Frank Elbe ist tot. Der Karrierediplomat wurde 1941 im sauerländischen Iserlohn geboren. wohin es seine aus dem Baltikum stammenden Vorfahren verschlagen hatte. Er studierte Jura und politische Wissenschafen in Innsbruck und Bonn, wobei er die Stadt am Rhein zu seinem Lieblingsort machte. Von seiner Wohnung am Rheinufer blickte er auf den Petersberg, den Ort wichtiger politischer Entscheidungen und Begegnungen, und auf das Siebengebirge.
Seine eigentliche, seine politische Heimát aber war die Welt der Diplomatie und der Politik. Der junge Attaché wurde nach Stationen in Warschau und London schon bald mit Fragen der nuklearen Abrüstung befasst, bevor seine „große Zeit“ als Büroleiter des Außenministers Hans-Dietrich Genscher begann.
Gemeinsam mit Genscher und Dieter Kastrup, dem damaligen politischen Direktor des Auswärtigen Amtes, bildete Elbe die bundesdeutsche Verhandlungsdelegation bei den 2 + 4- Verhandlungen zur Herstellung der deutschen Einheit. Emotionaler Höhepunkt war die unvergessene Szene auf dem Balkon der Prager Botschaft, von dem aus Genscher den dort ausharrenden Deutschen aus der DDR verkündete, dass „heute Ihre Ausreise…“ möglich geworden sei. Elbe stand auf dem Balkon, links außen, wenige Schritte von Genscher entfernt. Über diese spannende Zeit schrieb er mit seinem Freund, dem Journalisten Richard Kießler, ein immer noch lesenswertes Buch mit dem Titel „Ein runder Tisch mit scharfen Ecken: Der diplomatische Weg zur deutschen Einheit“.
Elbe blieb, als Genscher ging und Kinkel kam, im Auswärtigen Dienst und war Botschafter in Indien, Japan, Polen und – zum Schluss – in der Schweiz. 2005 kam es zum Bruch mit dem damaligen Außerminister Joseph „Joschka“ Fischer, dem Elbe „moralischen Rigorismus“ vorwarf, was dieser als Insubordination empfand, ja beinahe schon als Majestätsbeleidigung. Außerdem trennten den grünen Minister und den bekennenden Liberalen Welten. Und der durchaus zu Strafaktionen fähige Minister wollte wohl auch an Elbe ein Exempel statuieren, kurz vor dem schon in Sichtweite bevorstehenden Ende seiner Amtszeit. Elbe wurde in den einstweiligen Ruhestand versetzt, und er blieb nicht – wie viele Ex-Diplomaten – in Berlin wohnen, sondern zog mit seiner Frau Ellen, einer passionierten Malerin und perfekten Gastgeberin, an den Rhein, in eine katholische Gegend, in der er, der gläubige Lutheraner, sich zu Hause wusste.
Er begann ein „zweites Leben“ als international tätiger Industrieanwalt. Außerdem schrieb er als eifriger Autor in den sozialen Netzwerken und in Zeitschriften wie beispielsweise in CICERO oder auch sporadisch im „Blog der Republik“, freilich auch – zu besseren Zeiten – in „Russia today“. Sein Lebensthema blieben die Abrüstung und die Aussöhnung Deutschlands und Europas mit Russland und seinen Menschen.
Er glaubte, so sagte er vor wenigen Wochen dem SPIEGEL, Europa habe endgültig Frieden gefunden. „Ich dachte, eine neue Zeit stehe bevor«, meinte Elbe:
Diplomaten lernen, ihre Gefühle nicht zu zeigen. Der Angriff Russlands am 24. Februar aber brachte Elbe , wie der SPIEGEL-Redakteur Klaus Wiegrefe schrieb, „aus der Fassung“. Am Nachmittag schrieb er an Wiegrefe in einer Mail: »Ich habe gerade bitterlich geweint. Ich werde die Rückkehr zu einer wie auch immer gearteten Normalität bei meiner Lebenserwartung nicht mehr erleben. Es war alles umsonst.« Jetzt ist Elbe mit 81 Jahren gestorben, und eine wie immer geartete Normalität ist nicht in Sicht. Leider.
Bildquelle: StagiaireMGIMO – Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0