Die deutsche Wirtschaft ist auf dem Wege aus dem Corona-Keller. Doch die Prognosen für das Wachstum wurden von nahezu allen Experten mehr oder weniger revidiert. Das Bundeswirtschaftsministerium erwartet für das laufende Jahr eine Zunahme beim Bruttoinlandsprodukt von 2,6 %, für 2022 ein Plus von 4,1 %. Der Sachverständigenrat prognostiziert einen Anstieg um 2,7 % für 2021 und um 4,6 % im kommenden Jahr. Das sind durchaus gute Perspektiven, doch die Unsicherheiten über die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung sind hoch.
In der 4. Corona-Welle
Die aktuellen Zahlen von der Pandemie-Front sind geradezu erschreckend. Die stark steigenden Inzidenzzahlen und andere Daten machen deutlich, dass die 4. Corona-Welle durch’s Land rollt. Der bevorstehende Winter könnte hart werden. Und das, obwohl inzwischen rund 70 % der Menschen hierzulande zum zweiten Mal geimpft worden sind. Die Booster-Impfung läuft bereits – insbesondere für die Älteren –, jedoch noch recht zögerlich. Die „Ampel-Koalitionäre“ setzen bereits vor der Regierungsbildung Zeichen und planen neue gesetzliche Maßnahmen im Kampf gegen Corona. Auf jeden Fall soll ein weiterer Lockdown vermieden werden. Denn dies würde den Wirtschaftsaufschwung lähmen.
Mangel an Zulieferungen
Ohnehin erleben wir derzeit eine Ruckelkonjunktur. Die Industrieproduktion wird zusehends ausgebremst, weil es beachtliche Engpässe bei Chips, Vorprodukten und anderen Zulieferungen gibt. In manchen Branchen erreichen die Bestellungen ein Rekordhoch, doch mangels Materialien kann die Endfertigung von Produkten nicht erfolgen. Im verarbeitenden Gewerbe mussten viele Firmen Kurzarbeit anmelden – wie etwa in der Automobilindustrie, bei der es an Halbleitern mangelt.
Hohe Inflationsraten
Die Nachfrage nach Rohstoffen und Energie ist in den letzten Monaten weltweit kräftig gestiegen. Die Preise für Öl und Gas sind geradezu explodiert. Der Preis für Strom hat in Deutschland ein Rekordniveau erreicht. Die Inflation wird in diesem Jahr mindestens deutlich über 3 % liegen. Im September betrug sie 4,1 %. Erst im nächsten Jahr wird es eine gewisse Preisberuhigung geben – mit einer Inflationsrate unter 3 %. Die privaten Verbraucher spüren diesen Preisschub deutlich. Die privaten Sparer müssen infolge der Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank den Geldwertschwund in vielfacher Milliardenhöhe schmerzlich hinnehmen; nicht wenige müssen zudem sogar Strafzinsen für das Verwahren ihrer Guthaben an Sparkassen und Banken zahlen.
Gefahr einer Preis-Lohn-Spirale
Recht positiv war bislang die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt. Die Zahl der Arbeitslosen ging zurück, die Stellenangebote – vor allem für qualifizierte Fachkräfte – stiegen weiter an. Auch für 2022 wird ein positiver Trend bei der Beschäftigung erwartet: Die Arbeitslosenquote, die im Jahr 2021 bei 5,7 % liegt, dürfte auf 5,3 % sinken. An der Tariffront operieren die Sozialpartner mit vorsichtiger Zurückhaltung. Die bisherigen Lohn- und Gehaltserhöhungen bewegen sich zwischen 2,5 und 3 %. Angesichts der hohen Inflation dürfte es bei den anstehenden Tarifrunden zu höheren Forderungen der Gewerkschaften kommen; im öffentlichen Dienst verhandeln die Arbeitnehmer über ein Lohn- und Gehaltsplus von 5 %.
Warten auf die Ampel-Politik
Mit großer Spannung werden die Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen von SPD, Grünen und Liberalen erwartet. In der Endphase werden mehr und mehr Differenzen deutlich. Diese ergeben sich vor allem in der Klimaschutzpolitik und bei den öffentlichen Finanzen. Die zahlreichen Vorhaben, die die Ampelpolitiker für die notwendige Transformation hin zu einer klimafreundlichen und digitalen Wirtschaft, für die öffentliche Infrastruktur und die Bildung planen, erfordern hohe Milliarden-Ausgaben. Wenn die Rückkehr zu einer soliden Fiskalpolitik zugleich gelingen und keine Steuern erhöht werden sollen, wird es größter Anstrengungen bedürfen, um hier für eine Lösung zu finden. Die Möglichkeiten, außerhalb des Bundeshaushaltes über staatliche Unternehmen – insbesondere über die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) – Finanzierungen zu kreieren, sind recht begrenzt. Und Schattenhaushalten werden die FDP ebenso wenig wie der designierte Bundeskanzler Scholz kaum zustimmen. So werden die Ampelkoalitionäre ihre große Hoffnung auf einen kräftigen Aufschwung setzen, auf eine Steigerung des Bruttoinlandsprodukts und damit auf höhere Beträge für die Sozialversicherungssysteme. Die neuesten Ergebnisse der Steuerschätzer nähren diese Hoffnungen. Wenn zudem die SPD, Grünen und die FDP den Abbau von Subventionen mit großem Mut gegen manche Widerstände realisieren, wird sich die Ampel weitere finanzpolitische Spielräume erarbeiten können. Für das Gelingen der Transformation und Modernisierung unserer Volkswirtschaft sind schließlich insbesondere hohe private Investitionen erforderlich. Dafür müssen bessere wachstumsfreundliche Rahmenbedingungen beschlossen werden. Die Vereinfachung und Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren sind dringend geboten; sie kosten nichts, bringen jedoch einen Schub für Wachstum und Finanzen.
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