müssten, so Eva Maria Welskop-Deffaa, dann „passt einfach etwas nicht mehr zusammen.“
Da hat sie Recht. Es stimmt etwas nicht im Land, wenn große Gruppen bis weit in die Mittelschicht von der allgemeinen Wohlstandsentwicklung vollständig abgekoppelt sind. Diese Geringverdiener wenden sich oft Rechtsradikalen zu. Gerade die aber zielen darauf, jede Form sozialer Gerechtigkeit im Land zu vernichten. Das zeigt zum Beispiel die Abschaffung der Sozialhilfe durch die faschistische italienische Ministerpräsidentin. Die Rechtsextremisten auch der AfD vertreten vor allem die Interessen von Spitzeneinkommen und hetzen gegen alle Bedürftigen. Zunächst trifft es nur die Flüchtlinge als schwächste Gruppe. Aber andere werden folgen.
Die wirksamste Brandmauer gegen die AfD ist es deshalb, das Feuer wachsender Armut im Land zu löschen! Noch bröckelt der gesellschaftliche Zusammenhalt nicht. Aber man darf ihn nicht weiter durch Schweigen und Untätigkeit gefährden. Mutig handeln, statt ängstlich hoffen – das ist die Herausforderung an die Mehrheit der Demokraten in Parlamenten und Regierungen. Schweigen reicht nicht.
Zum Autor: Thomas Seim ist Chefredakteur der Neuen Westfälischen