Offenbar kann es Martin Schulz kaum abwarten, entgegen seiner Ankündigung nun doch in ein Kabinett Angela Merkel einzutreten. Es war betrüblich, mit anzuhören und dazu sein breites Lachen zu ertragen, als er nach Ende der Sondierungen von „hervorragenden“ Ergebnissen sprach. So konnten Angela Merkel und Horst Seehofer selbst feixend und sparsam sich mit taktischem Selbstlob begnügen und es bei „guten Ergebnissen“ belassen, als sie gemeinsam vor die Presse im Willy-Brandt-Haus traten.
Offenbar hatte Schulz nach durchwachter Nacht vergessen, dass die vorgestellten Ergebnisse noch einen Parteitag überzeugen müssen, der doch erst grünes Licht für Koalitionsverhandlungen geben soll. Damit hat er wieder einmal die Chance vertan, einem selbstverschuldeten Dilemma zu entgehen, bei der Union vorab den Eindruck zu erwecken, dass für ihn die Ergebnis der Sondierungen schon für den Koalitionsvertrag stehen. Weder der europapolitische Einstieg des Sondierungspapiers, noch die Flüchtlingspolitik, auch nicht die Streichung der unmittelbaren Klimaziele aber reichen dafür aus.
National verengte Flüchtlingspolitik
Hat er tatsächlich in Brüssel den Kontakt zur SPD-Basis so schleifen lassen, dass ihm erst gar nicht in den Sinn kam zu vermuten, dass allein ein wenig konkreter Europateil und die Ankündigung eines künftigen Klimaschutzgesetzes, bei gleichzeitiger Beerdigung der Klimaziele bis 2022, und obendrein eine national verengte und auf ein humanitäres Minimum reduzierte Flüchtlingspolitik der Partei für den Einstieg in Koalitionsverhandlungen nicht reichen würden?
Hat er zudem willentlich überhört, was die CSU an Hürden für eine dynamische Europapolitik auf ihrer Klausur zur Vorbereitung der Sondierungsgespräche aufgestellt hat und was sie durch provokative Einladungen an die Herren Ministerpräsidenten von Ungarn und Österreich als Kerntruppe einer „Konservativen Revolution“ unübersehbar vorbereiten? Kein Wort von Schulz dazu an Seehofer, der doch nicht mehr als sechs Prozent der Bundestagsabgeordneten in eine GroKo einbringen würde. Nicht mal die Aufforderung an die CDU-Vorsitzende Merkel kam ihm in den Sinn, im eigenen Laden für Ordnung zu sorgen und die CSU aufzufordern, das Klima nicht mit Anleihen aus dem Wörterbuch der Nazis zu vergiften, wo sie den Hinweis auf die geforderte „Konservative Revolution“ hätten finden können oder gefunden haben.
Medien fallen über die SPD her
Bis zur Klärung des Vorgangs hätte er es wohl getrost abhängig machen können, die Sondierung zu unterbrechen. Zumindest wäre sichtbar geworden, dass die SPD auf solche rechtskonservativen Zuckungen und Annäherungen an die AfD nicht gleichgültig und wieder einmal historisch blind reagiert.
Jetzt fallen die Medien über die SPD her, als ob sie geradezu die Pflicht habe, jede Forderung an die Glaubwürdigkeit der Union in diesen Verhandlungen zu unterlassen. Nun haben der Sonderparteitag das Wort und danach die Mitgliedschaft der SPD. Parallel dazu sollte die SPD erwarten können, dass die CSU klärt, welche Rolle sie bis zur Bayernwahl spielen will und ob es nicht ehrlicher wäre, sich aus den Koalitionsverhandlungen zu verabschieden. Neben Schulz hat jetzt auch Angela Merkel die Aufgabe, die Regierungsverhandlungen zu retten. Den Einstieg in eine neue Politik jedenfalls wäre mit den Grünen als einem dritten Partner glaubwürdiger zu gestalten.
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