Die Stimmung in der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion sei noch nie so schlecht gewesen wie in der jüngsten Zeit. So lauten die Kommentare der meisten Abgeordneten der Union. Daheim in ihren Wahlkreisen jubelt ihnen kaum noch jemand zu.
Unionsabgeordnete im Stimmungstief
Vielmehr wird die Kritik an der Politik der Bundesregierung immer heftiger. Den permanenten Streit zwischen den Schwesterparteien CDU und CSU empfinden viele Unionschristen als wenig erfreulich. Die präsidiale Art, mit der die Bundeskanzlerin politische Entscheidungen ihrer Fraktion verkündet, trägt auch nicht zur Steigerung des Selbstwertgefühls der Abgeordneten bei. Selbst zuvor erhobene Einwände des Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder werden von Angela Merkel kaum zur Kenntnis genommen – wie etwa jüngst bei der beschlossenen Subventionierung von Elektro-Autos.
Die Parlamentarier der Union tun sich immer schwerer, die im Kanzleramt und in der Koalitionsrunde gefassten einsamen Beschlüsse einfach so zu schlucken und dann gegenüber der Öffentlichkeit, vor allem gegenüber den Wählern, offensiv zu vertreten und mit Begeisterung zu erklären.
CDU-Rutsch unter 30 %
Noch sind es mehr als 15 Monate bis zur nächsten Bundestagswahl. Doch die demoskopischen Befunde signalisieren aktuell wenig Erfreuliches für die CDU. Lediglich in Bayern hält sich die CSU mit Umfrageergebnissen zwischen 46 und 48 % recht gut, während die CDU allein deutlich unter 30 % gefallen ist. Die drei Landtagswahlen am 13. März waren allesamt gefühlte Niederlagen: In Sachsen-Anhalt blieb der CDU zwar der Ministerpräsident Haseloff erhalten, doch musste eine Dreierkoalition her, um auf eine Mehrheit zu kommen. In Rheinland-Pfalz wurde die große CDU-Hoffnung mit Julia Klöckner mehr als bitter enttäuscht. Ihre Niederlage konnte nicht allein auf ihre äußere Präsentation mit „mehr Paris als Pirmasens“ oder ihrem Flüchtlingsplan A2 zurückgeführt werden. Vielmehr waren es wohl zahlreiche bundespolitische Faktoren, die ihr den so sicher geglaubten Sieg vermasselten. Ähnliches gilt auch für Baden-Württemberg, wo es im ehemaligen Stammland der Union nur für den zweiten Platz reichte. Junior-Partner in einer Koalition unter einer Grünen-Führung zu sein, das muss die CDU im Südwesten erst noch verkraften, zumal so profilierte Bundespolitiker wie Wolfgang Schäuble und Volker Kauder aus der Region kommen.
Der organisierte Jubel für die zahlreichen Wahlkampf-Auftritte der Bundeskanzlerin in den drei Ländern hat für die meisten CDU-Anhänger nur noch einen schalen Nachgeschmack.
Gerade noch rund 20 % in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern?
Die Perspektiven für die im September stattfindenden Wahlen in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern sind für die CDU keineswegs rosig. Von euphorischen Erwartungen sind dort die Unionschristen um Lichtjahre entfernt. In aktuellen Umfragen kommt die CDU in Merkels Stammland Mecklenburg-Vorpommern knapp über die 20 %-Marke, in Berlin eher darunter. Auch für Nordrhein-Westfalen, wo im Mai 2017 der Landtag neu gewählt und von wo das wichtigste bundespolitische Signal ausgehen wird, steht die Union mit Armin Laschet an der Spitze trotz aller Schwächen der rot-grünen Koalition von Hannelore Kraft alles andere als stark da. Als Erfolg an Rhein und Ruhr würde die NRW-CDU bereits ihre Beteiligung an einer Großen Koalition werten. Bei den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und im Saarland, die 2017 anstehen, kann die CDU ebenfalls nicht auf große Siege hoffen. An der Saar genießt die CDU-Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karenbauer immerhin ein hohes Ansehen, in Schleswig-Holstein droht der Union mangels profilierter Kandidaten eher „Land unter“.
CDU-Führung ohne klaren Kurs
Was landauf, landab in der Partei registriert wird, das sind Defizite der CDU: Es fehlen begeisterte Anhänger, überzeugte „Kämpfer“ an der Basis, engagierte Mitglieder sowie vielfach auch mitreißende Parteifunktionäre und dynamische Mandatsträger. Angela Merkel steht für die meisten CDU-Mitglieder zwar immer noch als erfolgreiche Regierungs-Chefin, doch weniger für eine motivierende, innovative und begeisternde Führerin ihrer Partei. In der Großen Koalition scheint der klare politische CDU-Kurs immer mehr verloren zu gehen. Viele Unionschristen finden die Kompromisse auf den Politikfeldern allzu sehr sozialdemokratisch eingefärbt. Immer weniger erkennen, wofür die CDU noch steht und für welche politischen Ziele die Partei Flagge zeigt.
Tauber: mehr Sekretär denn General
Hinzu kommt, dass die Führungsetage der Bundes-CDU mit dem Generalsekretär Tauber an der Spitze allzu schwach agiert. Die Nutzung der neuen sozialen Medien für die Kommunikation ist dessen Steckenpferd, doch es fehlen Botschaften mit Inhalten, Kampfeslust, wie sie einst Heiner Geißler als Generalsekretär bewies und Zukunftsentwürfe mit Phantasie, wie sie sein Vorgänger Kurt Biedenkopf präsentierte: Wen wundert’s da, dass einige CDU-Granden bissig feststellen: Tauber ist eben die Steigerung von taub. Allerdings ist der jetzige Generalsekretär ein für Angela Merkel bequemer Sekretär, aber weniger General, der sich lieber im Elfenbeinturm des Adenauer-Hauses als in den Niederungen der Stadt- und Kreisverbände aufhält, der eher autistisch denn dialog- und diskussionsfreudig wirkt.
Berliner Kreis rüttelt auf
Beachtlich ist da die vor wenigen Tagen veröffentlichte Erklärung des Berliner Kreises, zu dem nicht weniger als 16 CDU-Mitglieder des Bundestages und der ehemalige erfahrene CDU-Politiker aus Hessen, Christian Wagner, zählen. Sie sind mutig genug, die Probleme der Partei deutlich zu diagnostizieren und konkrete Vorschläge zu machen. Der Berliner Kreis, der zahlreiche Sympathisanten in der Union hat, mahnt nachdrücklich „die programmatische Erkennbarkeit“ an und fordert, die CDU wieder als die „Volkspartei der Mitte“ mit den christlich-sozialen, liberalen und wertkonservativen Elementen zu stärken.
Tiefe Sorgen sprechen aus der Erklärung des Berliner Kreises, die deutlich Gründe dafür nennt, dass beachtliche Teile der Wählerschaft von der einst so starken Unions-Mitte wegbrechen: „Von allen Parteien hat die CDU am meisten Wähler an die AfD verloren. Der zweitgrößte Anteil der AfD-Wähler kommt aus dem Lager der Nichtwähler, von denen zuvor viele die Union gewählt hatten.“ Und in Richtung der Führung der Bundes-CDU fordern die Unionsprotagonisten, die Grundsätze christlich-demokratischer Programmatik in ihrer Politik wieder sichtbar zu machen und die Mitte am rechten Rand nicht weiter ausfranseln zu lassen. Dabei sollten „unsere Wähler auf der Grundlage einer erkennbaren christlichen Orientierung mit Botschaften zur Leitkultur, zur Bedeutung von Verantwortung und Freiheit, zur Sozialen Marktwirtschaft, zur inneren Sicherheit, zur Familie, zum Lebensschutz und zum Patriotismus“ angesprochen werden, so heißt es in der Erklärung des Berliner Kreises. *)
*) Den vollständigen Wortlaut der Erklärung des Berliner Kreises können Blog der Republik-Leser bei uns anfordern.
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