So könnte man das Verhalten der Bundesregierung in Sachen Bekämpfung der AfD mit den Mitteln des Rechtsstaats bezeichnen. Dass der Bundeskanzler im Gegensatz zu Oppositionsführer Friedrich Merz an einer Bürgerdemonstration gegen die AfD teilgenommen hat, ist ehrenwert, reicht aber wirklich nicht aus. Auf die Frage eines Journalisten, ob er bei der Demo kraft seines Amtes dabei war, hat ihn gleich wieder der Mut verlassen und er hat geantwortet, er sei dort als Bundestagsabgeordneter für den Wahlkreis Potsdam vor Ort gewesen. Was für ein Kleinmut angesichts der Gefahren durch die rechtsextreme AfD! Darf man nicht mit Recht erwarten, dass der Bundeskanzler sich seiner Verantwortung für das Wohl der Republik bewusst wird? Darauf hat er einen Eid geschworen.
Wie wäre es, zum Beispiel die Ministerpräsidentinnen und ihre anderen Länderkollegen sowie den Oppositionsführer der Union zu einem informellen Gespräch über rechtliche Fragen der Vorgehensweise gegen die AfD und dazu auch renommierte Verfassungsrechtler wie Voßkuhle als Vortragenden einzuladen? Damit könnte er seine Gäste in die Verantwortung nehmen. Und er könnte dadurch auch die Kakophonie zu diesem Problem eindämmen. Es ist wirklich Zeit, Rückrat und Handlungsbereitschaft zu zeigen.
Um die Verfassungswidrigkeit der AfD darzulegen, müsste gem. Artikel 21 Absatz 2 Grundgesetz festgestellt werden, dass sie geeignet ist, “ nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgerichtet ist, die freiheitlich demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden“. Die Verfassungsschutzberichte aus zwei der drei Bundesländern, die der AfD “ erwiesenermaßen rechtsextremistische Bestrebungen“ nachweisen, geben reichlich Gesichtspunkte, mit denen eine Verfassungswidrigkeit begründbar wäre. Und dass die AfD angesichts der Umfragen das vom Bundesverfassungsgericht geforderte Potentialitätskriterium nicht erfüllen würde, muss wohl angesichts der Umfragen nicht befürchtet werden. Eine entsprechende rechtliche Bekämpfung der AfD ist ebenfalls auf Länderebene möglich und durch die dortigen zwei Verfassungsschutzberichte deutlich besser abgesichert als auf Bundesebene. Landesregierungen können nach § 43 Absatz 2 Bundesverfassungsschutzgesetz ( BVerfGG ) in Verbindung mit § 46 Absatz 2 BVerfGG ein derartiges Verfahren einleiten. Das Risiko eines Verbotsverfahrens auf Bundesebene, wo noch keine derartigen Feststellungen des Bundesamtes für Verfassungsschutz vorliegen, wie zum Beispiel in Thüringen und Sachsen oder Brandenburg, wäre damit minimiert. Wenn nicht endlich eine Entscheidung über die weitere rechtliche Behandlung der AfD getroffen wird, werden damit die Instrumente des Grundgesetzes ( Artikel 21 ) zum toten Verfassungsgut erklärt.
Die Diskussion, ob Entzug von Grundrechten einzelner AfD-Politiker, Ausschluss von der Parteienfinanzierung oder Verbot, muss endlich in geordnete Bahnen gelenkt werden. Politiker und auch die meisten Medien klammern sich allzu oft an Entscheidungsgrundsätze des Bundesverfassungsgerichts aus dem ersten NPD Verbotsverfahren. Grundsätze ändern sich auch nach den Gegebenheiten und einer Bedrohungslage. Man tut dem Gericht Unrecht, es für statisch in der Rechtsfindung zu halten. Und für die Bundesregierung wie auch für die drei Landesregierungen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg gilt: keine politische Entscheidung in Grundsatzfragen ohne Risiken.
Es zeichnet sich ab, dass die Union auf den von der SPD in Gang gesetzten Zug mit einem besseren Schutz des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes aufspringen will. Manchmal siegt auch in der politischen Debatte der Verstand.