Nordrhein-Westfalen steuert auf ein schwarz-grünes Regierungsbündnis zu. Der Auftakt zu den Koalitionsverhandlungen verlief reibungslos. Die 13 Arbeitsgruppen mit je zwölf Mitgliedern verhandeln themenbezogen über die ganze Breite der Politikfelder. Beste Voraussetzungen für eine sachbezogene Arbeit, sollte man meinen. Doch das Misstrauen ist groß.
Im Schatten der Landespolitik geht es um Machtoptionen. Im bevölkerungsreichsten Bundesland sucht die CDU eine Perspektive für künftige Mehrheiten im Bund. In der klassischen Wählerschaft der Grünen, in Umwelt-, Klimaschutz- und Antiatomkraftorganisationen, rumort es. Die Sorge, dass sich Spitzenkandidatin Mona Neubaur von Ministerpräsident Hendrik Wüst über den Tisch ziehen lässt, ist greifbar.
Genährt wird die Skepsis durch das, was im Sondierungspapier nicht erwähnt wird. Die Ortsnamen Lützerath, Würgassen, Gronau, Hambacher Forst und Datteln stehen für die klima- und energiepolitischen Reizthemen der zurückliegenden Wahlperiode, kommen allerdings in dem Papier nicht vor. Das lässt Raum für grüne Verhandlungserfolge, wirft allerdings zugleich die Frage nach dem politischen Preis auf, den die Grünen zu zahlen bereit sind. Weitere Enttäuschungen sind programmiert.
Die zwölf Seiten des Sondierungspapiers lesen sich gefällig, aber vage. Nach Jahren der schwarz-gelben Blockade sollen Windkraft und Photovoltaik ausgebaut werden. Wie ernst es der CDU damit ist, wird sich erst im Kleingedruckten zeigen. Das gilt natürlich auch für die gesamte Palette der weiteren Themen, die zu unrecht wenig Aufmerksamkeit erfahren. Wenn die Grünen mit dem Anspruch einer Regierungspartei antreten, müssen sie ihr Profil in der Bildungspolitik, bei der Inneren Sicherheit und nicht zuletzt in der Sozialpolitik schärfen.
Letzteres hat angesichts der zunehmenden Ungleichheit allerhöchste Bedeutung; die miserable Schulpolitik von Schwarz-Gelb braucht dringend ein Kontrastprogramm, und die „Clan-Kriminalität“, mit der Innenminister Herbert Reul (CDU) ein öffentlichkeitswirksames Thema unter zweifelhaftem Etikett gefunden hat, überdeckt die kritischen Aspekte, etwa beim Polizei- und Versammlungsgesetz. Als Oppositionsfraktion haben die Grünen kein gutes Haar daran gelassen.
In Koalitionsverhandlungen geht es naturgemäß um Kompromisse. Da muss sich nun weisen, ob Schwarz-Grün in der Lage ist, ideologische Gräben zu überwinden, um in der Sache das Notwendige zu tun. Seit den zaghaften Anfängen schwarz-grüner Gedankenspiele in der „Pizza-Connection“, damals schon mit starkem NRW-Bezug, sind entsprechende Regierungsbündnisse anderswo Realität geworden. Ob nun unter Führung der CDU oder der Grünen: zu beobachten ist eine pragmatisch-konservative Entwicklung, bei der viele grüne Ideale über Bord gehen.
In den Verhandlungen der nächsten Wochen stellt sich nicht zuletzt die Frage der Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit von. Die erschreckend niedrige Wahlbeteiligung bei der Landtagswahl ermahnt dringend zu einem verantwortungsvollen Umgang mit der geliehenen Macht. Parteitaktik, Pöstchenhunger und andere sachfremde Interessen sollten sich verbieten.
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