Begonnen hat dieser Weg mit dem nur zeitweise geglückten Versuch von Zar Iwan dem Schrecklichen Territorien an der Ostseeküste im 16.Jahrhundert zu erobern. Mit der geglückten Zerschlagung der Tataren Khanate war endgültig das Potential gegeben, die Einflusssphäre nach Westen auszudehnen. Zar Peter der Große hat Anfang des 18. Jahrhunderts entschlossen damit begonnen, Russland wirtschaftlich, kulturell und militärtechnisch gegenüber Europa zu öffnen. Auf der Grundlage der erfolgreichen Umstrukturierungen konnte Peter den ersten und bis heute entscheidenden Schritt nach Europa mit dem Sieg im Großen Nordischen Krieg im Jahr 1722 gehen. Die damalige Großmacht Schweden, die bislang den Ostseeraum beherrscht hatte, büßte als Folge der vernichtenden Niederlage große Teile ihres Herrschaftsraums ein ( Teile Finnlands, mehrheitlich das Baltikum und das Gebiet an der Narva, auf dem Petersburg nach europäischen Architekturmustern erbaut wurde). Der Gewinn dieser Territorien war der Schlüssel, um gemeinsam mit Habsburg und Preußen die Zerschlagung des alten Erzfeindes Polen vorzubereiten und mit den Teilungen 1772-1795 zu vollenden. Damit wurde auch die vorübergehende interessengeleitete Sonderbeziehung mit Preußen und später mit dem deutschen Kaiserreich und der jungen Weimarer Republik ( Rapallo ) begründet
. Diese Interessengemeinschaft hatte für Russland aber auch besondere Bedeutung bei den Expansionsbestrebungen gegenüber dem Osmanischen Reich. Hier war nach der Besitznahme im Ostseeraum und der Gewinnung neuer Handelswege die Nordküste des Schwarzen Meeres und die Krim das große Ziel. Welche Bedeutung diese Eroberung haben sollte, hat Fürst Potemkin in einem Brief vom 5.8.1783 an Katharina die Große, die seine Geliebte war, dargelegt:
„Welcher Herrscher hat je eine glanzvollere Epoche herbeigeführt als Ihr? Dabei herrscht nicht nur der Glanz des Ruhms, sondern auch großer Vorteil….Die jetzige Grenze sichert den Frieden Russlands, den Neid Europas und die Furcht der osmanischen Pforte. Erhebe diese ohne Blutvergießen erkämpfte Trophäe und befehle den Historikern, noch mehr Papier und Tinte bereitzuhalten!“.
Direkter kann man den Willen zu weiteren Eroberungen kaum formulieren.
Katharina II. war es auch, die Friedrich dem Großen in der bedrohlichen Endphase des siebenjährigen Kriegs 1762 um Schlesien als Dank für Neutralität bei Russlands Eroberungszügen zum Sieg gegen Habsburg und Frankreich verhalf. Nach der Niederlage Preußens von 1806 gegen das Frankreich Napoleons verhinderte Russland die Zerschlagung Preußens.
Die Geschichte seit Zar Iwan dem Schrecklichen zeigt einen geraden Weg der Expansionsgelüste Russlands gen Westen. Wir wissen, dass sich Geschichte in unterschiedlichen Formen auf gleichen Wegen fortsetzt. Die insbesondere von ostdeutschen Politikerinnen und Politikern gesehenen und gedeuteten Zusammenhänge zwischen US-amerikanischer Politik in den Jahren ab 1990 gegenüber Russland und dessen Aggressionen gegen die Ukraine liefern für Erklärungsmustern nur dürftige Argumente, die eher auf Meinung denn auf nachprüfbaren Sachverhalte beruhen. Man muss dazu nur die Verlautbarungen offizieller Stellen in Russland zu Ursachen und Zielen des Konflikt zur Kenntnis nehmen. Die zugänglichen Medien liefern reichlich Beispiele hierfür. Vielleicht hat hier nur die 45 jährige Sozialisierung in den Bedingungen sowjetischer Herrschaft in Ostdeutschland das Bewusstsein in alter symbiotischer preußisch – russischer Zusammenarbeit geprägt und eine alternative Wirklichkeit geschaffen.